Auf der Harley-Davidson über die Traumstraßen Amerikas
(Reisetagebuch von Marion Dittner)

- Einleitung -

Alles fing damit an, dass ich im März 2000 ganz plötzlich an Leukämie erkrankte. Von einem Tag zum anderen wurde alles anders. Ich kam auf die Intensivstation und musste in neun Monaten vier Chemotherapien ertragen. Es war meine dritte Krebserkrankung, meine Hoffnung, es noch einmal zu schaffen, war nicht allzu groß, dennoch wollte ich kämpfen. Das Schlimmste war, dass ich mein Zimmer nicht verlassen durfte, auch die Fenster konnten nicht geöffnet werden. Frühjahr, Sommer und Herbst konnte ich nur in meinen kurzen Erholungsphasen, die ich zwischen den Chemotherapien zu Hause verbringen durfte, genießen. Ich fühlte mich wie eine Gefangene, ohne etwas verbrochen zu haben.

Als dieser Albtraum endlich vorbei war, und der Sensemann offensichtlich begriffen hatte, dass er auf mich noch warten muss, befanden wir uns in der Adventszeit. Reimar hatte es geschafft, er wurde vorzeitig zum 01.12.2000 pensioniert und ich wurde genau an diesem Tag endgültig aus dem Krankenhaus entlassen. Ich fühlte mich noch hundeelend, aber glücklich, jetzt zu Hause bleiben zu können. Wir fingen wieder an, Pläne für die Zukunft zu machen. Als erstes kam die Abschiedsfeier von Reimars Büro, dann das Weihnachtsfest, der Jahreswechsel, und im Januar 2001 stand Reimars 60. Geburtstag an. Den wollten wir auswärts in großem Rahmen feiern, denn es hatten uns so viele Familienangehörige, Freunde und Vereinskameraden während unserer schweren Zeit unterstützt und an unserem Schicksal Anteil genommen, dass es uns ein großes Bedürfnis war, mit all denen nicht nur den 60. Geburtstag und die Pensionierung von Reimar, sondern auch meine Rückkehr ins Leben in einem besonderen Rahmen zu feiern. Das haben wir dann auch mit achtzig Gästen getan. Das Fest war unglaublich schön. Als Geburtstagswunsch von Reimar überlegten wir uns das Motto: „Wir fahren mit dem Motorrad auf der Route 66 durch Amerika.“

Bisher hatte ich nicht den Wunsch, einen Urlaub außerhalb Europas zu verbringen, da gibt es noch genug andere reizvolle Reiseziele, aber jetzt, in meiner „Ausnahmesituation“, wollten wir allen und auch uns zeigen: “Das Leben hat uns wieder, wir haben ein neues, großes Ziel!“ Videos, Bücher, Dollar und Geldspenden gab es zum Geburtstag reichlich, aber wir brauchten noch viel Zeit, diese Reise zu planen. Dann kam der 11. September 2001, an dem die Twin Tower durch Flugzeuge zerstört wurden. Da war uns die Lust auf Amerika erst einmal vergangen, und wir machten dafür eine vierzehntägige Reise mit unserer BMW R 80 RT in die Dolomiten. Ich wollte die Berge einmal im Sommer sehen, die wir schon viele Jahre mit Skiern abgefahren sind. Außerdem wollte ich testen, ob ich überhaupt solange auf dem Motorrad sitzen kann und mit so wenig Gepäck auskomme. Das klappte alles hervorragend. Wir fuhren in zehn Tagen 3000 km und überquerten 14 Pässe. Es machte uns beiden sehr viel Spaß und war eine gute Vorbereitung für Amerika. Seitdem fahren wir übrigens mit viel weniger Gepäck in den Urlaub, es reicht immer!

Dennoch sollten noch einige Jahre vergehen, bis wir unsere verrückte Idee verwirklichen konnten. Zu viele Fragen waren offen: Nehmen wir das eigene Motorrad mit oder borgen wir uns eins in Amerika? Wie lösen wir das Gepäckproblem? Können wir für die Motorradbekleidung einen Koffer mitnehmen? Wenn ja, wo lassen wir ihn während unserer Rundreise? Müssen wir vielleicht an unseren Ausgangsort zurück, um unseren Koffer dort wieder abzuholen? Fahren wir alleine auf eigene Faust oder schließen wir uns einer Gruppe an? Wie legen wir die Tagesetappen, die ja durch sehr einsame Gegenden führen, fest? Finden wir immer vor dem Dunkelwerden ein Quartier? Kommen wir stets rechtzeitig zum Tanken? Mir fehlte eigentlich der Mut, dieses Abenteuer alleine zu bewältigen.

Außerdem wurde ich von der Krankenkasse ausgesteuert, die EU-Rente wurde abgelehnt, ich musste zum Arbeitsamt und mich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen, der Vertrauensarzt der BfA meinte, ohne mich gesehen zu haben, dass ich noch sechs Stunden täglich arbeiten könnte. Nun war die Urlaubseinteilung sehr knapp, denn ich durfte Berlin nur an ganz genau 20 Tagen verlassen, sonst würde mir das Geld gesperrt. Es folgte ein langer, kostspieliger Kampf um meine EU- Rente, der erst im April 2004 zu meinen Gunsten entschieden wurde. Da ich im Juni 2004 meinen 60. Geburtstag feiern konnte, habe ich diese Rente ab 01.07.2004 in ein vorzeitiges Altersruhegeld umwandeln lassen. Nun bin ich endlich frei und kann reisen, wann und wie lange ich will.

Unsere Reiseplanungen waren also auf die lange Bank geschoben worden, bis Reimar drängelte, wann wir denn nun endlich nach Amerika fliegen. Wir werden immer älter, lange können wir so ein großes Projekt nicht mehr aufschieben. In die nähere Umgebung können wir immer noch fahren. Womit er absolut Recht hatte, also gab ich endlich mein o.k. unter der Bedingung, dass ich mich um die Organisation nicht kümmern muss.

- Vorbereitung –    Zum Anfang

Am 13. März 2004 eröffnete Reimar die diesjährige Motorradsaison und fuhr mit seiner BMW zur Tourismusbörse auf dem Messegelände unter dem Funkturm. Dort sprach er am Stand von Eaglerider Deutschland mit Günter Kykillus. Von ihm erfuhr Reimar, dass eine neue Tour durch Kalifornien in Zusammenarbeit mit dem ADAC und dem Reisestudio Nürnberg unter dem Moto:“ Wir zeigen Ihnen den Westen der USA aus seiner schönsten Perspektive – dem Sattel einer Harley - Davidson,“ geplant ist. Er ermunterte Reimar, diese Reise doch mitzumachen, wenn nicht jetzt, wann dann? „Wie lange willst Du noch warten, Du bist doch auch schon über 50!“ waren seine Worte. „Nee“, antwortete Reimar, „ich bin 63 Jahre alt!“ Günter riet ihm ab, beim ersten mal auf eigene Faust zu fahren. Man tauschte die Adressen aus, Günter versprach, uns die Ausschreibung, die im April in der ADAC Motorradwelt erscheinen wird, zu senden. Die Reisebedingungen waren für uns akzeptabel, die Reisezeit passte uns sehr gut, und die Tour ging genau durch die von uns gewünschte Gegend, denn wir wollten unbedingt die Route 66 und den Highway Nr. 1, von dem uns unser Sohn schon soviel vorgeschwärmt hatte, fahren. Alles hörte sich sehr gut an: eine geführte Reise, Vorgebuchte Hotels, ein Begleitfahrzeug für den Gepäcktransport mit Ersatzmotorrad und der Möglichkeit für den Sozius, auch mal die eine oder andere Etappe als Beifahrer im klimatisierten Kleinbus mitzufahren.

Zeitgleich mit der neuen ADAC – Motorradwelt, in der die Ausschreibung abgedruckt war, erhielten wir die versprochene Post von Günter. Reimar meldete uns umgehend an. Wir konnten unter fünf verschiedenen Harley – Davidson, mit Angabe einer Alternative, wählen. Bei einem Anruf am 19.04.2004 im Reisestudio Nürnberg erfuhren wir von Bernhard Fischer, dass wir die Reiseunterlagen demnächst bekommen. Bei einem weiteren Telefonat mit Bernhard erfuhren wir, dass wir die ersten Anmelder waren und dass wir unser Wunschmotorrad, die Electra Glide Classsic, bekommen. Die Reise war sofort ausgebucht, einigen Interessenten musste schon abgesagt werden. Welch ein Glück für uns, so schnell gebucht zu haben! - Nun hoffen wir, dass gesundheitlich nichts mehr dazwischen kommt, besonders bei mir, denn ich bin ja eine Risikoperson. Auf alle Fälle haben wir eine Reiserücktrittversicherung zu jeder Zeit abgeschlossen, die erforderliche Anzahlung geleistet und auch die Restsumme fristgemäß gezahlt. Reimar hat noch einmal mit Günter telefoniert, um zu erfragen, ob wir unsere dicken Motorradanzüge mitnehmen müssen. Er meinte, eigentlich nicht – eine dünne Motorradjacke und Jeans müssten reichen. Leichte Helme und neue leichtere Stiefel haben wir uns schon gekauft. -

Anfang September 2004 bekommen wir langsam Reisefieber. Wir werden uns noch nach neuen dünnen Jacken mit Protektoren umsehen. Ansonsten warten wir auf die versprochene Gepäckliste und auf unsere Tickets. Die anderen Teilnehmer, die aus ganz Deutschland kommen sollen, werden wir erst in Frankfurt am Main auf dem Flughafen treffen. Hoffentlich erkennen wir sie. Wir werden Ausschau halten, wer einen Motorradhelm dabei hat. Außerdem bin ich gespannt, wie viele Frauen dabei sind. Günter Kykillus und Bernhard Fischer erwarten uns erst auf dem Flughafen in San Diego, weil sie schon einige Tage früher anreisen.

Heute, am 03.09.2004, haben wir endlich die ersehnten Flugtickets und die detaillierten Reiseunterlagen im Briefkasten gehabt. Jetzt werden wir doch langsam hibbelig. Alles scheint sehr gut organisiert. Die Teilnehmer werden mit neunzehn Motorrädern fahren, davon haben zehn Biker ihre Partnerinnen als Sozius dabei. Das ist schon einmal eine gute Mischung! Nun ist nur noch zu klären, ob wir für die USA eine extra Krankenversicherung brauchen. Dann haben wir noch das Problem, wie viel Geld wir vorab umtauschen sollen, ob wir Travellerschecks mitnehmen und wie wir unsere Finanzen stückeln sollen. Das meiste wollen wir ja mit Kreditkarte bezahlen, was absolut nicht mein Ding ist..

Vor zwei Tagen haben wir uns dünnere Motorradjacken gekauft, und jetzt lesen wir, wir sollten auf alle Fälle wasserdichte, dicke Jacken mitnehmen. Ich hoffe nun, dass unsere neuen Jacken, obwohl nicht wasserdicht, dafür luftdurchlässig, warm genug sein werden. Mit Regen rechne ich von vornherein nicht. Bei meiner Jacke sind natürlich wieder die Ärmel zu lang, angeblich 15 Zentimeter, was mir sehr viel erscheint, ich bin doch kein Zwerg. Die Protektoren sitzen daher nicht an der richtigen Stelle.

Der Hausschneider von Hein Gericke kommt heute, am 06.09.2004 aus dem Urlaub zurück, und wir bringen meine Jacke zu ihm. Er muss den ganzen Ärmel heraustrennen, sehr kompliziert und daher teuer! Er will 60,00 € dafür haben, dabei kam die ganze Jacke nur knapp 100,00 €. Na, ich möchte es auch für dieses Geld nicht selbst machen, Hauptsache, die Jacke sitzt hinterher. Freitag kann ich sie schon abholen.

Gestern hatte wir eine Motorradausfahrt zum Saisonabschluss mit dem MC. Steglitz. Es war wirklich toll, das Wetter stimmte, die Leute sind alle sehr nett. Viele von ihnen waren schon mit ihren Motorrädern in den USA, auch auf unserer Route. Sie konnten uns gute Tipps geben, die wir begierig aufgenommen haben. Wir werden jetzt wirklich schon aufgeregt. Die Geldgeschichte beschäftigt uns weiterhin. Wie viel Bargeld benötigen wir, ohne zuviel zurücktauschen zu müssen? Ist das alles aufregend! Wir haben vorerst 294,76 € in 342,00 Dollar umgetauscht, damit wir „Trinkgeld“ oder besser gesagt „Tipp“ haben. Nach vielen Überlegungen beschließen wir, keine Travellerschecks mitzunehmen, die Kreditkarten müssen reichen!

Unsere Flugzeiten habe ich unserem Sohn Dirk durchgegeben, er will uns zum Flughafen bringen. Nachdem wir nun die letzten wichtigen Dinge und Wege erledigt haben, wird am Donnerstag, den 23.09.2004 der Koffer gepackt. Dirk hat uns seinen schönen großen Samsonite geborgt, der lässt sich gut packen. Zuerst habe ich Reimar Sachen im Boden verstaut, bis ich merke, dass der Deckel flacher ist. So packe ich noch einmal um. Zum Glück bekomme ich alles hinein. Dazu nehmen wir noch meine Lieblings-KLM-Reisetasche für Schuhe, Waschzeug, Fön und anderen Kleinkram, das muss reichen. Dann muss ich heute noch zum Zahnarzt. Vorige Woche hat er noch eine Wurzelbehandlung bei mir durchgeführt. Der Zahn fing zum Glück rechtzeitig an zu puckern, den Flug hätte ich damit nicht überstanden und in Amerika große Probleme bekommen. Meine Jacke ist auch noch einmal zur Nachbesserung beim Schneider und muss heute abgeholt werden. Die Protektoren saßen nach der Ärmelkürzung viel zu hoch, das war total unkomfortabel. Die Taschen dafür wurden versetzt und neue elastische Gummiprotektoren eingesetzt. Nun bin ich zufrieden, aber es ist schon nervig, was alles zum Schluss noch zu erledigen ist. Doch nun ist das Gepäck fertig gepackt und alles Erforderliche erledigt, eigentlich könnte es schon morgen losgehen. Allerdings ist heute bei der Lufthansa in Tegel das Computersystem total abgestürzt, etliche Flüge mussten gecancelt werden. Hoffentlich geht am Samstag alles glatt, sonst bekommen wir unsere Anschlussflüge nicht. Viele beneiden uns um unsere schöne Reise, Recht haben sie!

Am Freitag, den 24.09.2004 muss ich nur noch zum Friseur, dann letzte Handgriffe am Gepäck, der Koffer muss noch geschlossen werden, aber ich wollte nicht, dass alles so lange gedrückt wird. Die Wohnung ist aufgeräumt – es kann endlich losgehen!

Samstag – 25.09.2004 - Abflugtag       Zum Anfang

Wir werden schon vor 7.00 Uhr wach. Dirk will uns um 9.00 Uhr abholen. Kurz nach 8.00 Uhr sind wir startklar. Reimar hat schon das Auto geholt und beladen. Um 8.30 Uhr rufe ich bei Dirk an, er will gerade losfahren und ist kurz vor 9.00 Uhr bei uns und fährt uns zum Flughafen. Wir checken am Flugsteig 8 ein. Die Maschine kam schon elf Minuten zu spät in Berlin an. Natürlich steht eine lange Schlange am Abfertigungsschalter. Eine alte Frau, Dame möchte ich zu der nicht sagen, drängelte sich unverschämt vor, was denkt die, worauf wir hier alle warten? Dann stellt sie noch ihren Koffer in den Weg. So dass wir Mühe haben, unseren schweren Koffer und die Reisetasche auf die Waage zu stellen. Es gibt unmögliche Leute, in dem Alter sollte man schon Benehmen gelernt haben. Wir können nur noch hoffen, dass unsere beiden Gepäckstücke auch in Denver bzw. in San Diego ankommen, das grenzt dann an ein Wunder! Unser Handgepäck, das wir mit an Bord nehmen, besteht aus unseren beiden Helmtaschen, in denen wir noch Kleinigkeiten verstauen konnten, und jeder hat einen kleinen Rucksack. Nach ein paar guten Tipps von Dirk, heftigem Winken und den unvermeidlichen Sicherheitskontrollen, dürfen wir die Maschine sofort besteigen. Es ist ein Airbus der Lufthansa, er heißt Erbach/Odenwald. Es passen Massen von Menschen hinein. Die Sitze sind gut angeordnet, allerdings sehr eng, nur die Beine haben relativ viel Platz. Man hat ziemliche Mühe, sich hinzusetzen. Auf beiden Fensterseiten sind jeweils zwei Plätze A+C/ H+K. In der Mitte sind vier Sitze D+E+F+G. Wir bekommen die Reihe 30 in der Mitte, Sitze F+G. Günstig ist, dass nur Reimar für mich aufstehen muss, ich also niemand Fremden belästigen muss. Wir starten statt um 10.25 Uhr erst um 10.45 Uhr nach Frankfurt am Main. Die Verspätung habe ich mir schon gedacht, denn die Schlange hinter uns war noch sehr lang. Zwei Schauspieler sind auch an Bord, die kenne ich aus den Rosamunde Pilcher-Filmen, weiß aber ihre Namen nicht. Vielleicht komme ich noch drauf. Neben mir sitzen zwei Griechen (glaube ich). Es gibt auf diesem kurzen Flug kalte Getränke, ich nehme Selters. Um 11.30 Uhr setzt unser Flugzeug in Frankfurt auf, um kurz vor 12.00 Uhr haben wir die Maschine verlassen. Jetzt heißt es unseren Anschlussflug Nr. 446 zu suchen. Am Monitor sehen wir, dass wir zum Flugsteig B 26 müssen, das heißt wandern. Schnell noch ein Besuch auf der Toilette, dann geht es mit langen Schlangen durch die Passkontrolle, wieder wird gewandert und angestanden. Erneuter Sicherheitscheck, diesmal werden wir schon von Amerikanern kontrolliert! Die Frauen müssen vorgehen, bei ihnen geht die Untersuchung schneller. Trotzdem werden wir gründlich abgetastet. Ich muss auf Reimar warten, aber er kommt und kommt nicht. Der Mann an der Ticketkontrolle fordert mich auf, schon durchzugehen. Ich sehe von weitem Reimar an der Sicherheitskontrolle stehen, es wird diskutiert, er muss etwas auspacken, ich kann es nicht erkennen, kann aber auch nicht mehr zu ihm gehen. Was ist nur los?

Jetzt wird er zu einem Schalter gebracht, es wird weiter diskutiert. Inzwischen ist es schon 12.45 Uhr, um 13.15 Uhr soll unser Flugzeug nach Denver starten. Ich werde langsam nervös! Endlich kommt Reimar in Begleitung eines Sicherheitsbeamten, der seine Helmtasche trägt, als hätte er eine Bombe darin. Der Beamte spricht Deutsch, ist sehr nett und entschuldigt sich, aber die Einreise in die USA wird immer besonders pingelig kontrolliert. Das ist verständlich, aber wenn man betroffen ist und ein reines Gewissen hat, findet man das wirklich übertrieben. Reimar hatte sein kleines Nageletui mit Hautschere, zwei Nagelknipsern und einer Nagelfeile, von Westfalia ein Werbegeschenk, in der Helmtasche. Dabei hat er zu Hause noch zu mir gesagt, dass ich keine Nagelfeile im Handgepäck mitnehmen soll! Da das Etui sowieso nichts taugt, wollte er es den Sicherheitsbeamten schenken, das wollten die aber nicht. Darum kam der nette Beamte mit, um die Helmtasche als Gepäck aufzugeben. Das gefällt uns gar nicht, ist aber auch eine Lösung des Problems. Nun kann noch ein Gepäckstück sein Ziel verfehlen. Wir müssen noch durch ein Passkontrolle, da fällt uns ein Herr auf, der einen unverpackten Motorradhelm als Handgepäck bei sich trägt. Der kommt bestimmt mit uns mit, aber ich traue mich nicht, ihn anzusprechen. (Es handelt sich um Rudolf Lisson, der später in der Gruppe immer vor uns fährt). Endlich können wir an Bord. Diesmal fliegen wir mit einer Boing 474 – 400. Sie ist noch größer als die vorige Maschine und hat an den Fensterseiten je drei Sitze A/B/C+ H/J/K, In der Mitte sind wieder vier Sitze D/E/F/G. Wir sitzen in der Reihe 50 J und K, also eine Dreierreihe, wobei ich den Fensterplatz habe, ein schöner Platz, aber ich komme nicht so gut durch, denn auch hier sind die Reihen sehr eng. Reimar sitzt in der Mitte, am Gang sollte eigentlich, (wie sich später herausstellte) der Jürgen Schramm aus unserer Gruppe sitzen, er kommt aus Velbert und trifft im Flugzeug auf seinen Sohn Thorsten aus Berlin, neben dem er verständlicherweise gerne sitzen möchte. So tauscht er seinen Platz mit einem netten Amerikaner. Der ist fünfzig Jahre alt, war in Hamburg und am Edersee. Er unterhält sich sehr nett mit uns und erkundigt sich, was wir vorhaben und meint, er hätte noch mehr Leute mit Motorradhelmen gesehen, muss ja auch, aber mir fielen sie nicht auf. Um 13.40 Uhr geht es also wieder mit Verspätung los. Jeder Platz hat ein Kuschelkissen und eine Decke. Das ist auch gut, denn am Fenster ist es doch etwas kalt.

Unsere Flugzeit nach Denver beträgt 9 ½ Stunden, also werden wir um etwa 23.00 Uhr MEZ in Denver landen. Da wird Reimar schon müde sein. Ich habe meine Kopfhörer von Air Berlin mit, aber jetzt werden welche kostenlos verteil, die sind besser. Bald soll es Mittag geben. Mal sehen, was es hier an Bord zu kaufen gibt. Um 14.00 Uhr bekommen wir erst einmal kühle Getränke. Ich nehme ein Wasser mit Sprudel, Reimar nimmt ein Bier von Becks und ein Beutelchen Käsekräcker. Die Frau vor ihm hat es sich bequem gemacht, den Sitz nach hinten geklappt, nun kann Reimar kaum noch die Zeitung lesen, so eng ist es. Es riecht schon aufregend nach Gulasch, aber vorerst kommt erst einmal ein warmes, feuchtes Tuch, um die Hände zu säubern, es riecht sehr gut. Inzwischen ist es fast 16.00 Uhr, und ich habe schon Hunger.
Zum Glück hat Reimar uns morgens je ein Toastsandwich mit Leberwurst und einer Scheibe Gurke gemacht, das haben wir gegessen, als wir an Bord dieser Maschine gingen. Endlich ist es so weit, um 16.00 Uhr gibt es Essen. Reimar entscheidet sich für die so lecker schnuppernde Roulade mit Rotkraut und Kartoffelpüree. Ich nehme das Schwammerlragout mit gebratenen Serviettenknödeln, Salat mit Dressing, ein kleines Laugenbrötchen mit Butter und Camembert, Weißwein, Rotwein und Wasser, je zwei Gläser, Apfelstrudel mit Vanillesoße und zwei Tassen Kaffee. Um 18.00 Uhr gibt es wieder ein Glas Wasser. Reimar ist ziemlich genervt, weil der Abstand der Sitze zum Vordermann eine Zumutung ist. Auch die Breite der Sitze ist beim Essen nicht sehr komfortabel. Alles fällt hinunter, schrecklich, man kann es kaum aufheben.

Die Außentemperatur beträgt –48 o C.

Im Fernsehen laufen zwei Filme, der erste war nervig, der zweite ist Shreck II. Wie können sich Erwachsene solchen Quatsch ansehen und dafür noch Eintrittsgeld im Kino bezahlen?

Der Mann, den wir in Frankfurt mit dem Motorradhelm getroffen haben, sitzt ca. fünf Reihen hinter uns. Ich denke, wir werden uns in den nächsten vierzehn Tagen öfter sehen!

Um 20.30 Uhr bekommen wir wieder ein Glas Wasser oder Saft zu trinken. Es riecht schon wieder nach leckerem Essen, das uns um 22.00 Uhr serviert wird. Es gibt zum Abendbrot Hühnchen mit Maisgemüse und Reis, Brötchen mit Butter und Schokopudding mit Sahne. Dazu trinken wir wieder Weißwein, Rotwein und Wasser, hinterher noch einen Kaffee. Das Essen hier an Bord riecht nicht nur gut, es schmeckt auch, wider Erwarten.

Die Außentemperatur beträgt jetzt – 58 o C. Die Ortszeit momentan 14.35 Uhr, oder 22.35 Uhr MEZ. Wir flogen also acht Stunden zurück. Die Sonne scheint, wir haben schon wieder eine ganze Weile festes Land unter uns. Ich sah schon mehrere große Flüsse.

Ich wollte unser Besteck mitnehmen, habe es mir aber besser überlegt , im Restaurant nehme ich ja auch kein Besteck mit. Es ist jetzt aus Metall, schön klein, und wir könnten es gut im Urlaub gebrauchen , na, ja! Unsere Kopfhörer werden jetzt auch wieder eingesammelt. Reimar hatte seine schon im Handgepäck, wo auch sonst bei der Enge, wenn man sie nicht benutzt.

Unsere Landung in Denver ist für 15.15 Uhr vorgesehen, denn um 17.00 Uhr soll es weitergehen nach San Diego. Punkt 15.08 Uhr setzen wir in Denver auf. Nun folgt eine Odyssee, die man gar nicht mehr zusammen bekommt. Der Flughafen in Denver ist nicht sehr gut beschildert. Jetzt treffen wir auf immer mehr Leute aus unserer Gruppe. Es folgen Kontrollen ohne Ende: Passkontrolle, ausgefüllten grünen Einreisezettel abgeben, worauf wir unser Zielhotel in San Diego angeben sollten. Wie heißt das nur? Ich habe die Unterlagen im Gepäck. Zum Glück stehen Leute aus unserer Gruppe um uns, so kommen wir ins Gespräch, und sie können uns den Namen von unserem Hotel nennen. Dann müssen wir laufen, unser Gepäck holen, dabei dachte ich, wir werden durchgecheckt. Na, Irrtum! Unser Koffer kommt schnell, aber auf unsere Reisetasche und die Helmtasche müssen wir sehr lange warten. Als ich um das Band herumgehe, steht beides schon auf dem Boden, jemand hat es vom Band geräumt, Frechheit! Dadurch sind wir fast die letzten unserer Gruppe, nur ein Ehepaar aus Mühlheim/ Ruhr (Elke und Peter Durchschlag) ist noch da. Wir müssen wieder, diesmal mit dem ganzen Gepäck, einen langen Gang entlang gehen. Und kommen zur Gepäckabnahme. Hier verlangen sie, dass wir unsere Koffer aufschließen, sonst würden sie aufgebrochen. Die spinnen! Ich war froh, dass ich alles abgeschlossen hatte, damit das Gepäck unterwegs nicht aufgeht. Außerdem hat unser Koffer ein Zahlenschloss, das sich sehr schnell wieder verstellt. Hoffentlich geht das gut. Dann kommen wir wieder zum Check in, danach laufen wir die Rolltreppe hoch, falsch! Wir müssen zum Flugsteig B, also wieder die Rolltreppe hinunter, fragen nach dem Weg. Wir müssen dahin, wo viele Leute stehen, also weder anstellen! Ein Farbiger steht vor der Sperre und will Pass und Bordkarte sehen, zuerst von Reimar, dann von mir. Ich schaue auf meinen Pass, es ist Reimars, dieser farbige Witzbold hat unsere Pässe vertauscht und macht mich darauf aufmerksam, dass ich den falschen Pass habe, lässt mich aber durch. Das ist toll, wenn man ziemlich übermüdet und gehetzt ist, hat man für solche Späße Nerven. Dem Ehepaar aus Mühlheim geht es genauso, auch ihre Pässe sind vertauscht. Jetzt geht es erneut zum Durchleuchten, Pass wieder einpacken, Jacke und Weste ausziehen, Taschen und Bekleidung in eine Plastikkiste legen. Dann verlangen sie auch noch, dass wir unsere Schuhe ausziehen, die werden auch in die Kiste, in der meine hellgelbe Jacke liegt, gestellt, das finde ich eklig. Wir müssen barfuss über Linoleumboden durch die Sperre gehen, das ist genauso eklig, ich gehe nie auf fremdem Boden ohne Schuhe. Dann werden wir abgetastet. Bei uns geht alles gut, aber die Frau aus Mühlheim wird ewig abgetastet, muss sich barfuss drehen, Arme ausbreiten, wieder drehen, dann kommt eine Sicherheitsbeamtin, macht ihr vor, wie sie sich drehen muss und noch einmal drehen. Ein Gürtel war wohl der Grund dieser Kontrolle. Es ist nicht zu fassen! – Wir haben auf sie gewartet, endlich können wir weiter, müssen die Zollerklärung abgeben und kommen zu einem Zug, der uns zu unserem Terminal bringt. Es ist die zweite Station, wo wir aussteigen müssen. Dort müssen wir die Bordkarten abgeben, bekommen dafür eine andere. Die Kontrolle findet, die Nr. 3 darauf falsch, das Ehepaar vor uns muss deswegen umkehren, sich eine andere holen, wir dürfen aber trotz der falschen Zahl durch, nachdem ich dicke Backen gemacht habe. Das ist doch reine Schikane! Endlich sitzen wir im Flugzeug - geschafft! –

Eine Stunde und fünfzehn Minuten trennen uns nun noch von San Diego. Wir fliegen jetzt mit einer Boing 757 der United Airline, sitzen Reihe 29 D + E, also in der Mitte und am Gang. Am Fenster sitzt ein dicker, farbiger Amerikaner. Mit 25 Minuten Verspätung starten wir um 17.25 Uhr. Der Himmel über Denver ist schwarz, teilweise regnet es. Das ist ja ein guter Empfang. Vor uns müssen noch sechs Maschinen starten, also heißt es für uns, am Startpunkt warten. Inzwischen bekommen wir an Bord Drinks – zwei Apfelsaft und eine Tüte Mini Salzbrezeln. Als wir oben sind, ist das Wetter wieder sonnig, und man kann die Landschaft sehen. Um 19.25 Uhr (3.25 Uhr MEZ) sind wir endlich am Ziel, San Diego und seit über 20 Stunden auf den Beinen, ohne geschlafen zu haben. Wo ist mein Bett? -

Am Ausgang erwarten uns Bernhard Fischer und Klaus mit einem Transparent vom Reisestudio Nürnberg. Wir bekommen diesmal sehr schnell unser Gepäck und gehen zurück zu unseren Reiseleitern. Inzwischen ist auch Günter Kykillus zu unserem Empfang zum Flughafen gekommen. Das Gepäck wird zum ersten Mal in unserem Gepäckbus, mit wunderbarer Beschriftung von Eaglerider, verstaut. Es haben zwar alle so große Koffer wie wir, aber es passt alles gut hinein. Günter lobt uns dafür, dass wir so „sparsam“ eingepackt haben. Mit drei kleinen Zubringerbussen werden wir zu unserem ersten Motel, dem Mission Valley Ressort gebracht. Bernhard hat uns schon eingecheckt, daher bekommen wir sofort unsere Zimmerschlüssel, die in Amerika ausnahmslos Chipkarten sind. Wir haben Zimmer Nr. 803, direkt davor liegt der Pool, baden ist von 9.00 Uhr bis 22.00 Uhr erlaubt. Wir sollen uns nur kurz frisch machen, dann treffen wir uns in der Hotelbar zur Begrüßung. Wir stellen das Gepäck ab, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, zum Glück liegen unsere Schlafanzüge im Koffer ganz oben, auch das Waschzeug ist schnell gefunden. Das Zimmer ist ausreichend und zweckmäßig, allerdings so klein, dass wir kaum Platz für den aufgeklappten Koffer haben. So liegt er zwischen unseren zwei Betten, wovon jedes in Amerika immer 150 cm breit ist. Das brauchen die Amis auch, denn sie sind durch das Fast Food fast alle sehr dick. So überlegen wir, in welchem Bett wir schlafen. Heute werden wir erst einmal beide benutzen, das ist richtiger Luxus, denn zu Hause ist unser Bett auch nur 160 cm breit. Auf den Betten liegen hübsche Bettdecken, zwischen den Betten steht ein Nachttisch mit Telefon und elektrischer Weckuhr. Direkt vor dem Eingang stehen zwei Stühle, eine Stehlampe und ein kleiner runder Tisch mit einer Kaffeemaschine, Tassen und zwei verschiedene Sorten Kaffeepads. Das gefällt schon mal dem Reimar, denn er ist eine richtige Kaffeetante. Dahinter steht ein kleiner Schrank mit Fernseher, ein Kleiderschrank mit Tresor und Spiegelschiebetüren, ein Gestell für den Koffer, geradezu eine weiße Jalousietür, dahinter liegt das Badezimmer mit niedriger Badewanne und Duschvorhang, Waschtisch, Fön und WC. Die WC’s in Amerika sind auch gewöhnungsbedürftig. Es sind Tiefspüler, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt sind, Man hat schon Bange, man stippt vielleicht ein. Beim Spülen wird das Becken einmal rundgespült und dann wird das Wasser mit einem starken Sog, wie etwa im Flugzeug nach unten gezogen. Man bekommt zuerst einen richtigen Schreck und hat Angst, mit hinuntergezogen zu werden. Dann läuft sofort wieder das halbe Becken voll Wasser. Toilettenbürsten gibt es nirgends. Wir waschen nur schnell die Hände, dann stecken wir uns unsere Namensschilder an und gehen zur Begrüßung, wo wir uns erst einmal kennen lernen. Drei Mitreisende aus der Schweiz werden noch vermisst, aber im Laufe des Gesprächs tauchen sie dann doch noch auf. Uns wird ein Getränk spendiert, wir bekommen die notwendigsten Informationen, und Günter verteilt die Frühstücksgutscheine für morgen früh. Alles ist bisher gut durchorganisiert, außer Schlaf vermissen wir nichts. Um 22.30 Uhr Ortszeit gehen wir endlich schlafen. Direkt vor unserem Motel geht die Interstate Nr. 8 vorbei, da fließt der Verkehr ununterbrochen. Es ist recht laut, aber wir sind entsprechend müde und von zu Hause den nahen Flugplatz gewöhnt, also schlafen wir wie die Murmeltiere.

1. Übernachtung im Mission Valley Ressort – San Diego

 

1. Tag - Sonntag 26.09.2004 (zur freien Verfügung)     Zum Anfang

Es ist noch dunkel, als Reimar zur Toilette geht, ich bin auch schon wach. Es ist 5.30 Uhr. Günter hat uns prophezeit, dass wir alle um 5.00 Uhr wach werden, wegen der Zeitverschiebung. Das wollen wir nicht, deshalb druseln wir noch etwas. Um 6.00 Uhr stehen wir aber doch auf und sind ganz stolz, dass wir es eine Stunde länger geschafft haben. Nach dem Duschen gehen wir frühstücken, das gibt es in Amerika 24 Stunden am Tag, was in Deutschland undenkbar wäre. Gegen die Amerikaner sind wir, speziell auf dem Dienstleistungssektor, ein faules und unfreundliches Volk. Hier sind die Bedienungen überall sehr freundlich, ein richtiger Service, wie ich ihn verstehe. Draußen ist es immer noch dunkel. Wir werden platziert, von unserer Gruppe ist noch keiner da, was uns verwundert. Wir können wählen zwischen Ham and Eggs with Bacon und Bratrösti oder süßen Waffeln mit Erdbeeren und Sahne. Da das Essen lange vorhalten soll, wählen wir die pikante Variante. So bekommen wir ein Rösti, eine Scheibe gegrillten gekochten Schinken und Rührei, einen gebutterten Toast, und ein Glas Orangensaft, dazu Kaffee, solange, bis man abwinkt. Er schmeckt anders als bei uns in Deutschland. Wir hatten schon einen Kaffee auf unserem Zimmer, er ist gewöhnungsbedürftig, aber es ist überhaupt eine nette Geste, dass man sich auf dem Zimmer einen Kaffee machen kann. Wir bekommen ein tolles Frühstück, das bis 19.00 Uhr vorhalten soll. Wir wundern uns, dass immer noch keiner von unserer Gruppe zum Frühstücken kommt, immerhin ist es schon 7.00 Uhr, wir sollen doch schon um 8.00 Uhr zur Informations- Besprechung kommen. Da fällt mein Blick auf die Wanduhr 6.10 Uhr!!! Ich frage die Bedienung, ob das die richtige Zeit ist? Ja! Ich habe noch nie freiwillig so früh gefrühstückt! Es ist ja auch nur ein Irrtum, den Reimar, mein Frühaufsteher, sehr lustig findet. Wir hatten unsere Uhren in Denver auf die amerikanische Zeit umgestellt, wussten aber nicht, dass Kalifornien in einer anderen Zeitzone liegt und es hier noch eine Stunde früher ist, also neun Stunden zurück zur MEZ. Na, besser zu früh als am ersten Tag schon zu spät. Auf diese Weise bleibt mir noch Zeit, unseren Koffer etwas umzupacken, damit beim Vorziehen von Kleidungsstücken nicht alles durcheinander fällt. Eine Kofferseite schaffe ich noch, dann ist es Zeit für die große Besprechung. Wir treffen uns wieder in der Hotelbar. Dort stellen wir uns erst einmal, mit unseren Vornamen vor und einigen uns auf das bei Bikern übliche Du. So ist es auch einfacher, sich alle Namen möglichst schnell zu merken. Jeder erzählt mit ein paar Sätzen, wo er herkommt und wie er zu dieser Reise gekommen ist. Das ist schon sehr interessant! Die Frauen scheinen alle auch so „motorradverrückt“ zu sein, wie ich, das ist schon einmal gut, dann zickt wenigstens keine herum. Außer uns kommt nur noch der Thorsten Schramm aus Berlin (Friedenau). Er teilt sein Zimmer mit seinem Vater, Jürgen, der aus Velbert kommt. Ansonsten sind Badenser, Münchener, Hamburger, Flensburger, Kölner, Bremer, Hamelner, Leipziger, Düsseldorfer, Bochumer, Heidelberger und Karlsruher, also Teilnehmer aus ganz Deutschland dabei. Außerdem noch die Familie Blunschi aus der Schweiz, die ihren Sohn Remo dabei hat. Er hat leider ein leichtes Handicap und fährt im Service Bus mit. Unsere Scouts werden uns vorgestellt, und wir werden in zwei Fahrgruppen, rot und blau, eingeteilt. Wir gehören zur roten Gruppe, die zuerst fährt und von Joel, einem jungen Amerikaner, der sich in der Gegend so gut auskennt, dass er ohne Karte fahren kann, angeführt. Auf dem Sozius fährt bei ihm seine Freundin Sophia mit, die von unserer Tour einen Videofilm drehen soll. Dazu wird sie häufiger verkehrt herum sitzen müssen. Diesen Film sollen wir bekommen, wenn er in Deutschland geschnitten und bearbeitet ist, als DVD oder Video. Wenn es geht, werden wir beides nehmen, denn man weiß ja nicht, wie lange es noch Videos gibt. Am Ende der roten Gruppe fährt Bernhard. An seinem Gepäckträger wird eine lange Stange befestigt, an der die Deutsche und darunter die Amerikanische Flagge flattern werden, damit Joel immer sehen kann, ob noch alle Gruppenmitfahrer beisammen sind. Die blaue Gruppe führt Günter an. Das absolute Schlusslicht ist unser Service Bus mit dem Gepäck und dem Ersatzmotorrad für alle Fälle. Fotos werden auch gemacht und uns per Internet oder auf CD zugeschickt. Es ist wirklich an alles gedacht worden. Dann erklärt uns Günter die Verkehrsregeln in den USA. Hier stehen z. B. die Ampeln immer hinter den Kreuzungen, es gibt Stoppstraßen, an denen an allen einmündenden Straßen angehalten werden muss. Hier darf zuerst fahren, wer die Kreuzung als erster erreicht. Das ist für mich eine undurchsichtige Bestimmung. In Deutschland würden die Autos auf der Kreuzung stehen und die Fahrer würden sich streiten. Hier soll das aber gut klappen. Rechts darf man nach einem kurzen Stopp immer (ohne grünen Pfeil) abbiegen, wenn die Kreuzung frei ist. Es gibt tote Spuren, die nur zum Abbiegen benutzt werden dürfen. Auf einer sehr breiten Autobahn dürfen auf der ganz linken Spur nur Autos fahren, in denen mehr als zwei Person sitzen (aber auch Motorräder!). Das ist natürlich gut für uns. Auf diese Weise will man Fahrgemeinschaften fördern. Darum ist diese Spur oftmals frei, während die anderen verstopft sind. An Straßen, wo der Bürgersteig rot markiert ist, darf absolut nicht gehalten und dementsprechend nicht geparkt werden.

Wir fahren versetzt, jeder hält seine Position. Der Leiter der Gruppe fährt immer links, der nächste rechts und der Rest positioniert sich dann. Die blaue Gruppe startet etwa fünfzehn Minuten nach der roten Gruppe, damit wir mit unserem langen Konvoi nicht die Straßen verstopfen.

Dann geht es noch um die Versicherung der Motorräder, falls man einen Schaden daran verursacht oder sie gar gestohlen werden. Wir haben mehrere Möglichkeiten:
1. Schließt man keine Haftpflichtversicherung ab, kostet es im Moment zwar nichts, kann aber schlimmstenfalls über 20.000 Dollar kosten, wenn man das ganze Motorrad ersetzen muss. Ein teurer Spaß!
2. Oder man wählt die preiswertere Variante: Man zahlt pro Tag (12 Tage haben wir die Maschinen) 18 Dollar = 216 Dollar bei Hinterlegung einer Kaution von 500 Dollar und einer Selbstbeteiligung von 2000 Dollar.
3. Wählt man die dritte Möglichkeit, zahlt man 24 Dollar je Tag, was für 12 Tage = 288 Dollar ausmacht. Hier hinterlegt man nur 300 Dollar Kaution und hat eine Selbstbeteiligung von 1000 Dollar.
Kleine Kratzer muss man in jedem Fall immer selbst bezahlen. Es kann also sehr teuer werden. Wir haben uns für Variante 2 entschieden, in der Hoffnung, dass nichts passiert und wenn doch, dass wir die 2000 Dollar dann irgendwie aufbringen müssen.

Als nächstes wird beschlossen, dass jeder für sein Motorrad 150 Dollar fürs Tanken einzahlt, das ist ungefähr die Summe, die wir dafür einkalkulieren müssen. Auf diese Weise geht das Tanken schneller, weil nicht jeder einzeln abgerechnet werden muss. Man hat vielleicht nicht das passende Geld oder die passende Kreditkarte. Jetzt zahlen unsere Scouts am Ende immer alles zusammen. Das hat auch noch den Vorteil, dass alle immer gleichzeitig den Tank voll haben und keiner ohne Benzin liegen bleibt. Am Ende wird dann mit uns abgerechnet. Da ist eine tolle Lösung für uns, denn wir brauchen uns um nichts mehr zu kümmern und gewinnen dadurch mehr Freizeit für unsere Pausen. Das macht natürlich für unsere Reiseleitung sehr viel Mehrarbeit, die sie offensichtlich gerne in Kauf nehmen. Allerdings haben wir nun natürlich zu wenig Bargeld umgetauscht, denn wir wollten ja eigentlich das Benzin mit unserer Kreditkarte bezahlen. Wir werden also bei nächster Gelegenheit Geld aus dem Automaten ziehen müssen. Aber das ist nun wirklich das kleinere Übel.

Für die morgige Motorradübernahme werden noch vier Bögen ausgefüllt und unterschrieben, wegen der Versicherung und der Haftung. Ich als Sozia muss unterschreiben, dass ich Reimar im Falle eines Schadens nicht haftbar machen werde. Das kann ich ruhig tun, denn er muss sowieso für mich aufkommen.

Zum Schluss bekommt noch jeder als Überraschung ein schwarzes T-Shirt von Eaglerider. Günter spendiert noch einmal Gutscheine für das morgige Frühstück und gibt uns einige Tipps, wie wir den heutigen Tag in San Diego am besten verbringen können, um möglichst viel zu sehen. Unsere Scouts spendieren uns noch einen Sammelfahrschein für die Gruppe, der es uns ermöglicht, mit dem Hotel-Trolley und dem City-Trolley den ganzen Tag durch San Diego zu fahren, immer wieder ein- und auszusteigen und auf diese Weise die wichtigsten Sehenswürdigkeiten kennen zu lernen. Günter erklärt uns die acht Haltepunkte der Trolleys. Das ist wirklich sehr fürsorglich, und wir fühlen uns richtig geborgen in dieser fremden Stadt.

Das waren eine Menge Informationen nach dem anstrengenden gestrigen Tag und dem wenigen Schlaf. Mir schwirrt der Kopf, und ich bin ganz fertig, obwohl ich sagen muss, dass an alles gedacht und uns soviel wie möglich abgenommen wurde. Alleine hätte ich das nicht organisieren wollen, schon weil man nicht alles versteht, bzw. auch nicht immer verstanden wird und sich ja auch nicht gut auskennt.. Das war einfach toll!

Trotzdem bin ich froh, als um 12.00 Uhr endlich alles besprochen ist und wir entlassen werden. Heute ist unser freier Tag zum Relaxen und Eingewöhnen, und der ist ja nun fast zur Hälfte um, obwohl wir so früh aufgestanden sind.

Die Trolleys sind Busse, die wie alte Bahnen aussehen. Sie fahren jede halbe Stunde. Der nächste kommt um 12.25 Uhr, einige aus unserer Gruppe fahren schon mit diesem in die Stadt, aber das ist uns zu knapp, wir wollen nicht hetzen. Darum nehmen wir den Bus um 12.55 Uhr zusammen mit einigen anderen Gruppenmitgliedern. Die Trolleys haben zwar ein Dach, aber sie sind hinten offen, die Seitenplane sind aufgerollt. Der vordere Teil hat zwar Scheiben, aber da es sehr warm ist, sind alle Fenster heruntergekurbelt, es zieht wie Hechtsuppe. Für mich ist das ein Seiltanz, und ich habe Angst, wieder eine Erkältung zu bekommen. Ich will das nicht, - aber was soll ich nur tun? Ich möchte diese Reise doch bei guter Gesundheit genießen. Ich war ja früher überhaupt nicht empfindlich und habe bisher nie hysterisch reagiert, aber was nützt es, wenn ich hinterher für die Gruppe vielleicht zur Last werde? Mit Fieber möchte ich nicht Motorrad fahren, und auf den Husten bin ich auch nicht scharf. Niemand versteht mich!
Als wir nach eigentlich nur wenigen Fahrminuten am Haltepunkt 1 in Old Town Market, dem liebevoll restaurierten, alten Ortskern, aus dem Hoteltrolley aussteigen können, bin ich richtig froh. Dieses Areal umfasst ca. einen Quadratkilometer und bietet neben zahllosen Restaurants, Geschäften und Souvenirläden einen sehr informativen Einblick in die Gründungszeit dieser Stadt. Hier gibt es viele authentisch wieder aufgebaute Gebäude und ein kleines Theater mit einer Bühne im Freien. Leider haben wir keine Zeit, denn wir müssen hier, am Ausgangspunkt der Trolley Tour, in den City Bus umsteigen. Sicher schaffen wir es heute nicht, alle Haltepunkte und Sehenswürdigkeiten zu sehen. So setzten wir Schwerpunkte und beschließen, am Haltepunkt 2, das ist der Harbor Drive - der Hafen für Passagierschiffe auszusteigen. Dort liegt der Nachbau eines alten, großen Segelschiffes mit vielen Masten, in dem ein Museum untergebracht ist. Um das teure Eintrittsgeld zu rechtfertigen, reicht unsere Zeit nicht aus, so müssen wir uns mit einigen Fotos begnügen. Ebenso geht es uns mit einem großen Flugzeugträger, auf dem einige Flugzeuge und ein Helikopter stehen. Wir laufen am Pier entlang, genießen das Flair des Yachthafens von Seaport Village und bewundern die interessanten4 Hochhäuser hinter der Hafenstraße in den verschiedensten Formen, sogar mit kleinen Erkern. Eigentlich mag ich keine Hochhäuser, aber diese hier gefallen mir schon, denn jedes sieht anders aus, nicht so kastenförmig und einfallslos wie bei uns. Diese Häuser stören das Stadtbild überhaupt nicht. Wir finden einen Harley Shop, in dem wir ausgiebig stöbern. Dort erstehen wir für Reimar eine typische Harleykappe in schwarz/orange für einen stolzen Preis von 13,95 Dollar, die er unter seinem Helm tragen möchte, damit sich nicht die Haare, die ihm ab und zu ausgehen in seinem Helm sammeln. Es ist ja auch besser die Kappe öfter zu waschen, als immer das Helmfutter zu reinigen, denn man schwitzt doch bestimmt auch ab und zu. Bisher benutzte er dazu eine alte Badekappe, was nicht so fesch aussieht. So hat er ein schönes Reiseandenken. Außerdem erstehen wir die ersten Ansichtskarten. Briefmarken müssen wir aus einem Automaten ziehen, was uns einige Schwierigkeiten macht. Man muss für eine Briefmarke vier mal 25 Cent senkrecht in vier Schlitze stecken, dann sucht man den Knopf zum reindrücken vergeblich, nein, man muss die ganze Taste mit dem Geld nach hinten schieben. Wir meistern das Problem zusammen mit Rosemarie und Reinhard. Dann kommen wir an einem Baseball Stadion vorbei und landen direkt in einer Hafenanlage, wo man nicht weiterkommt. Also müssen wir ein Stück zurück laufen und versuchen, zur Straße zu kommen. Das erweist sich als nicht so einfach, denn hohe Hotels direkt am Pier versperren uns den Durchgang. Wir fragen an einem großen Hotel, ob wir hindurchgehen dürfen. So kommen wir doch noch zur Straße und landen direkt an der Trolley Station Nr. 4. Hier müssen wir eine Weile warten und setzen uns auf eine Bank.

Als der Trolley endlich kommt, ist er überfüllt. Es folgt aber sogleich der nächste Wagen, der uns mitnimmt. Die Fahrer der Trolleys haben alle ihr Namensschild ausgehängt, sie stellen sich auch vor, und die meisten reden, ohne Luft zu holen und erklären wortreich und mit Begeisterung die Gegend. Wir verstehen nicht allzu viel, aber es muss lustig sein, denn die Fahrer lachen heftig über ihre eigenen Geschichten. Vorne auf der Ablage liegt ihre Mütze, in die wir unser Trinkgeld werfen sollen. Vor uns sehen wir die lange San Diego/Coronado Bay Bridge, über die wir fahren wollen, um zur Halbinsel Coronado zu kommen. Dort gibt es einen herrlichen Sandstrand am Pazifik, den ich schon vor vielen Jahren in einem Video Clip mit dem Trompeter Herb Alpert und seiner Tijuana Band im Fernsehen bewundert habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Strand einmal persönlich sehen werde. – Während wir die Brücke überfahren, haben wir einen schönen Blick zurück auf die Bucht, in der viele Segelboote unterwegs sind, denn es weht ein wunderbarer Wind. Vor uns sehen wir den tollen Strand und sehr schöne Villen in der Nähe der Straße. Um zum Haltepunkt 6 zu kommen, fahren wir aber wieder ein Stück weg vom Strand. Wir steigen aus, aber wo ist nun der schöne Strand? Reinhard und Rosemarie, die letzten aus unserer Gruppe, die bis hierher noch bei uns sind, wollen sich lieber die Stadt ansehen. Wir irren etwas umher und suchen den Weg. Plötzlich stehen Günter, Bernhard und Joel vor uns. Sie kommen gerade vom Essen und genießen den vorerst letzten freien Nachmittag. Sie sind schon mit ihren Harleys hier. Na, die wollen wir natürlich bewundern und den Sound hören. Also begleiten wir sie zu ihren Motorrädern. Joel hat uns den Weg zum Strand gezeigt, aber vorher wollen wir ihnen winken. Wir sind schon ganz aufgeregt, dass wir morgen auch so eine schöne Maschine bekommen. Danach finden wir unseren Weg zum Strand. Es ist schwierig, über große Steine zum Strand zu kommen, eine Treppe ist nicht vorhanden. Ich mag ja solche Wege überhaupt nicht, aber ich möchte doch zum Pazifik. Badezeug haben wir dabei. Reimar geht auch ins Wasser, ich habe keine Lust, mich aus- und anzuziehen und anschließend den Zuckersand nicht wieder aus meinen Sachen loszuwerden. Wir können ja sowieso nicht zusammen schwimmen gehen, einer muss immer auf unser Gepäck aufpassen. Also schicke ich Reimar schwimmen, während ich gerne zuschaue, obwohl ich bestimmt nie wieder die Chance haben werde, im Pazifik zu baden. Heute ist es wunderbar warm, die Wassertemperatur ist angenehm, und es macht sicher Spaß, sich in die Wellen zu werfen. Wir kommen im Laufe der Reise zwar noch einmal zum Pazifik bei San Francisco, aber dort soll es viel kälter sein. Da gehe ich dann mit Sicherheit nicht baden. Direkt am Strand von La Jolla steht das Del Coronado Hotel, das als Kulisse für den Film: „Manche mögen’s heiß!“ mit Marilyn Monroe diente. Das fotografiere ich inzwischen. Wir müssen auf dem Rückweg wieder über die großen Steine klettern. Uns kommen Männer mit einem großen Lautsprecher entgegen, den sie auch auf diesem mühseligen Weg zum Strand schleppen müssen. Es folgt auch noch eine Musikanlage, denn heute gibt es noch ein Strandfest. Der Tag ist fast vorüber, den schönen Zoo in San Diego mit seinen einmaligen Echsen und Pandagehegen können wir aus Zeitgründen nicht mehr besuchen. Dirk hatte ihn uns sehr empfohlen, er war vor einigen Jahren mit Reimars Brieffreundin Jeanne aus Escondido da. Wir laufen schnell zur Hauptstraße zurück, denn um 17.00 Uhr fährt der letzte Trolley zurück. Uns bleibt gerade noch Zeit, etwas trinken zu gehen. Direkt neben der Haltestelle ist ein Restaurant, dort sitzen bereits einige von unserer Gruppe im Garten und warten auch auf den letzten Bus. An der Haltestelle versammeln sich schon viele Fahrgäste, die es auf den letzten Bus abgesehen haben. Wir beeilen uns entsprechend und kommen auch mit dem Trolley mit, aber einige Leute müssen draußen bleiben. Der Fahrer ruft sofort nach einem zweiten Wagen, es wird niemand stehen gelassen. Er ist ein älterer Herr, der uns auch wieder sehr viel erzählt und sich dabei köstlich amüsiert. An der Haltestelle Nr. 1 in Old Town steigen wir aus. Bis der letzte Hotelshuttle um 18.00 Uhr kommt, haben wir noch etwas Zeit, die wir dazu nutzen, uns die Geschäfte in Old Town etwas näher anzuschauen. Die Fahrt zum Motel dauert nicht lange. Wir machen uns schnell frisch und gehen ins Restaurant vom Motel um Abendbrot zu essen. Elke und Peter kommen auch und setzen sich zu uns an den Tisch. Sie wohnen hier im Zimmer neben uns und kommen aus Mühlheim an der Ruhr. Elke hat noch einige Probleme mit ihrem Koffer. Sie weiß nicht, wie sie ihn am besten umpacken soll, damit sie unterwegs alles findet. Ich denke, sie hat das bald im Griff. - Wir essen Leber mit Zwiebeln und Kartoffelpüree. Es schmeckt uns hervorragend.

Nach dem Essen suchen wir unser Zimmer auf, Reimar geht schon um 22.00 Uhr ins Bett. Während ich noch an meinem Tagebuch schreibe, klingelt um 22.30 Uhr das Telefon. Die Rezeption teilt mir mit, dass wir ein Fax von unserer „Tochter“ Dirk bekommen haben. Ich laufe natürlich sofort los und hole es ab. Er hat so lieb geschrieben, ich bin ganz gerührt. Wir haben damit gar nicht gerechnet, nun weiß ich weshalb er unsere Hoteladressen haben wollte. Dann beende ich auch meinen Tag und gehe um 23.30 Uhr schlafen.

2. Übernachtung im Mission Valley-Resort – San Diego 

2. Tag Montag, - 27.09.2004 1. Fahrtag         Zum Anfang

Wir stehen um 6.30 Uhr auf, duschen und packen unseren restlichen Koffer um. Dann gehen wir um 7.00 Uhr zum Frühstücken. Diesmal sitzen wir mit Hella und Ronald am Tisch zusammen. Sie kommen aus Hameln an der Weser Ich fínde es gut, wenn man immer mal mit anderen Gruppenmitgliedern zusammensitzt. Man erfährt viel mehr und es bilden sich keine Cliquen.

Heute früh werden unsere Motorräder abgeholt. Die rote Gruppe startet um 7.45 Uhr, die blaue Gruppe um 8.00 Uhr zur Eaglerider Verleihstation in San Diego. Die Motorradstation wird von einem ziemlich schwarzhaarigen Mann zusammen mit seinem Sohn geleitet. Der Vater trägt einen Zopf und sieht aus wie ein Indianer. Er ist aber keiner, jedoch nennt man ihn so. Ihm ist ein Leguan zugelaufen, der inzwischen schon ½ Meter gewachsen ist. Er wird ja auch von ihnen gefüttert. Der Leguan heißt Harley und bewacht die Motorräder. Wenn er im Weg ist, ziehen sie ihn am Schwanz weg. Die Formalitäten sind dort schnell erledigt, weil gestern schon alle Formulare ausgefüllt worden sind. Die Fahrer werden eingewiesen und fahren hinter der Verleihstation auf einer ruhigen Straße ihre ersten Proberunden.

Ich schreibe inzwischen wieder an meinem Tagebuch. Dann gehe ich zum Parkplatz wo wir Frauen unsere Männer erwarten, um dieses Ereignis zu fotografieren.

Um 10.30 Uhr kommen sie mit unseren Maschinen angebraust. Wir haben eine beige/schwarze Electra Glide, passend zu unseren neuen Jacken. Sie ist sehr chic und noch ziemlich neu, hat erst 2.090 Meilen auf dem Tacho. Wir haben noch nicht einmal ein Nummernschild, das muss man wohl bei so neuen Fahrzeugen hier noch nicht haben. Reimar fährt sehr vorsichtig, er ist schweißgebadet, aber glücklich! Es sind wirklich alles tolle, fast neue Motorräder. Wir fahren mit sieben Electra Glide, fünf Road King, drei Heritage, drei Fat Boy und einer Dyna Wide.

Unser Gepäck wird im Van und in unserem Motorrad verladen, während wir auf die blaue Gruppe warten. Wir haben seitlich zwei Gepäckboxen und hinten ein großes Topcase. Da passt unser Tagesgepäck sehr gut hinein. So brauche ich bei der Hitze keinen Rucksack auf den Rücken zu nehmen, was sehr angenehm ist. Es werden viele Fotos gemacht. Wir nehmen Aufstellung für ein erstes Gruppenfoto, das Aufsitzen wird uns gezeigt, was bei uns durch meine hohe Rückenlehne etwas schwierig ist, dann starten wir in unseren ersten Fahrtag. Das Abenteuer beginnt!

Jetzt geht es gleich ins Getümmel. Wir verlassen San Diego über die belebte Interstate 8 Richtung Osten. Alle fahren sehr diszipliniert versetzt, jeder hält seinen Platz. Das ist sehr angenehm, man kann sich gut auf seine Mitfahrer einstellen. Alles ist neu, aber wunderschön. Wir fahren an siebenter Position nach unseren Guide, die wir die ganze Zeit über behalten werden. Ich sitze wunderbar bequem auf meinem komfortablen Sitz mit Armlehnen, wenn nur das Auf und absteigen nicht wäre. Das muss ich noch üben. - Auch der Rücken ist sehr gut abgestützt, wie zu Hause in meinem Sessel, aber mit Motorradfahren hat das für mich nichts mehr zu tun. Ich muss nichts mehr machen, lasse mich wie auf einem Thron umherkutschieren, fühle nicht die Bewegungen des Fahrers, wenn er sich in die Kurven legt. Für Amerika ist die Harley aber das richtige Motorrad, vor allem für sehr lange Strecken. Unsere Electra Glide ist auch wider Erwarten nicht sehr laut, sie hat einen schönen Sound. Ich habe extra Ohrstöpsel eingesteckt, aber die werde ich nicht brauchen. Lediglich die Fat Boy knattert ziemlich laut.

Unsere neuen Helme sind schön leicht, ich merke meinen kaum. Allerdings fangen meine Augen an zu tränen, die Sonnenbrille reicht nicht aus, den Fahrtwind abzuhalten, da fehlt mir doch das Visier. Die Lüftungen an unseren Jacken sind sehr praktisch, der Wind weht gut durch. Wir sind richtig angezogen.

Bei Descanso verlassen wir die Interstate und biegen nach links auf den Highway 79, der Richtung Norden führt, ab. Wir kommen in das deutlich höher gelegene Hinterland mit seinen ausgedehnten Pinienwäldern. Die Fahrt über den Sunrise Highway, einer idyllischen Landstraße, zeigt uns deutlich, welche Verwüstungen die letzt jährigen Waldbrände in dieser Region angerichtet haben. Es sieht wirklich schrecklich aus. Manche Ranch fiel den Flammen zum Opfer und ganze Ortschaften mussten evakuiert werden. Nur dem unermüdlichen Einsatz von Tausenden von „Fire Fightern“ ist es zu verdanken, dass Ausflugsorte wie Julian von der Vernichtung verschont wurden. Wir sehen Häuser, die ziemlich dicht bei den verkohlten Bäumen stehen. Was müssen die Bewohner für Angst ausgestanden haben? Feuer, Wasser und Sturm sind drei ziemlich unbezwingbare Elemente. Die Straßen werden von schwarzen, verkohlten Baumstämmen gesäumt, Das Blattwerk ist überwiegend braun, dennoch kämpfen mache Bäume ums Überleben und tragen sogar schon wieder etwas frisches Laub. Die Natur hat doch Kampfgeist und gibt nicht auf, wie ich! Das geht kilometerweit so!

Reimar fährt sich immer mehr ein, es ist auch für ihn ein ganz anderes Fahren als mit unserer kleinen BMW. Die sechs Zentner schwere Harley fordert ihm Respekt ab. Er fährt sehr aufmerksam, so lange wir rollen ist alles in Ordnung, aber sowie wir sehr langsam fahren müssen oder im Stand lässt sich die Maschine schwer händeln. Schieben kann man sie überhaupt nicht, man muss immer darauf sitzen und vorwärts rollern. Wir fahren durch recht karge, dann wieder durch bewaldete Gegenden. Es ist sehr warm, ich breite die Arme aus, um Luft an den Körper zu lassen. Sowie Bäume in der Nähe sind, ist es angenehm kühl, und die Luft ist wesentlich angenehmer.

                                 

Die Hügel werden höher, das Gebiet wird karger. Hier kann niemand leben. Tiefe braune Schluchten und zum Teil sehr steinige Hügel wechseln sich ab. Ich habe diese Landschaft schon aus dem Flugzeug gesehen, nur braunes Gestein, unvorstellbar. Die Straßen sind aber einwandfrei. Wir müssen viele Kurven bewältigen. Es macht Spaß, und Reimar kommt voll auf seine Kosten, wie in den Dolomiten. Allerdings ist das Kurvenfahren mit der Harley doch ganz anders als mit unserer BMW, es kommt mir aufrechter vor.

Wir machen unsere erste kurze Rast und steigen ab. Auf der rechten Seite liegt ganz unvermutet ein hübscher See im Tal, der natürlich gleich fotografiert wird. Unsere Raucher können inzwischen endlich ihrem Laster frönen. Joel fährt mit Sophia schnell zurück zur blauen Gruppe, damit diese auch mal gefilmt werden kann. Die blaue Gruppe ist kurz hinter uns und stößt zu uns, um auch ihre kurze Pause zu machen, während wir weiterfahren.

Jetzt kommen wir durch verschiedene Indianer Reservate: Viejas-, Capitan Grande-, Santa Ysabell-, Los Coyotes-, Cahuilla-, Santa Rosa- Indianer Reservate. Dort leben auch heute noch die Indianer, die dafür vom Staat finanziell gut unterstützt werden. Die Landschaft sieht aus, wie in den Filmen. Man wartet darauf, dass auf irgendeinem Hügel jeden Moment die Indianer in Kriegsbemalung auftauchen werden. Zum Glück sind sie nicht mehr auf dem Kriegspfad. Ihre Städte sehen fast genauso aus, wie die der restlichen Bevölkerung, nur etwas ärmlicher. Die Landschaft ist sehr karg, man fragt sich, wovon die Leute leben. Man sollte ihnen das Land wirklich lassen. Unterwegs sehen wir ein paar Pferde und auch einmal mehrere Kühe. Die Farmen stehen sehr vereinzelt. An der Straße finden wir öfter ganze Batterien von den typisch amerikanischen Briefkästen. Daraus schließen wir dass weiter weg von der Hauptstraße doch sehr viele Farmen liegen müssen, sehen können wir die Häuser aber nicht. Nur einmal sahen wir eine Ansammlung von Mobilheimen neben der sehr gut ausgebauten, aber wenig befahrenen Straße.

Ich fühle mich auf meinem Sozius sehr wohl, habe aber erhebliche Probleme mit meinen Augen, sie tränen ohne Unterlass, ich kann kaum noch gucken. Meine Sonnenbrille reicht als Windschutz nicht aus. Ich hätte wohl doch den Helm mit Visier kaufen sollen. Reimar tauscht mit mir die Brillen, aber er hat ja Sehstärken im Glas, hoffentlich kann er noch genug sehen. Etwas besser ist es für mich, aber für heute sind meine Augen zu sehr vorbelastet. Ich werde mir bei nächster Gelegenheit eine neue Sonnenbrille, die rundherum schön abgedichtet ist, kaufen.
Wir kommen nach Julian, Kaliforniens „Apfelhauptstadt“, eine typische Westernstadt mit alten Häusern. Das muss fotografiert werden. Die Gruppe hält an. Zum ersten mal reihen wir unsere Motorräder rückwärts (damit wir nachher besser wieder starten können) am Straßenrand zwischen parkenden Autos auf. Da die erste Lücke nicht ausreicht, fahren wir ein Stück weiter, während einige wenden und auf der gegenüberliegenden Seite parken. Dazu hat Reimar keine Lust. Es erscheint uns einfacher unsere Harley etwas weiter vorn an einer völlig freien Ecke zu abzustellen. Da steht nun unser Schmuckstück ganz alleine. Vorsichtshalber frage ich Bernhard, ob wir da gut stehen. Nein, da sind wir sichere Abschleppkandidaten, oder es ist mindestens eine Strafe von 20 Dollar fällig. Warum das? Der Bordstein hinter unserer Maschine ist rot angestrichen, das bedeutet: Hier ist absolutes Halteverbot! Na, das habe ich bei Günters Einweisung nicht gehört, angeblich hat er es aber gesagt. Es waren ja auch so viele Informationen, da kann mal etwas untergehen. So muss Reimar doch wenden. Auf der anderen Seite ist ein Parkplatz, den wir benutzen. Allerdings stehen wir nun vorwärts, aber es wird schon klappen, wieder loszufahren.

Gegenüber, in einem kleinen Restaurant, treffen wir auf Joel, der Eierkuchen gefüllt mir Käse und Gemüse isst. Das ist seine „Vorspeise“ zum baldigen Mittagessen. Wir setzen uns zu ihm an den Tisch. Seine Braut Sophia kommt hinzu und hilft ihm, die Portion zu verspeisen. Die anderen Teilnehmer unserer Gruppe schauen sich wohl die Stadt an, ich sehe sie nicht. Doch pünktlich um 12.00 Uhr fahren wir weiter, alle sind wieder zur Stelle. Wir kommen von unserem Parkplatz gut weg. Eine Ecke weiter sitzt die blaue Gruppe in einem anderen Restaurant, wir sehen ihre Motorräder ordentlich aufgereiht davor stehen.

Wir fahren jetzt ganz schön bergauf und bergab und sind inzwischen 1000 m über dem Meeresspiegel. Es ist sehr heiß, Petra fährt schon ohne Jacke, hoffentlich bekommt sie keinen Sonnenbrand. Bernhard sagte, dass wir in zwanzig Minuten die nächste Rast machen, es sind aber schon vierzig Minuten, die wir unterwegs sind. Es ist gefährlich, unbedeckt zu fahren, denn die Sonne brennt sehr stark, und durch den Fahrtwind merkt man zu spät, dass man einen Sonnenbrand bekommt. Auch andere Teilnehmer fahren inzwischen ziemlich leicht bekleidet. Sie sehen schon ziemlich rot aus, die Sonnencreme liegt wahrscheinlich im Koffer.

Den Höhenrücken der Palomar Berge folgend, fahren wir gelassen unserer Mittagspause entgegen. Wir kehren in einem typischen Roadhouse, dem „Stagecoach Inn“ ein, wo wir auf der Veranda im Schatten von Sonnenschirmen sitzen. Das urige Rasthaus ist eine dieser Oasen, die den Reisenden mit kalten Getränken und hausgemachten Burgern versorgt, wie man sie in USA an mancher Landstraße entdeckt, sofern man sich abseits der großen Touristenrouten dieses Land erschließt. Wir bestellen uns Fish and Chips. Nach kurzer Zeit stößt die blaue Gruppe zu uns und hat natürlich Schwierigkeiten, noch ein schattiges Plätzchen zu ergattern.

Gut gestärkt setzen wir unsere Fahrt durch den San Bernardino Forrest fort, passieren die erste Baustelle, lassen am Spätnachmittag die Berge hinter uns und erfreuen uns an dem grandiosen Ausblick auf das Coachella Valley. Hier herrscht schon etwas mehr Autoverkehr. Vor uns fährt die ganze Zeit ein grünes Cabriolet, und als wir auf einem Plateau anhalten, um die schöne Aussicht auf die kurvige Straße, die wir gleich benutzen werden, zu genießen, stößt der Fahrer des Cabrios zu uns. Er fährt schon seit einer Stunde vor uns her und dachte, wir sind Amerikaner. Unsere Deutsche Fahne an Bernhards Motorrad hat er wohl übersehen. Jetzt ist er ganz verwundert, seine Muttersprache zu hören. Er kommt aus Bonn und ist nur für fünf Tage in den USA, was doch etwas zu wenig Zeit für dieses weite Land ist. Ich fotografiere Petra und Elke, weil sie sich so malerisch an zwei Felsbrocken dicht am Abhang lehnen. Linker Hand sehen wir die Wüstenstadt Palm Desert. So eine große Stadt haben wir hier in dieser Wildnis gar nicht erwartet. Dahinter liegt die Wüstenmetropole Palm Springs, unser heutiges Tagesziel, das wir über die zahllosen Serpentinen, die wir schon von oben gesehen haben, erreichen. Die Stadt hat 40.000 Einwohner, bekommt ihr Wasser aus dem Colorado und ist daher sehr schön grün mit vielen Rasenflächen. In dieser Stadt herrscht dichter Verkehr, viele Ampeln sind zu überfahren. Die Straßen werden von hohen Palmen umsäumt, schöne Häuser stehen in gepflegten Gärten. Alles sieht sehr sauber aus, es gibt kaum Hunde. Hier wohnen wohl die reichen Amerikaner. Es ist eine sehr schöne Stadt, aber rundherum ist Wüste. Man fährt stundenlang, ehe man zur nächsten Ansiedlung kommt. Um 6.30 Uhr p.m. erreichen wir unser Quality Inn Motel. Es liegt, wie alle Motels, ziemlich dicht an der Straße, aber unsere Zimmer gehen nach hinten hinaus, so können wir heute gut schlafen. Die Räume sehen fast genauso aus, wie im gestrigen Motel, allerdings sind sie etwas größer, da haben wir für unseren aufgeklappten Koffer mehr Platz. Die Kaffeemaschine steht hier im Bad, die Toilette und die Duschbadewanne sind separat. Nachdem das Gepäck schnell ausgeladen ist, treffen sich die meisten aus unserer Gruppe im schönen Swimmingpool. Darauf haben wir den ganzen Tag gewartet. Das Wasser ist angenehm warm, wir haben es sicher mit unseren erhitzten Körpern noch zusätzlich aufgeheizt. Es wird viel kommuniziert, der erste Fahrtag wird noch einmal aufgearbeitet. Langsam lernen wir uns besser kennen. Es ist eine sehr homogene Gruppe, die sich fast ausschließlich aus älteren, gestandenen Leuten zusammensetzt, die sich nichts mehr beweisen müssen. Wir haben alle das gleiche Ziel: Wir wollen eine tolle Zeit zusammen haben und auf unseren Harleys Amerika erfahren. Niemand verbreitet schlechte Stimmung, jeder kommt mit jedem gut aus. Beim Essen sitzen wir stets so zusammen wie es sich gerade ergibt. Niemand bleibt alleine, die Tische werden bis zum letzten Platz aufgefüllt. Auf diese Weise haben wir immer interessanten Gesprächsstoff. Unsere Zimmernachbarn sind heute Ingrid und Roland aus Markkleeberg, denen ich gerne mit meinem Fön aushelfe, der hier im Bad leider fehlt. Die beiden sind sehr nett und genauso unkompliziert, wie die anderen Tourteilnehmer. Sie fahren zu Hause auch eine Electra Glide. Unsere beiden Maschinen sehen wie Zwillinge aus, sie haben die gleiche Farbe. Unsere Motorräder stehen direkt vor unseren Zimmern im Parterre und sind mit einem großen Schloss zusammen gesichert. Außerdem hat jede Harley ein Schloss für die Bremsscheibe. Das ist erforderlich, denn jährlich werden der Firma Eaglerider leider etwa zwanzig Motorräder gestohlen.

Nach dem ausgiebigen Bad treffen wir uns alle im Restaurant. Wir setzen uns zu Ingrid und Roland an den Tisch. Ich habe einen riesigen Durst und trinke Unmengen an Apfelschorle. Den anderen geht es wohl genauso, nach der zweiten Flasche Budweiser ist diese Sorte Bier ausverkauft, also weichen wir auf Heineken Bier aus. Es ist ein synthetisches Bier aus Holland, was wir nicht so gerne trinken. Doch auch diese Sorte ist nach der zweiten Flasche nicht mehr zu bekommen. Wir hoffen auf das Bier aus unserem Begleitfahrzeug, aber auch das ist für unseren Durst zu wenig. Unsere Scouts müssen abends noch Nachschub kaufen. Wir sind alle total ausgetrocknet von der Hitze. Morgen soll es noch heißer werden. – Aus diesem Grunde wollen wir sehr früh losfahren. Bevor ich um 12.00 Uhr p.m. endlich schlafen gehe, muss ich erst noch mein Tagebuch schreiben, denn man erlebt einfach zuviel, das immer gleich aufgeschrieben werden muss.

3. Übernachtung im Quality Inn - PalmSprings - Fahrstrecke: ca. 265 Kilometer

3. Tag Dienstag – 28.09.2004 2. Fahrtag       Zum Anfang

Wie jeden Tag klingelt auch heute um 6.00 Uhr der Wecker. Das Aufstehen fällt mir wider Erwarten nicht allzu schwer, obwohl ich eigentlich ein Langschläfer bin. Reimar genießt beim Rasieren seinen Kaffee. Um 7.15 Uhr ist heute „Briefing“, unsere tägliche morgendliche Besprechung. Günter erklärt uns unsere Reiseroute, aktuelle Sehenswürdigkeiten auf der Strecke und verteilt die Karte für die Tagestour. Nachdem das Gepäck wieder verstaut ist, starten wir ganz pünktlich um 8.00 Uhr unseren zweiten Fahrtag auf der Road 62 Richtung Osten nach Yucca Valley, Joshua Tree National Forrest und Twentynine Palms.

Ich hatte beim Aufsteigen etwas Pech. Mit meinem Stiefel streifte ich nur ganz sachte die Lehne meine Sitzes, da entdecke ich, dass die weiße Füllung zu sehen ist, ich habe also das Leder entzwei gemacht. Es scheint wirklich sehr dünn zu sein, ein Sitz sollte doch etwas strapazierfähiger sein. Nun werden wohl schon die ersten Kosten auf uns zukommen. Hoffentlich muss nicht der ganze Sitz neu bezogen werden! Ich melde den Schaden gleich bei Günter, der mich beruhigt, dass das nicht so schlimm sein wird. Klaus kommt mit schwarzem Isolierband und verklebt das kleine Loch provisorisch, damit es nicht noch größer wird.

Nachdem wir Palm Springs verlassen haben, ist die Gegend gleich wieder sehr karg und trocken. Man merkt schon die nahe Mojawe Wüste, die wir heute durchqueren wollen. Es ist schon morgens ca. 20o C warm, auch der Fahrtwind bringt kaum Kühlung, der Himmel ist wolkenlos. Gut, dass wir so früh aufgebrochen sind, denn heute wird es noch tierisch heiß,
fast 40o C. Wir durchfahren weites, offenes Land. Unsere Road verläuft schnurgerade bis zum Gebirge am Horizont. Die graubraune Wand scheint uns an der Weiterfahrt hindern zu wollen. Auf einer Brücke überqueren wir die Eisenbahn und die Interstate 10. Plötzlich wird es in dem breiten Tal direkt vor der Gebirgskette so stark windig, dass wir kaum atmen können und fast vom Motorrad geweht werden. Diese tolle Thermik wird hier aber gut ausgenutzt, denn unheimlich viele Windräder drehen sich rechts und links der Straße. Es ist das größte Windkraftwerk Südkaliforniens. Natürlich wird angehalten, um einige Fotos von dieser Anlage zu machen.

Da es in den meisten Motels nichts zu Essen gibt, wollen wir heute in einer Harley Station mit angeschlossenem Restaurant frühstücken. In dem Geschäft kaufe ich mit sofort eine neue Sonnenbrille, denn meine Augen tränen schon wieder so stark, dass ich kaum noch gucken kann. Hella und Aline haben dass gleiche Problem. Die Soziusfahrer sitzen höher als die Biker und bekommen dadurch viel mehr Fahrtwind ab. Es gibt sehr schöne Modelle, die rundum sehr gut abgedichtet sind, aber die kosten auch ziemlich viel. Das geht von Luxusausführungen für 180 Dollar, über 50 Dollar, für die sich Hella entscheidet bis zur billigsten für 31,90 Dollar. Da Hellas Brille weder ein Etui noch Wechselgläser hat, entscheiden Aline und ich uns für dass billigste Modell. Dazu gibt es ein sehr schönes festes Etui mit einer Öse zum Anhängen. Im Deckel befindet sich eine Tasche, in der die zwei weißen Wechselgläser und ein Putztuch gut aufgehoben sind. Diese Brille kann ich also auch bei schlechtem Wetter und in der Dunkelheit benutzen. Ich hoffe, meinen Augen geht es dadurch nun endlich besser.

Der Einkaufsbummel war ja erfolgreich, aber leider hat das Restaurant geschlossen, hier bekommen wir kein Frühstück! Langsam knurrt uns der Magen. Zwei Ampeln weiter kommen wir zu einer Imbissstation ,Jahn’s Place
Das Personal ist von unserem Ansturm etwas überfordert, sie verstehen unser lupenreines Englisch auch nicht so gut. Da Günter uns vorgewarnt hat, dass wir heute an keiner weiteren Station vorbeikommen, wo wir etwas kaufen können, esse ich gleich richtig Mittag, einen Hamburger spezial mit Pommes frites und Cola, Reimar isst einen Toast. Obwohl ich zu Hause gerne ab und zu bei Burger King esse, weiß ich nicht, wie lange ich das original amerikanische Essen aushalte, es ist mir zu fettig, außerdem vermisse ich etwas Obst. Das werde ich mir bei nächster Gelegenheit in einem Generalstore kaufen. Der Gang zur Toilette in diesem Imbiss gestaltet sich etwas schwierig, denn dort brennt kein Licht, ein Fenster ist auch nicht vorhanden, daher muss man die Tür offen lassen, damit man überhaupt das WC findet.

Wir fahren weiter durch ein ziemlich weites, dürres Tal, das von einer Gebirgskette umrahmt wird, die mal mehr, mal weniger hoch ist. Bei Twentynine Palms verlassen wir die Route 62, fahren zuerst parallel auf einer Nebenstraße, bis wir etwas später an einer Gabelung links abbiegen und ein gutes Stück nördlich Richtung Amboy, einer 30 Seelen Gemeinde am Schienenstrang zwischen Barstow und Needles, fahren. Bevor wir in die Mojave Wüste kommen, stoppen wir noch einmal für ein kurzes Verschnaufen und um die Bekleidung zu ordnen. Alle Körperteile sollten trotz der Hitze bedeckt sein. Einmal haben wir die Berge dichter, wahrscheinlich fahren wir so ins nächste Tal. Alles sieht gleich trocken aus. Zum Glück weht uns kein Sand ins Gesicht, denn es handelt sich um eine Steinwüste. Rechts und links der Straße können wir einen total ausgetrockneten Salzsee erkennen, durch den die Straße führt. Bei Amboy wollen wir den Schienenstrang überqueren und müssen an der Schranke anhalten, da die Bahn gerade rangiert. Sie fährt gerade auf unsere Kreuzung, der Lokomotivführer winkt uns zu und setzt zurück, kommt noch einmal vorgefahren, setzt erneut zurück. Ist das nur für die Touristen? Nein, er wollte uns nicht so lange warten lassen, denn die Züge hier sind immer sehr lang, das dauert! Das geht auch gut, denn die Schranken und Weichen werden hier noch von Hand bedient. Die Amerikaner sind doch sehr nette und rücksichtsvolle Menschen. Gleich hinter der Schranke biegen wir rechts ab und erreichen endlich die Mother Road Amerikas, die legendäre Route 66. That’s my Life! Nach kurzer Fahrt halten wir an einer der seltenen Stationen an dieser Straße, um noch etwas zu trinken. Tanken wollen wir an dieser Station aber nicht. Günter erklärt uns inzwischen, dass wir soeben eine sehr wichtige Bahnlinie dieser Gegend überquert haben, die aus Kostengründen einspurig ist und nur ab und zu eine Ausweiche hat, wo rangiert wird. Hier werden viele Waggons aneinander gekoppelt. Das dauert natürlich sehr lange, deshalb war es besonders nett von dem Rangierer, uns noch schnell durchzulassen. Günter erklärt uns auch die höheren ganz schwarzen Hügel, die wir hier sehen können. Das sind kleine Vulkane, die ab und zu noch tätig sind und qualmen, daher sind sie so schwarz. Die Erdkruste ist so dünn, dass sie hin und wieder wie ein Pickel aufbricht, und dann entstehen diese „Vulkane“. Nach der Stärkung fahren wir auf der Route 66 Richtung Osten. Die Straße verläuft sehr gerade, man sieht ewig weit, wo man hinfährt. Eigentlich ist es ein weites Tal, umrahmt von einer Gebirgskette, rechts und links sind Sand- und Steinhügelchen mit trockenen Grasbüscheln. Linker Hand verläuft direkt neben der Straße eine niedrige Bodenwelle, die sich weit hinzieht, Hier haben sich viele Menschen verewigt, indem sie mit kleinen Steinchen ihre Namen gelegt haben. Etwas entfernt neben der Route 66 führt die Eisenbahnlinie entlang. Auf der mittlerweile unwichtig gewordenen Straße ist kaum Verkehr, weil fast parallel zur Mother Road die neue Interstate Nr. 40 verläuft. Dennoch ist der berühmte Highway mehr als nur eine einfache Straße. In den vergangenen fast achtzig Jahren bildete sich um ihn ein einzigartiger Mythos. Die Route 66 wurde dem Verkehr am 11. November 1926 übergeben und war eine staubige Schotterstraße, die erste ununterbrochene Verbindung zwischen Chicago und Los Angeles. Sie beginnt am Jackson Boulevard in Chicago, ist 2448 Meilen lang, verläuft durch die acht US – Bundesstaaten: Illinois Missouri, Kansas, Oklahoma, Texas, New Mexico, Arizona und Kalifornien und endet am Pier von Santa Monica bei Los Angeles.

Im Bewusstsein vieler Amerikaner ist sie die „Main Street of America“. Den Namen „Mother Road“ bekam sie von John Steinbeck, der ihr 1939 mit seinem Roman „Früchte des Zorns“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Dieser mehrfach prämierte Roman wurde auch verfilmt, Henry Fonda spielte die Hauptrolle. John Steinbeck beschreibt in seinem Bestseller den Exodus einer verarmten Familie aus Oklahoma. Während der Depression war die „Glory Road“ für viele Farmer die letzte Hoffnung gewesen, - die Straße in eine bessere und gerechtere Welt. Den Musiker Robert William Troup Junior, besser bekannt als Bobby Troup inspirierte die Reise auf dieser Straße der Sehnsucht zu dem Song mit der berühmten Refrain-Zeile: “Get your Kicks on Route 66“.Der Song ist inzwischen ebenso ein Klassiker wie die darin besungene Straße und wurde von über neunzig berühmten Sängern wie den Andrews-Sisters, Nat King Cole, Paul Anka, Tom Pett, The Heartbreakers, Chuck Berry und den Rolling Stones in ihr Repertoire aufgenommen. Der Song wurde zur Hymne aller Route-66-Fans.

If you ever plan to motor west
Travel my way, take the highway that’s the best.
Get your kicks on Route Sixty-Six!
&
It winds from Chicago to L. A.,
More than 2000 Miles all the way.
Get your kicks on Route Sixty-Six!
&
Now you go thru Saint Looey and Joplin,
Missouri and Oklahoma City is mighty pretty.
You ‘ll see Amarillo,Gallup, New Mexico;
Flagstaff, Arizona; don’t forget Winona,
Kingman, Barstow,San Bernardino.
Won’t you get hip to this timely tip:
When you make that California trip.
Get your kicks on Route Sixty-Six!


Den vermeintlichen Todesstoß versetzte Ronald Reagan dieser berühmtesten Straße der Welt, als unter seiner Regierung 1985 das letzte Stück einer durchgehenden Interstate-Verbindung fertiggestellt wurde. Damit verlor die Route ihren Highway- Status und für lange Zeit an Bedeutung. Von Illinois bis Kalifornien verschwanden die Straßenschilder mit der legendären 66, sie wurde zur Nebenstrecke und hat lange Jahre an Bedeutung verloren. Die Mother- Road wurde zerstückelt, umbenannt, zur Zulieferstraße der Interstate degradiert, vergessen. Doch dann tat sich Erstaunliches. Es gründeten sich Route-66-Vereinigungen, die Fan-Zeitschriften herausgaben, Teilstücke der vergessenen Straße pflegten und damit ein Mythos am Leben erhielten. Die Anstrengungen zeigten Wirkung: Zwar wurde die „66“ nie wieder zum durchgehenden Highway von Chicago nach Los Angeles aber sie wurde ein beliebtes nostalgisches Reiseziel und zum neuen Kult für Touristen aus aller Welt. Viele Restaurants, Truck-Stops und Motels, an denen schon die Route-Reisenden der 30er Jahre vorbeigekommen sind, existieren noch heute und werden in zweiter oder dritter Tradition als Familienbetrieb geführt. Andere Etappenziele, die sich früher vor Kunden nicht retten konnten, sind verlassen und warten seit Jahrzehnten erfolglos auf neue Besitzer. Route 66 - das bedeutet grenzenlose Langeweile, wenn man nur von A nach B will und grenzenloses Vergnügen, wenn man Freude am Fahren hat und genug Zeit, um Amerika abseits der großen Touristenstraßen kennen zu lernen.

Wir biegen links ab und kreuzen die Interstate, ich bin schon in Sorge, dass wir unsere Route 66 schon wieder verlassen. Aber nein, es geht weiter. Die Eisenbahnlinie geht jetzt direkt neben der Straße entlang. Wir sehen nur wenige Häuser in der Nähe der Route. Sie sind aus Holz, stark verwittert und wirken eher wie einfache Lauben und nicht wie Wohnhäuser. Zum Teil sind sie verfallen, alles ist grau und wirkt schmutzig und unordentlich. Gardinen sieht man überhaupt nicht. Die Amerikaner legen nicht soviel Wert auf ihre Wohnungen. Wenn sie umziehen, und das tun sie häufiger, nehmen sie oft nur ihre persönlichen Sachen mit und übernehmen die neue Wohnung mit Mobiliar. Einige Mobilheime gibt es auch. Die Häuser werden im Falle eines Umzuges auch oft auf einem Tieflader transportiert. Das spart alles viel Packerei und ist weniger belastend. Aus diesem Grund sind die Amerikaner aber auch viel flexibler als wir Deutschen. Hier fällt ein Wechsel des Arbeitsplatzes wesentlich leichter. Um 13.45 Uhr machen wir eine kurze Trink- und Tankpause. Das Benzin ist hier allerdings sehr teuer, darum tankt jeder nur drei Liter.

Während wir weiterfahren, ändert sich die Landschaft etwas, es wird flacher und grüner. Nur einige dicke Geröllberge stehen trotzig an der rechten Seite. Wir fahren jetzt durch das Fenner Valley und kreuzen die Bahnstrecke, die nun linker Hand ganz dicht neben der Straße verläuft. Die Berge verschwinden zeitweise sogar ganz, um alsbald wieder aufzutauchen. Wir kommen an einem alten verlassenen Generalstore vorbei, der wirklich aussieht, wie wir ihn aus den Western kennen. Die Route hat hier lange Bodenwellen, es fährt sich toll, als wenn man jeden Moment abhebt. Nur Fliegen ist schöner! Fast wie bestellt, kommt uns doch tatsächlich ein unheimlich langer Eisenbahnzug entgegen mit ca. 80 Waggons, ich habe versucht, sie zu zählen. Es ist super, unsere Traumstraße zu befahren. Urs hat uns eine CD geborgt, wir hören gerade “Hey, Mr. Tamburinman“, singen laut mit und genießen. Auf dem Asphalt ist ab und zu das berühmte Zeichen der Route 66 in weiß aufgemalt. Ich versuche schon eine ganze Weile dieses Zeichen zu fotografieren, aber ehe meine Digitalkamera bereit ist, sind wir schon immer vorbei. Bei Fenner kreuzen wir die Interstate40 und biegen bei Arrowhead Junction nach links auf den Highway 95 Richtung Norden ab. An der Grenze von Kalifornien nach Nevada verlassen wir diese Straße wieder, um diesmal nach rechts Richtung Osten die Road 163 zu befahren. Wir erreichen den Colorado River über Bullhead City, welches schon in Arizona liegt, fahren ein Stück den Fluss entlang, um über einen Berg kommend im Tal vor uns liegend, unser heutiges Etappenziel Laughlin in Nevada zu erreichen. Hier in dem „kleinen Las Vegas“ sollen wir die ersten Spieltische der großen Casino Hotels erleben. Es sieht toll aus, die vielen wunderschön erleuchteten Hochhäuser der Spielerstadt. Eines sieht aus, wie ein Mississippidampfer, es ist schon beeindruckend. Der Colorado ist hier die Grenze zwischen Arizona und Nevada. Der Millionär, Mr. Laughlin, hatte erkannt, dass dieses Tal strategisch sehr günstig liegt, um an dieser Stelle eine Stadt mit vielen Hotelcasinos erbauen zu lassen. Spielen ist in Amerika nur in Nevada erlaubt, und alle, die durch dieses Tal von Arizona nach Nevada oder umgekehrt reisten, kamen hier vorbei und konnten mit ihrem Geld die „einarmigen Banditen“ füttern, was sie bis heute reichlich tun. Sein Konzept ist also aufgegangen. Die Stadt erhielt seinen Namen. Unser Hotel, Edgewater, liegt direkt am Colorado neben dem „Mississippi- Dampfer- Hotel“. Jedes Hotel hat einen eigenen Strand am Fluss. Wir fahren eine „Ehrenrunde“ vor dem Hoteleingang, das macht natürlich Eindruck! Sofort kommt ein Bediensteter und räumt vor dem Hotel ein paar Holzböcke zur Seite. Hier können wir unsere Harleys gut sichtbar aufstellen. Unsere Koffer und Reisetaschen werden mit mehreren Gepäckwagen ins Hotel gebracht. Ein Hotelangestellter bringt uns zwei Paletten mit eiskaltem Wasser, das uns kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Eine sehr nette Geste, er hat erkannt, dass wir aus der Wüste kommen und sicherlich Durst haben. Das Edgewater ist ein Hochhaus mit 26 Etagen und 1800 Zimmern, hier müssen wir zum ersten Mal alleine einchecken, was ewig dauert. Dann holen wir unser Gepäck aus dem Aufbewahrungsraum gegen einen Dollar Trinkgeld und suchen unsere Zimmer auf. Wir schlafen heute in der 22. Etage, - so hoch habe ich noch nie in meinem Leben gewohnt, denn ich meide normalerweise Hochhäuser. Das Zimmer ist sehr groß und hat die übliche Ausstattung. Die Dusche hat mal keinen Vorhang, sondern eine Abtrennung aus Glas. Die Fenster sind nicht zu öffnen, es gibt wie überall Klimaanlagen, die natürlich immer viel zu kalt eingestellt sind. Draußen erschlägt einen dann die Hitze. Wir haben eine wunderbare Aussicht auf den Colorado und hinüber zur anderen Flussseite, die schon in Arizona liegt, wo Spielen nicht erlaubt ist. Auf dem Fluss fahren Boottaxis, welche die Spielwilligen von Casino zu Casino bringen und auch von der anderen Seite in Arizona abholen. Nach den Tagen der Einsamkeit ist so ein großes Hotel schon fast ein Schock, man kann sich darin wirklich verlaufen. Überall stehen die Spielautomaten, das ist mir unsympathisch. Man will nur unser „Bestes“. Hier sitzen überwiegend alte Leute und verspielen ihre Rente, - die Geldtransporter, haben wir gesehen. Dabei gewinnen doch nur die Casinos. Die vielen Leuchtreklamen sollen die Kunden anlocken. Nie im Leben würde ich freiwillig in so einem Hotel absteigen, es ist mir viel zu hektisch. Aber zu unserer Route gehört es natürlich dazu, es ist ja auch Geschmackssache. Nach dem aufregenden Frühstück heute morgen setzt das hier dem Fass die Krone auf. Ich möchte jetzt nur noch in den Pool, was wir auch sofort machen, eine Wohltat nach der Hitze des Tages. Ich kann kaum noch aus den Augen sehen, sie sind ganz rot, dick geschwollen, jucken und tränen, wie allergisch. Das macht mir sehr zu schaffen. Sie waren heute schon zu sehr gereizt, bevor ich meine neue Brille kaufen konnte. So kann ich mir nur mit Kühlen helfen und auf morgen hoffen, dass es dann besser wird. Am Pool treffen wir einige von unserer Gruppe und führen wieder nette Unterhaltungen. Danach gehen wir auf unser Zimmer und schreiben je eine Postkarte an Dirk und Olaf.

Wir sind um 18.30 Uhr mit Ingrid und Roland in der Hotelhalle verabredet, um uns die Stadt anzusehen. Nein, diese vielen Automaten sind so eine offensichtliche Abzockerei, ich kann überhaupt nicht verstehen, dass jemand sein Geld dafür opfert. Ich spiele auch gerne, aber hier entscheidet doch nur der Zufall! Man kann sein Glück gar nicht beeinflussen, weder durch Klugheit noch durch Strategie, der Apparat schluckt das Geld und spuckt ab und zu ein paar Münzen aus, damit die Leute bei der Stange gehalten werden. Die Hoffnung stirbt eben nie! Leider gibt es wesentlich mehr unglückliche, Hochverschuldete Spielsüchtige als glückliche Gewinner. Ich finde es abstoßend, wie man da verlockt werden soll. Ich werde weder hier, noch in Las Vegas auch nur einen Cent verspielen.

Inzwischen ist es stockdunkel, eine Dämmerstunde, wie wir sie in unseren Breiten so lieben, gibt es hier nicht. Es ist eher so, als würde jemand das Licht ausschalten. Draußen erschlägt uns immer noch die Hitze, zur viel zu kalt eingestellten Klimaanlage im Hotel ist das wie ein Schock. Ob meine geschwollenen Augen auch damit zusammenhängen? Reimar klagt ebenfalls über Schnupfen. Nach einem kurzen Rundgang gehen wir wieder ins Hotel, um etwas zu essen. Man wird platziert, wir müssen lange anstehen. Das kennen wir doch irgendwoher? Die Männer essen Grillrippchen und Grillhähnchen mit Backkartoffeln und saurer Sahne, dazu gibt es eine tolle Soße, rote Bohnen, Maiskolben und Salat, die Frauen bevorzugen 15 Shrimps gebacken mit Pommes frites, Dipp und Salat. Dazu trinken wir Bier, das gleich bezahlt werden muss. Das kenne ich sonst nur bei Pilzen, nicht bei Pilsner. Das liegt aber daran, dass das Bier von einer extra Bedienung gebracht wird. Es ist eine niedliche Asiatin, superschlank und mit viel Charme. Sie weiß sicher, dass sich das auf das Trinkgeld auswirkt. Sie ist ganz erpicht darauf, von uns ein paar Worte in Deutsch zu lernen.

Das Essen schmeckt sehr gut, ich muss über Roland lachen. Es war etwas schwierig, das Richtige zu bestellen. Er behauptet, er isst alles, was wohl auch stimmt, aber als wir unser Essen bekommen, schaut er immer wieder auf Ingrids Teller und meint: „Dein Essen sieht aber auch gut aus!“ Ich habe das Gefühl, er würde am liebsten tauschen, aber Ingrid geht nicht darauf ein. Sein Essen schmeckt ihm dann aber doch.

Um 21.30 Uhr gehen wir müde auf unser Zimmer mit der schönen Aussicht auf den Colorado und auf Bullhead in Arizona. Von dort dringt der Autolärm bis zu uns in die 22. Etage in Nevada.

3. Übernachtung im Edgewater Hotel & Casino in Laughlin
Fahrstrecke: 330 Kilometer


4. Tag Mittwoch - 29.09.2004 3. Fahrtag        Zum Anfang

Obwohl es in unserem Zimmer recht laut war, haben wir sehr gut geschlafen und wachen um kurz vor 6.00 Uhr auf. Wir wollen möglichst noch im Hotel frühstücken, weil das ruhiger abgeht. Obwohl wir um 6.50 Uhr im Frühstückssalon eintreffen, müssen wir bis 7.30 Uhr warten. Es gibt das typische amerikanische Frühstück. Wir müssen uns ziemlich beeilen, denn um 8.00 Uhr sind wir an unseren Motorrädern verabredet. Nach einem kurzen Briefing, wo uns Günter mitteilt, dass wir heute den ganzen Tag auf der Route 66 fahren werden, verlassen wir Nevada und fahren über den Colorado nach Arizona. Wir halten uns in östlicher Richtung und kommen jetzt in die schroffen Berge der Black Mountains. Das Land ist steinig und unwirtlich. Hier wachsen nur Kakteen, Yuccapalmen und niedere Sträucher rechts und links der Straße. Kurz vor dem alten Minendorf Oatman, das bereits 1000 m hoch liegt, halten wir an, um unsere Helme abzunehmen, Sophia soll uns beim Einfahren in diese historische Stadt filmen. Oatman hat offensichtlich nur die eine Straße, die durch den Ort führt. Wir fahren diese wirkungsvoll entlang, während Sophia uns ausgiebig filmt. Da sehen wir, dass die Harley von Heinz und Doris beim Wenden am Ende der Straße umstürzt, sie bekommen aber sofort Hilfe. Das will Reimar nicht riskieren, so fährt er schon vorher auf einen Schotterplatz zwischen den Häusern und wendet dort. Als er bereits steht, kippt ihm unser Motorrad nach links weg. Ich sitze noch hinten drauf, bekomme aber Angst, mit dem Fuß unter das Trittbrett zu kommen. Instinktiv ergreife ich die Flucht und lasse mich hinunterfallen. Unsere beiden schönen neuen Helme habe ich über dem linken Arm, das erspart mir zwar Verletzungen, aber nun haben sie erinnerungsträchtige Gebrauchsspuren. Dabei war mein Sprung völlig unnötig, denn durch den Sturzbügel kippt die Harley nicht weiter als 450, da passiert nichts. Günter, unser aufmerksamer Reiseleiter, ist sofort zur Stelle und hilft beim Aufrichten. Das schafft man nicht alleine. Alles ist gut gegangen, aber der Schreck sitzt uns noch im Nacken. Wir parken, um hier eine längere Pause zu machen.

Rechts und links säumen die Straße alte Bretterbuden, deren Fassaden von einem Moment zum anderen einem Western als Kulisse dienen könnten. Man fühlt sich in die alte Zeit zurückversetzt. Bei näherem Hinsehen erweist sich jedoch die Westernkulisse als ein reichlich kommerzieller Markt für T-Shirts und Andenkenkitsch. Über der Terrasse des Saloons prangt allerdings ein weißes Schild mit der Aufschrift „ Air Conditioned“, was nicht so recht ins Bild passen will, ebenso wenig, wie die modernen Autos und unsere blanken Motorräder. Angebundene Pferde würden besser passen. Zwischen 1903 und 1907 wurden in der unmittelbaren Umgebung dieser alten Goldgräberstadt drei Millionen Dollar an Nuggets und edlem Staub gefördert. Heute lebt der kleine Ort, der kaum hundert Einwohner hat, nur noch von den Touristen. Auf der Straße laufen die Ausgewilderten Esel unbekümmert umher und betteln die Besucher um Möhren an, die man in einem Geschäft in einer Tüte für einen Dollar kaufen kann. Sie lassen sich streicheln, aber wenn man ihnen nicht schnell genug die Möhren gibt, schnappen sie sich schon einmal die ganze Tüte. Sie können auch beißen und hinter ihnen sollte man sich auch nicht unbedingt aufhalten. Natürlich werden sie ausgiebig fotografiert. Die „Burros“ waren unverzichtbare Lasttiere in der guten alten Zeit, als in Oatman noch intensiv Bergbau betrieben wurde. Sie haben sich ihrem kargen Lebensraum angepasst, vermehren sich fleißig und behindern störrisch jeden fließenden Verkehr auf der Main Street. Per Gesetz geschützt sind sie für die Einheimischen ein Teil des Alltags.

In der Ortsmitte steht das Oatman- Hotel, ein zweistöckiges Adobe-Gebäude aus dem Jahre 1924, das der Staat Arizona 1983 unter Denkmalschutz gestellt hat. Die Attraktion des alten Hotels, in dem man heute nicht mehr wohnen kann, ist ein armseliges Zimmerchen mit der Nummer 15. Hier verbrachten im Jahre 1939 die beiden Filmstars Clark Gable und Carole Lombard, auf der Flucht vor ihren Fans, ihre Hochzeitsnacht. Ein langes Glück war den beiden nicht beschieden, denn Carol Lombard kam später bei einem Flugzeugunglück ums Leben, was Clark Gable nie verwunden haben soll.

Wir bleiben ein ganze Weile in Oatman. Einige sitzen im Saloon, essen und trinken etwas, wir bleiben auf der Holzterrasse davor in der frischen Luft sitzen und essen ein Eis. Die anderen schlendern durch die Geschäfte und kaufen etwas ein. Dann schauen wir uns noch etwas um, erstehen zwei langärmlige T-Shirts mit schönem Motorradmotiv für 17 Dollar das Stück, und ich kaufe mir ein Biker-Tuch, wie es die Harley Fahrer tragen. Es ist kein Originales, dafür kostet es auch nur 4,95 Dollar. Dann schreibt Reimar an Dennis und Dirk noch Ansichtskarten und gibt sie gleich noch in dem alten Postamt auf, damit sie einen Sonderstempel bekommen.

Ich muss noch erwähnen, dass ich heute endlich keine Probleme mehr mit meinen Augen habe, Dank der neuen Sonnenbrille. Die Ausgabe hat sich also gelohnt, und ich habe ein schönes Andenken.

Dann setzen wir unsere Fahrt über eine recht kurvige Strecke, die uns direkt in die Berge führt, fort. Die Straße ist hier zwar noch recht gut, aber schon stark ausgebessert. Heute ist die Gegend interessanter und grüner als gestern. Ich behalte meinen Fotoapparat parat, damit ich während der Fahrt fotografieren kann. Es gibt unterwegs soviel zu sehen, was man festhalten möchte. Allerdings geht das nicht so gut, denn es ruckelt doch ziemlich. Durch das Display kann ich wegen der Sonneneinstrahlung nichts sehen, und im Sucher finde ich meine Motive nicht schnell genug. Den Akku der Kamera habe ich die ganze Nacht aufgeladen, darum lasse ich sie lange angeschaltet, was zur Folge hat, dass ich schon auf halber Strecke nicht mehr fotografieren kann, erstens ist mein Akku alle, zweitens ist mein Memory -Stick voll. Das ist sehr schade, denn es kommen noch so schöne Motive.

Wir befinden uns jetzt auf dem ältesten und im Original erhaltenen Teil der Route 66. Wegen der nahen Interstate, sind wir fast alleine auf dieser Strecke. Wo findet man sonst noch soviel Weite und Einsamkeit? Unsere beiden Gruppen können jetzt dicht zusammen fahren. Inzwischen befinden wir uns 1800 m über dem Meeresspiegel und halten auf einem Plateau an, um die Aussicht zu genießen. Es geht nachher noch weiter bergauf, bis über 2000 m. Bis hierher saß Sophia bei Günter rückwärts auf dem Sozius und filmte uns.
Sie vertritt sich die Beine und klettert mit Kalle einen Hügel hinauf, um sich eine besondere Pflanze anzusehen. Als sie zu dicht daran vorbeigeht, springen ihr deren Stacheln entgegen, die sie nur mühsam wieder aus ihrer Haut bekommt. Dann steigt sie wieder zu Joel auf den Sozius, die Fahrt geht weiter durch das Sacramento Valley Richtung Kingman. Es dauert nicht mehr lange, bis das Land immer flacher, weitläufiger und grüner wird. Ich sehe sogar ein richtiges saftiges Feld. Die Gegend hier ist auch mehr besiedelt. Immer wieder sieht man vereinzelt Häuser in der Nähe oder man kommt durch kleine Ortschaften und etwas größere Städte. Die Häuser sehen fast alle sehr ärmlich aus, einfach nur zweckmäßig. Doch daneben steht jeweils ein großes Auto und ein Wohnmobil. Rund um die Häuser sieht es schmutzig aus, nur Staub und Geröll, keine gepflegten Gärten, das geht hier nicht. Später kommen wir allerdings auch noch an neueren Siedlungen mit schönen Häusern vorbei. Hier sind die Grundstücke von Hecken und Büschen umgeben, die Gärten sehen gepflegt aus mit ihren Beeten und Blumen, das fiel direkt auf. Die Kluft zwischen arm und reich ist in Amerika noch viel größer als bei uns, hier fehlt der Mittelstand. Aber bei uns arbeitet man ja daran, dass wir auch dahin kommen. wir müssen doch alles aus Amerika übernehmen, auch wenn es nicht gut ist.

Bei Kingman, einem Verkehrsknotenpunkt kreuzen wir zweimal die Interstate 40. Von hier aus sind es noch ca. 60 Meilen bis Seligman. In Antares machen wir Mittagspause. Dort dürfen wir in einem Restaurant für 10,95 Dollar am Buffet teilnehmen und soviel essen, wie wir wollen. Es gibt Hackbraten, Backed-Potatos, und Erbsen. Ich entscheide mich für einen Toast mit Käse, Reimar trinkt nur einen Kaffee.

Als alle gestärkt sind geht es weiter Richtung Osten an den Peacock Moutains vorbei nach Hackberry. Hier steht noch eine der ganz alten Tankstellen vor dem „66 Zentrum“, das sich als unterhaltsamer Krämerladen eines ökologischen Wanderpredigers entpuppt, der von uns zu erkunden ist. Davor steht eine Bank auf der eine Indianerin als Puppe sitzt. Ich setze mich daneben und möchte mich fotografieren lassen, aber mein Apparat geht leider nicht mehr, der nette Kalle erklärt sich sofort bereit, ein Foto von uns mit seiner Kamera zu machen. In dem Shop erstehen wir eine CD und ein Magnetabzeichen von der Route 66. Hier ist alles auf die fünfziger Jahre ausgerichtet, Bilder von Schauspielern aus der damaligen Zeit wie James Dean, Elvis Presley, John Wayne usw. werden dort angeboten. Vor der Tür steht ein alter verrosteter Lastwagen, um den wir uns zu einem Gruppenfoto aufstellen. Hoffentlich hält das alte Gefährt uns alle aus!

     Dann geht es weiter vorbei an den Cottonwood Mountains, Wright Canyon, Rock Canyon, Grand Canyon Caverns, wo wir zu Mittag essen, Aubrey Valley nach Seligman, einem verhältnismäßig größeren Ort, verträumt und nostalgisch. Er wurde 1886 als Eisenbahnsiedlung gebaut. Seligman ist wohl die letzte Ruhestätte für verrückte Autos, die neben den typischen Andenkenläden stehen, umsäumt von Puppen in Original Größe mit der Bekleidung von damals. Hier können wir wieder kräftig stöbern. In diesem verschlafenen Nest hat der bekannteste Friseur der Welt, Angel Delgadillo seinen Friseurladen, den er am 21. Mai 1950 von seinem Vater übernommen hat. Das Geschäft lief von Anfang an gut. Morgens um neun Uhr hat er aufgemacht. Sein erster Kunde war ein guter Freund aus der Schule, dem er erzählt hatte, dass sein erster Kunde nicht bezahlen müsste.

Angel Delgadillo wurde ein paar Monate, bevor man die Route 66 offiziell dem Verkehr übergab,1927 in Seligman als siebentes Kind seiner Eltern geboren und hat sein ganzes Leben an der Route 66 verbracht. Als er 1947 mit der Schule fertig war, fuhr er auf der Route nach Pasadena, Kalifornien, um dort
zur Barbierschule zu gehen. Wenige Monate später kam er zurück und wurde Lehrling in einem Barbier-Salon in Williams an der Sixty-Six. Nur einmal hat er die Route verlassen und ist nach Mexiko gefahren, um zu heiraten.

Er hatte noch fünf Brüder und drei Schwestern. Seine Eltern waren 1917 von Mexiko gekommen und in Seligman gestrandet. Der Vater arbeitete als Maschinist für die Santa Fe Railroad, nach einem langen Eisenbahnerstreik im Jahre 1922 sattelte er auf Barbier um und eröffnete einen Laden und eine Billardhalle an der Straße, die später Route 66 genannt wurde. Der alte Barbierstuhl mit seinen Porzellanarmlehnen, den er 1929 für 196 Dollar und 50 Cents (viel Geld – damals) in St. Louis gekauft hat, steht noch heute mitten in dem historischen Laden. Jeder Gast darf sich einmal darauf setzen. Die Wände sind zugepflastert mit Visitenkarten von prominenten und weniger bekannten Kunden. Vom Fenster seines Salons kann er hinaussehen auf den Highway 66.In einem Nebenraum, der mit unzähligen Nummernschildern dekoriert ist hat Angel eine Vitrine voller Route- 66-Andenken und T-Shirts. In einem Regal sammelt er Magazine und Zeitschriften aus aller Welt mit Geschichten über die Route 66. Angel steht neben dem alten Barbierstuhl und erzählt mit strahlendem Gesicht aus seinem Leben. Das tut er offensichtlich gerne, und es ist wohl heute die Hauptbeschäftigung für diesen rüstigen Rentner. In verschiedenen Büchern, die ich nachgelesen habe, erscheinen allerdings immer wieder andere Daten für die Eröffnung seines Ladens und die Gründung der Association, aber es hört sich gut an, ein festes Datum zu nennen. Vielleicht weiß er es auch nicht mehr so genau und es ist auch gar nicht so wichtig, in etwa stimmen sie schon. Sein Geschäft beherrscht der alte, Weißgelockte Herr mit dem singenden mexikanischen Akzent aber heute noch. Er zieht die Klinge des Rasiermessers 22 mal über den nassen Schleifstein, elfmal auf jeder Seite, dann weiß er, die Klinge ist scharf. Es ist ein Ritual, das er mit kontrollierten Handbewegungen zelebriert. Dann nimmt er das Ende eines schweren Leders und zieht die Klinge über die speckige Oberfläche. Dieses Leder hat einmal seinem Vater gehört und gibt der Klinge seit mehr als sechs Jahrzehnten sein samtiges Finish. Als er angefangen hat, kostete ein Haarschnitt nur einen Dollar, eine Rasur 75 Cents. Inzwischen muss man fünf Dollar und fünfzig Cents für einen Haarschnitt bezahlen.

Die Dreißiger Jahre waren alles andere als rosig. Es kam zur Depression und ein wahrer Exodus begann. Über die Route rollte ein Auto nach dem anderen, auf den Sitzen drängten sich ganze Familien aus mehreren Generationen auf dem Weg nach Westen, in eine hoffentlich bessere Welt. Während des Zweiten Weltkrieges kamen dann Soldaten, ein Konvoi nach dem anderen, vorbei und belebten die Stadt. Nach dem Krieg strömten die Touristen nach Seligman, die Geschäfte gingen richtig gut. Viele Eisenbahner lebten hier und wurden heimisch, doch als die Eisenbahn die Stadt als Übernachtungsstop aufgab, war das ein schmerzlicher Verlust, beinahe so schlimm, wie die Eröffnung der Interstate.

In den 40er und 50er Jahren boomte das Geschäft, und jeder Ort machte eine Tankstelle, ein Motel oder eine Werkstatt auf. Auch die 50er und 60er Jahre waren wirklich gut, bis sich plötzlich jeder die Haare wachsen ließ. Zu allem Unglück wurde dann noch die Interstate gebaut. Sie wurde am 22. September 1978 um drei Uhr mittags eingeweiht. Der Verkehr durch Seligman brach von einer Stunde auf die andere ab. Bis zu diesem Zeitpunkt kamen täglich neun- bis zehntausend Autos durch die Stadt, so dass man vor lauter Verkehr kaum die Straße wechseln konnte.

Angel Delgadillo beschloß 1986, um die Route zu kämpfen und gehört zu den eifrigsten Verfechtern einer Route 66 Renaissance. Er hat maßgeblich zum Erhalt der Route 66 beigetragen und wurde zum ersten Präsidenten der Historic Route 66 Association gewählt, die am 18. Februar 1987 von ihm gegründet wurde und anfangs fünfundzwanzig Mitglieder hatte, alles Freunden aus Nachbardörfern. Sie begannen, Briefe an Politiker zu schreiben, - mit Erfolg! Am 20. November 1987 erklärte der Staat Arizona die 156 Meilen von Seligman nach Topock zur historischen Straße, Ende der 80er Jahre wurden auf dieser Strecke neue Route 66 Schilder angebracht. Seither kommen die Touristen aus aller Welt. In der Zwischenzeit haben auch alle anderen Bundesstaaten eine solche „Route 66 Association“ gegründet. Der US Kongress hat Gelder für eine Studie vergeben, um zu sehen, wie man den gesamten Highway erhalten und zu einem Denkmal machen kann. Die Straße ist jetzt in großen Teilen wieder in einem sehr guten Zustand, allerdings noch immer nicht durchgängig zu befahren. Vielleicht wird das auch nie wieder möglich sein. Aber die alte Faszination ist wieder da, wir haben unser Teilstück sehr genossen.
Gruppe
Inzwischen ist die Association auf beinahe tausend Mitglieder angewachsen. Diese Interessengruppen sind Geschichts- und Heimatvereine, die in den acht betroffenen Bundesstaaten das historische Erbe pflegen. Viele der Sixty-Six – Veteranen sahen den Highway nicht bloß als Straße, sondern als Lebensader einer großen Gemeinde, die unter keinen Umständen sterben durfte. Obwohl diese Routenliebhaber inzwischen alle, wie die Straße selbst, im beschaulichen Rentenalter sind, tut das ihrem Engagement für die memory lane keinen Abbruch. Am letzten Aprilwochenende organisieren sie immer ein großes Straßenfest mit über sechshundert Oldtimern aus den ganzen Land, und bei Musik Tanz und Essen geht es zu wie zu alten Zeiten. Inzwischen lässt die US-Presse keine Gelegenheit aus, um sich dem Thema zu widmen: Bildbände, Foto-Essays, Videospiele („Route 66 Travel Game“) erscheinen ebenso wie zahllose Reisetipps für Leute, die im alten Stil reisen wollen, nach einem authentischen Stück Amerika suchen, das sie hier auch finden.

Weiter geht es durch erschlossene Landschaft, die Eisenbahn begleitet uns, wir können sie fotografieren. Der Lokführer lässt extra für uns sein Signal ertönen. Aus unserem CD Player ertönt die Musik von unserer neuen CD: „Get your kicks on Route Sixty-Six“. Wir singen laut mit, genießen den Tag und sind glücklich.

Das Wetter war bisher jeden Tag traumhaft schön, fast zu warm. Doch jetzt ziehen einige dunkle Wolken am Himmel auf, eine davon ist ganz schwarz. Sie lässt einige dicke Tropfen auf uns prasseln, aber zum Glück ist das so schnell wieder vorbei, dass wir kaum naß werden. Es ist merklich kühler geworden, darum hält Joel an, damit wir uns wärmer anziehen können. Sicher haben wir hier die angekündigten 2000 m Höhe erreicht. Dann endet die Route als Nebenstrecke, und wir müssen das letzte Stück auf der Interstate weiter fahren, um unser heutiges Übernachtungsziel Williams zu erreichen. Williams wurde am 13. Oktober 1984 als letzte Stadt an der alten Route 66 vom Durchgangsverkehr abgeschnitten. Zur Einweihung des letzten sechs Meilen langen Abschnitts der Interstate 40 kamen damals Reporter aus dem ganzen Land. Sogar Bobby Troup war erschienen, um seinen Hit „Get your kicks on Route Sixty-Syx“ zu singen. Es hatte mehr als zwei Jahrzehnte gedauert, bis ein Netz aus fünf Interstates den alten Highway komplett ersetzt hatte. Wenige Monate später beschloß die American Association of State Highways and Transportation, die US Route66 offiziell abzuschaffen und die Schilder überall abmontieren zu lassen. Ein bürokratischer Akt, der vielen in der Seele schmerzte und seinen Zweck nicht erfüllte. Er trug nur weiter zum Mythos der Straße bei.

Wir tanken noch bevor wir zu unserem Motel 6 kommen. Ich stelle mich beim Absteigen diesmal besonders blöd an, hopse mit dem linken Bein rückwärts, bleibe am rauen Straßenbelag hängen und knalle auf den Rücken. Das ist ja ziemlich peinlich! Ich habe mir natürlich nichts anmerken lasse, aber es tat doch recht weh. Ich war so mit dem Aufstehen beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass ein gehbehinderter Mann so gut es ging aus seinem Auto sprang, um mir zu helfen. Zum Glück hat sich Reimar für mich bedankt. Die Amerikaner sind wirklich sehr nette Leute. Sie sind uns Motorradfahrern gegenüber besonders rücksichtsvoll, weichen immer aus und lassen unsere Gruppe beisammen. Das kennen wir aus Deutschland wirklich nicht, da ist es ein Sport der Autofahrer, bei einem Stau schön versetzt zu stehen, damit man als Biker nicht vorbeifahren kann. Trotz meiner Blessuren halte ich wieder den Zapfhahn, damit das Tanken flotter geht. Joel wäscht inzwischen die Scheiben der Motorräder.

Wir parken vor unserem Motel alle zusammen. Die Maschinen werden ordentlich festgeschlossen. Heute soll hier im Ort auf der Straße für die Touristen eine Westernshow stattfinden. Der Sheriff stoppt solange den Verkehr. Allerdings findet das nur im Sommer statt, und Günter weiß nicht genau, ob wir das heute noch erleben können. Joel will für uns in einem Restaurant noch Plätze bestellen und springt in gewohnter Art auf seine Harley, um schnell loszufahren. Da scheppert es mörderisch, seine Maschine rutscht über den Boden. Er hat vergessen, sein Schloss vom Vorderrad abzunehmen. Zum Glück ist nichts weiter passiert, es hörte sich nur so schlimm an. Reimar wirft beim Abschließen seinen Helm vom Motorrad, nun hat das gute Stück noch mehr Dellen. Heute ist wohl nicht unser Tag. Hier ist unser Empfang zum ersten mal nicht vorbereitet. Jeder muss alleine einchecken. Der junge Mann an der Rezeption ist total überfordert. Wir bekommen Zimmer Nr. 226. Reimar fühlt sich schon den ganzen Tag nicht wohl, hat aber nichts gesagt. Zum Glück hat er durchgehalten. Nachdem ich ihm zwei Aspirin gegeben habe, legt er sich sofort ins Bett. Inzwischen ist es schon 18.15 Uhr, die Show soll um 19.00 Uhr beginnen, und wir müssen noch ein Stück dorthin laufen. Also müssen wir uns ziemlich beeilen. Reimar bleibt aber liegen und will vielleicht nachkommen, so muss ich alleine gehen. Na, alleine bin ich ja nicht, denn ich laufe mit Hella und Ronald in die Stadt. Doch wir haben Pech, heute gibt es keine Veranstaltung mehr, der Sommer ist hier schon vorbei. Daher gehen wir gleich ins Restaurant, es ist typisch amerikanisch. Ich sitze mit Hella und Ronald an einem Tisch und bestelle mir drei Spare Ripps mit Cool Slaw, Mais und Brot. Dazu trinke ich ein dunkles Bier vom Hahn. Die meisten aus unserer Gruppe essen die große Portion mit sechs Rippen, ein Riesenteller. Aber obwohl ich die kleinste Portion bestellt habe, schaffe ich nicht alles und lasse Brot und Bohnensoße stehen. Das Essen ist wieder viel zu fett.

Wir laufen zum Hotel zurück und gehen noch in den Supermarkt gegenüber, um für Reimar etwas zu einzukaufen, denn er hat seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Außerdem nehme ich etwas zum Frühstück mit, denn in den Motels gibt es in er Regel nichts zu essen. Hier gibt es noch nicht einmal eine Kaffeemaschine auf dem Zimmer. Man bekommt aber morgen früh an der Rezeption Kaffee aus einem Automaten. Ich erstehe zwei verpackte Sandwiches und zwei Bananen, da habe ich richtigen Appetit drauf, denn Obst essen wir hier nicht genug. Hella ist schon gleich zum Motel gegangen, aber Ronald wartet, bis ich fertig eingekauft habe. Dann treffen wir Elke und Peter, die mir erzählen, dass Reimar uns schon sucht und sauer ist. Na, er kann wohl kaum auf mich böse sein. Er ist doch ziemlich stinkig, weil er uns gesucht hat und ihn dieser Trottel von der Rezeption völlig falsch durch die Gegend geschickt hat. Eine ganze Stunde lief er vergeblich kreuz und quer durch die Stadt. Mit Freuden isst er mein mitgebrachtes Brötchen. Wir versuchen noch, die Kinder anzurufen, aber es klappt nicht. Die Vermittlung dauert ewig lange, wir können die Dame vom Amt nicht verstehen, dann teilt sie uns mit, dass wir mit unserer Mastercard nicht telefonieren können, Pech! Um 12.00 Uhr habe ich endlich mein Tagebuch fertig und gehe ins Bett. Es ist merklich kühler als in den letzten Tagen. Morgen müssen wir schon um 7.15 Uhr an den Motorrädern sein, der Grand Canyon steht auf dem Programm.

5. Übernachtung im Motel 6 in Williams - Fahrstrecke: 338 Kilometer  
 

5. Tag, Donnerstag, 30.09.2004, 4. Fahrtag    Zum Anfang

Tage Heute Nacht war mir tatsächlich kalt, ungewöhnlich, nach der Hitze der letzten. Wir stehen wieder um 6.00 Uhr auf und frühstücken gemütlich auf unserem Zimmer. Reimar holt Kaffee von der Rezeption, dazu essen wir unsere leckeren Sandwiches, die ich gestern im Supermarkt gekauft habe. So schön in Ruhe frühstücken wir gerne. Um 7.15 Uhr treffen wir uns an unseren Motorrädern. Unglaublich, die Sitze sind mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Wir haben uns heute zum Glück warm angezogen, denn es wird kalt. Schnell wird das Gepäck eingeladen und pünktlich um 7.30 Uhr losgefahren, denn heute steht ein weiteres Highlight auf dem Programm. Das Städtchen Williams ist als Ausgangspunkt für eine Grand-Canyon-Tour erstaunlicherweise nicht so bekannt wie Flagstaff, obwohl es eigentlich näher am Canyon liegt und nicht zu Unrecht „Gateway to the Grand Canyon“ genannt wird. Wir fahren auf dem Highway 64 Richtung Norden direkt zur größten Schlucht dieser Erde durch eine schöne Landschaft, die immer flacher wird. Hier ist es verhältnismäßig grün, denn wir passieren einen Wald. Rechts und links der Straße stehen Nadelbäume. Vor uns, am Ende des Waldes sehen wir ein helles langes Band, das wie eine Brücke aussieht, sich bei näherem Hinsehen aber als Stromkabel entpuppt. Wieder scheint es, als wäre die Gegend unbewohnt, doch etliche Briefkästen entlang der Straße zeugen von nahen Häusern. Die Straße vor uns ist schnurgerade und gut ausgebaut. Die Gruppe fährt wieder sehr diszipliniert. Wir frieren, obwohl sich alle warm angezogen haben und sich gegen den eisigen Fahrtwind mit Tücher über der Nase schützen. Man hätte doch die dicke Motorradhose oder wenigstens eine winddichte Regenhose gebrauchen können, aber ich habe im letzten Moment darauf verzichtet, Regensachen einzupacken, weil ich der Meinung war, dass es um diese Zeit in Amerika nicht regnet, was ja auch stimmt. Doch mit so einer Kälte habe ich nicht gerechnet. Nach 55 Meilen erreichen wir gerade noch pünktlich das IMAX Theater am Grand Canyon, wo wir uns unsere Plätze schon im Dunklen suchen müssen. Da unsere Zeit nicht ausreicht, um selbst einen Flug über den Grand Canyon oder eine Raftingtour zu unternehmen, wollen wir uns wenigstens einen Film davon ansehen (Eintritt 9 Dollar pro Person). Neben mir sitzt Remo, der ganz begeistert ist und so tut, als würde er selbst mit im Raftingboot sitzen. Er erzählt mir, dass er das schon öfter gemacht hat. Es ist schon beeindruckend, was Menschen sich so antun, mir wäre das viel zu gefährlich, es reicht mir, das im Film zu sehen. Ein Darsteller musste dieses strapaziöse Rafting-Abenteuer sogar mit nur einem Arm überstehen. Nach 45 Minuten ist der Film zu Ende. Anschließend haben wir bis 10.00 Uhr Pause und die Gelegenheit, im dortigen Restaurant zu frühstücken. Da sind wir doch froh, heute früh schon so gut gegessen zu haben. Darum trinken wir nur etwas. In Amerika ist es immer ein kleines Problem mit dem Frühstück, manchmal muss man eine ganze Weile fahren, bevor es dazu eine Möglichkeit gibt. Unsere Reiseleitung weiß aber immer gut Bescheid, wann und wo wir etwas zu Essen bekommen können, wir müssen also weder hungern noch in der Wüste verdursten, denn Getränke (Bier und Wasser) haben wir immer eine ganze Kiste voll, eisgekühlt in unserem Begleitauto. Klaus nimmt jede Gelegenheit wahr, neues Eis zu besorgen.

Nach der ausgiebigen Pause fahren wir entlang des Südrandes (South Rim), der etwas mehr besucht ist als der ruhigere Nordrand (North Rim), durch den meistbesuchten Nationalpark der USA. Für 10 Dollar Eintritt pro Motorrad genießen wir an vier von Dutzenden von Aussichtspunkten den überwältigenden  Ausblick in die „Schlucht der Schluchten. Auf seinem langen Weg von den Gletschern der Rocky Mountains bis in den Golf von Mexiko fließt der Colorado River durch viele atemberaubende Landschaften. Sein spektakulärster Abschnitt ist jedoch das 480 km. lange Teilstück zwischen dem Glenn Canyon Dam und dem Hoover Dam. Im Mittelpunkt des heutigen Grand Canyon National Park, grub sich das reißende Wasser bis zu 1800 Meter tief, in das Kaibab-Plateau ein und legte über zwei Milliarden Jahre alte Gesteinsschichten frei. An ihrer Oberkante ist die Schlucht rund 20 Kilometer breit und gilt als eines der größten Naturwunder der USA.
 

Es wird natürlich besonders viel fotografiert, damit wir diese einmaligen Eindrücke mit nach Hause nehmen können. In der Nähe des Einganges zeugen auch hier verkohlte Baumstämme von dem verheerenden Feuer im letzten Jahr. Joel fährt sein Motorrad ins Gelände, etwas abseits vom Aussichtsplatz, damit wir uns ganz nahe am Abgrund vor dieser herrlichen Kulisse darauf fotografieren lassen können.  

Am letzten Aussichtspunkt, der etwas weitläufiger ist, vermissen wir plötzlich Elke. Alle anderen sind pünktlich zur Weiterfahrt am Treffpunkt. Günter fährt los, um sie zu suchen und bringt sie tatsächlich mit. Sie hat ihren „Dicken“ gesucht, dabei ist „ihr lieber Mann“ schon längst am Motorrad. An diesem Aussichtsplatz gibt es einen Steinturm, aber wir haben keine Zeit mehr hinaufzuklettern, um von oben noch besser über den Canyon schauen zu können. Günter drängelt sonst nie, aber heute macht er etwas Druck, weil wir schon eine Stunde im Zeitverzug sind und noch sehr viel vor haben. Er möchte uns vor allem Monument Valley in der Abendsonne zeigen. Dieses besondere Licht dauert leider immer nur kurze Zeit, da darf man nicht zu spät kommen.  

Es ist zwar wie jeden Tag sehr sonnig mit vereinzelter Wolkenbildung am Himmel, aber es ist wirklich lausig kalt und windig, ich habe schon Halsschmerzen. Zum Glück habe ich Gurgeltabletten mit, dadurch hinterlasse ich in jedem Hotel leider die gelben Spuren im Waschbecken, aber ich will doch durchhalten. Petra hat sich von Elke schon eine Windjacke geborgt, und Horst hat sich ganz zünftig Kuhfelle auf seinen Hosenbeine befestigt, was ganz zünftig aussieht uns sicher seinen Zweck erfüllt.

Wir fahren weiter durch die Endausläufer des Canyon, man kann ihn noch erahnen. Linker Hand sehen wir eine, von den Indianern über den Canyon gebaute Brücke. Sie sieht wirklich toll aus, leider habe ich den Fotoapparat nicht parat. Die Straße führt uns schnurgerade hinein ins Navajo Land. Nach ungefähr 100 Kilometern entlang des Abgrundes verabschieden wir uns Richtung Page. Wir durchfahren weites Land, sehen etliche gelbbraune Hügel, vereinzelt mit grünen Grasbüscheln bewachsen. Vor uns erstreckt sich ein Gebirgszug, der rosa bzw ziegelfarben aussieht. Er begleitet uns jetzt eine Weile. Die vereinzelten Häuser an der Strecke sehen ärmlich aus, sind eigentlich nur Hütten. Dagegen ist unsere Gartenlaube zu Hause eine kleine Villa. Alles ist so schmutzig und ungemütlich, zum Teil sind die Hütten auch einfach verlassen und verrotten einfach. An der Straße bieten die Navajos in einfachen Bretterbuden kunstvoll hergestellte Indianerarbeiten, silber gefassten Türkisschmuck, Töpferwaren, Webarbeiten wie Navajo-Teppiche und andere Mitbringsel an, es ist eine Fundgrube für diejenigen, die sich für das kunsthandwerkliche Können der Indianer begeistern. Die Landschaft um uns herum erinnert uns unweigerlich an Cowboyromantik und Westernfilme.
 

Beim nächsten Tankstop besorgt mir Reimar einen Platz in unserem Begleitbus, mir ist einfach zu kalt, Ich dachte eher, dass ich vor Wärme umsteigen müsste, und nun das!  Bisher ist noch nie ein Soziusfahrer umgestiegen, und ich kann sagen, dass ich sehnsuchtsvoll nach vorne schaue und viel lieber auf meinem bequemen „Sessel“ sitzen würde. Aus dem Auto heraus sieht man nicht soviel wie auf dem Motorrad, es fehlt der Blick nach oben, auch Fotos kann ich jetzt nicht gut machen, denn ich sitze hinten neben unseren Getränken. Es ist recht eng, aber wenigstens schön warm. Der Beifahrersitz ist von Remo belegt, der gerne erzählt und unseren Klaus die ganze Fahrt lang unterhält. Sicherlich freut sich Klaus, dass er nun mal eine Abwechslung hat, er ist aber ein ganz ruhiger Zeitgenosse, der sicherlich auch längeres Schweigen ertragen kann, andererseits wird man nicht so schnell müde, wenn der Beifahrer viel erzählt.  

Bei Cameron biegen wir vom Highway 64 nach Norden auf die Road 89 ab, die wir nach kurzer Strecke nach rechts verlassen, um auf der Road 160 bis Kayenta zu fahren. Hier gabelt sich die Straße, während die 160 weiter geradeaus führt, wählen wir den Abzweig nach links auf die Road 163, die uns direkt zum Monument Valley geleitet. Remo erzählt uns, dass er im vorigen Jahr hier mit den Indianern die Friedenspfeife geraucht hat. Sie haben ihn zu ihrem weißen Bruder erklärt. Ich glaube ihm die Geschichte nicht so ganz.

Vor uns taucht das gigantische und sehr bekannte Monument Valley auf. Besonders am frühen Morgen und wie jetzt bei Sonnenuntergang beeindrucken die bis zu 600 Meter hohen Sandsteingebilde, die im äußersten Norden der Navajo Indian Reservation auf der Staatsgrenze zwischen Arizona und Utah liegen. Wir sehen jene abstrakt unwirklich erscheinenden Felsblöcke, oben zumeist abgeflacht, die hier massiv in dieser Landschaft stehen, und deren einzige Begrenzung der Horizont zu sein scheint. In dieser Weite wird jede Entfernung relativ und manches sonst so Große erscheint einem einfach winzig. Diesen wunderbaren Anblick wollte Günter uns unbedingt im Abendlicht zeigen. Dafür sei ihm ein bisschen Drängelei verziehen. Wir können uns darauf verlassen, er hat immer einen sehr guten Zeitplan, wovon wir kaum etwas merken. Wir haben damit überhaupt keinen Stress, sondern erleben die richtigen Dinge zur rechten Zeit, am rechten Ort und können diese Reise einfach nur genießen.
 

Ich versuche, die verschiedenen Gebilde zu analysieren, eins sieht aus wie ein Obelisk, eins gleicht unserer Gedächtniskirche. Es ist so interessant, man möchte nur fotografieren, aber aus dem Auto geht es nicht.

Doch dann halten wir an einem Parkhafen, um endlich die ersehnten Fotos zu machen. Remo steigt aus und sagt: „Da oben steht mein roter Bruder.“ Ich denke, jetzt spinnt er.  Da sehe ich, dass er zur anderen Straßenseite hinüber grüßt, indem er die rechte Hand erst an die linke Stirnseite legt und dann eine kreisende Bewegung damit macht. 

Ich schaue in die Richtung und sehe auf einem Hügel tatsächlich einen Indianer, wahrscheinlich ein Navajo Schafhirte, auf seinem Pferd sitzen. Er grüßt zurück und beobachtet uns solange wir hier stehen, regungslos. Jetzt fühle ich mich wirklich wie in einem Indianerfilm. Darauf habe ich schon die ganze Zeit gewartet. Schade, dass ich es vor lauter Faszination vergessen habe, ihn zu fotografieren. Vielleicht hat mich auch nur der Respekt oder die Angst davon abgehalten, dass er das nicht mag. Als wir weiterfahren, hebt der Indianer sein Lasso und grüßt zu uns herüber. Es ist ein unvergessliches Erlebnis für mich, aber ich glaube, nicht alle von unserer Gruppe haben diese kleine Episode mitbekommen.  

Das Monument Valley ist der berühmteste aller Drehorte für Wildwestfilme. Schon Ende der dreißiger Jahre stieß der Regisseur John Ford auf diese Naturkulisse, die wie keine andere den ungezähmten amerikanischen Westen symbolisiert. 1950 war das Monument Valley der Schauplatz für den Western „Westlich von St. Louis“, und 1960 wurde hier der Film „Mit dem Fuß in der Hölle“ gedreht. Die markanten Felsen dienten auch für John Fords letzten Western „Cheyenne“ im Jahre1964 als eindrucksvolle Kulisse.1970 knüpfte der italienische Regisseur Sergio Leone mit seinem Edelwestern „Spiel mir das Lied vom Tod“ an die cinematografische Tradition dieser Region an.  

Ich habe in einem Buch gelesen, dass eine Staubstraße mit badewannengroßen Schlaglöchern in Serpentinen vom Besucherzentrum auf den Boden des Monument Valley hinunterführt. Doch ein Tal im eigentlichen Sinne ist die Gegend nicht. Wo sich vor 250 Millionen Jahren ein Urmeer befand, dehnt sich heute ein ehemals flaches Plateau aus, auf dem Wind und Wetter in 25 Millionen Jahren Abtragung härtere Gesteinsformationen wie die Magmakerne alter Vulkane stehen ließen, während das übrige Material weggeblasen und weggeschwemmt wurde. Zwischen seltsamen Bergstummeln hindurch führt die Piste durch diese fremdartige Szenerie. Einige Bereiche des Monuments darf man jedoch nur mit Führer erkunden. Für uns kommt das aus Zeitgründen natürlich sowieso nicht in Frage. 

Vor uns erhebt sich eine rosafarbene Wand, sie leuchtet nur noch kurze Zeit so schön, dann bricht die Dunkelheit herein. Es geht etwas bergab. Ein Schild an der Straße weist uns darauf hin, dass wir jetzt nach Utah kommen. Wir fahren direkt auf diese hohe Felswand zu. Hier scheint die Welt zu Ende zu sein. Eine Brücke überspannt den San Juan River, der sogar Wasser führt, unterwegs waren fast alle Flüsse ausgetrocknet. Hinter der Brücke biegen wir nach links ab, denn wir haben hier unsere heutige Übernachtungsstätte, „The San Juan Inn“ in Mexican Hat, erreicht. Als alle Bikes geparkt sind, kommt die große Enttäuschung, das Motel ist überbelegt, uns fehlen zwei Vorgebuchte Zimmer. Das ist zwar wirklich ärgerlich, aber da in Amerika jeweils zwei sehr breite Betten in den Zimmern stehen, wird sich doch für die eine Nacht eine Lösung finden!  Rudi, der extra ein Einzelzimmer gebucht und bezahlt hat, erklärt sich sofort bereit, sein zweites Bett zur Verfügung zu stellen. Natürlich gibt es auch Leute, die sich räumlich nicht beschränken wollen. Aber Günter findet doch, mit seiner diplomatischen Art, eine für alle zufrieden stellende Lösung. Er wollte schon irgendwo auf der Erde schlafen, aber der sehr sozial eingestellte Urs, der sein Zimmer mit Kalle teilt, nimmt ihn für diese Nacht bei sich auf. So ist auch das erste kleine Problem dieser Reise gelöst. Nun müssen nur noch die Motorräder, die direkt unter der Felswand geparkt sind, umgesetzt werden, damit sie nicht durch Steinschlag beschädigt werden. Das Motel liegt ganz kuschelig in dieser Ecke, an einer Seite der Fluss, an der anderen Seite befindet sich schon die Felswand. Hinter der Anlage geht die Straße scheinbar nicht weiter. Unsere Zimmernachbarn sind zufällig wieder Ingrid und Roland. Da die Küche um 9.00 Uhr p.m. schließt, müssen wir ganz schnell essen gehen. Wir sind hier zu Gast bei den Indianern. Das Restaurant ist noch recht voll. Reimar isst ein gefülltes Omelett, ich bin nicht in Form, sehne mich mal wieder nur nach meinem Bett und trinke lediglich zwei Pfefferminztee. Nach dem Essen müssen wir uns noch kurz versammeln, damit Günter uns schon heute erklären kann, wie unser nächster Tag verlaufen soll.  

6. Übernachtung im San Juan Inn – Mexican Hat  Fahrstrecke: ca. 415 Kilometer  
 

6. Tag, Freitag, 01. Oktober 2004, 5. Fahrtag     Zum Anfang

Heute haben wir unseren längsten Tourtag vor uns, daher fahren wir schon um 6.15 Uhr los. Eigentlich ist es für uns sogar erst 5.15 Uhr, denn wir haben gestern mit Utah eine neue Zeitzone erreicht Wir starten ganz pünktlich und fahren zuerst Tanken. Günter weist uns darauf hin, dass wir heute durch viel einsame Gegend kommen, wo es nichts zu kaufen gibt. In der Tankstelle, die natürlich auch von Indianern betrieben wird, können wir für unser Frühstück Kaffee und süßen Kuchen kaufen. Ich nehme für jeden eine Apfeltasche und kaufe noch einen Apfel für Reimar, der wirklich lecker schmeckt. Hoffentlich hält dieses süße Zeug bis zur nächsten Mahlzeit vor. Wir können auch eine Telefonkarte für fünf Dollar kaufen, denn bisher konnten wir noch nicht zu Hause anrufen, weil unsere Kreditkarten dafür nicht vorgesehen sind.  

Dann fahren wir Richtung Norden auf der 261 direkt auf die Felswand, die wir gestern vor uns hatten, zu. Die Straße ist ganz prima, hat nur leichte Kurven. Die rote Wand vor uns nimmt rechts und links kein Ende. Wenn wir diese Tour alleine unternommen hätten, wäre ich umgekehrt, in der Annahme, dass die Straße irgendwann nicht weiter geht. Aber auf unsere Reiseführer können wir uns selbstverständlich verlassen. Sie geht natürlich doch weiter, wunderbar ausgebaut, wie die Straßen in unseren neuen Bundesländern. Schon nach wenigen Meilen überwinden wir auf den einzigen vier ungeteerten Kilometern dieser Reise in engen Serpentinen die senkrechte Felswand von mehreren hundert Metern Höhe. Die Straße ist aber recht gut befestigt und lässt sich, trotz der Vorwarnung von Günter, sehr gut befahren. Sie erinnert mich an die Alpenpässe in den Dolomiten. Die zahlreichen Kurven sind allerdings mit Asphalt ausgegossen und sehr gut ausgebaut. Die Amerikaner verstehen wirklich etwas vom Kurvenbau. Selbst die Rechtskurven sind leicht erhöht, man wird nicht nach außen getragen. Inzwischen wissen wir ganz genau, wie unser Vordermann fährt und können uns gut darauf einstellen. Vor der Kurve bremst Reimar ab, um das Motorrad in die Kurve hineinfallen zu lassen und wieder Gas zu geben. Es macht uns einen unbändigen Spaß, obwohl Reimar immer noch viel Respekt vor unserem „Ungeheuer“, wie er unsere schöne Harley nennt, hat. Das finde ich aber auch gut so. Wir schrauben uns langsam bis ganz nach oben und gleiten auf dem Hochplateau weiter in Richtung Canyonlands Nationalpark. Die Straße hier ist wieder wunderbar ausgebaut und erstaunlicherweise schnurgerade. Rechts und links säumen Kiefern und Birken unseren Fahrweg. Alles ist erstaunlich schön grün, man merkt den Sauerstoff, den uns die Bäume spenden, die Luft ist sehr angenehm. An einer Kurve halten wir an, stellen die Motorräder ab und kraxeln über große Klamotten ein Stück nach oben, um uns von dort die Straße mit den vielen Kurven, auf der wir soeben gefahren sind, anzusehen und natürlich auch zu fotografieren. Ich wollte zuerst nicht mit, weil ich Angst hatte, über die großen Steine nicht wieder hinunter zu kommen. Aber mit Reimars Hilfe schaffe ich es erst einmal nach oben und werde mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Es wäre schade gewesen, wenn mir das entgangen wäre. Der Ausblick ist sehr eindrucksvoll, alleine hätten wir diese Stelle mit Sicherheit nicht entdeckt. Uns eröffnet sich ein tolles Panorama. Rechter Hand ist ein großer Felsen, bei dem man wunderbar die einzelnen Gesteinsschichten erkennen kann. Er sieht aus wie eine gefüllte Torte in den Farben Lachs, etwas gelb und grün, darunter schlängeln sich unsere Superkurven. Nirgends in den USA erlebt man auf „relativ engem Raum“ so vielfältige Gesteinsformen, bizarre Canyons und grandiose Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Erde wie im südlichen Utah. Nachdem wir alles ausgiebig im Foto und Film festgehalten haben, kraxeln wir wieder hinunter, was mir mit Unterstützung auch gut gelingt. Wir waren heute schon bis 2800 m hoch, da war es zwar wieder etwas kühl, aber gegen gestern ist es durchaus auszuhalten, und ich bin doch sehr froh, wieder auf meinem Sozius sitzen zu können.  

Wir fahren weiter, und die Farben der Felsen wechseln jetzt ins Graue. Wir versuchen, Vergleiche anzustellen. Günter findet, die merkwürdigen Gebilde sehen aus wie Elefantenhaut. Uns erinnert eine Erhebung an den von Christo verhüllten Reichstag. Links im Hintergrund sieht man Felsen, die wie Hochhäuser im Märkischen Viertel aussehen.  

Am „Dirty Devil Rock“ überqueren wir bei Hite Crossing zwischen Glen Canyon und Cataract Canyon wieder den Colorado River, der sich ab hier in 130 Kilometer Länge zum Glen Canyon See aufstauen sollte, um danach seine gewaltigen Wassermassen durch den Grand Canyon Richtung Westen zu zwängen. Wir schauen von einer Anhöhe hinunter auf den „See“, aber wir sehen nur einen recht schmalen Fluss in einem grünen Tal. Monika und Klaus erzählen uns, dass das Tal im vorigen Jahr noch voll mit Wasser war. Sie sind hier damals mit dem Boot herumgefahren bis zu der Brücke, die wir linker Hand im Hintergrund sehen, sie überspannt den noch vorhandenen Fluss. Heute könnte man durch das grüne Tal zur Brücke laufen. Die meisten Flüsse und Seen auf unserem Weg sind ausgetrocknet oder nur kleine Rinnsale. Wir haben jetzt den höchsten Punkt unserer heutigen Etappe erreicht. Hier auf dieser Anhöhe stellt Joel die Fat Boy von Rudi, - der ausdrücklich Wert darauf gelegt hat, ohne Scheibe zu fahren, - auf einen Felsen, welcher etwas über den Abgrund ragt. Wieder haben alle die Möglichkeit, sich darauf fotografieren zu lassen, was auch gerne gemacht wird. Außer uns stehen hier noch einige Autos und Wohnmobile. Unterwegs sahen wir übrigens häufiger Wohnmobile, die ihr Auto hinten als Anhänger mitführten. Das waren nicht immer nur Kleinwagen, sondern sogar Vans. Auf unserer heutigen Tour sahen wir ein Wohnmobil, mit einem Wohnwagenanhänger. Vielleicht war der als Kinderzimmer gedacht.

Wir passieren auf unserem Weg die verschiedensten Gesteinsklüfte- und Erhebungen. Utah ist wahrhaftig „steinreich“! Das Farbspiel der verschieden Gesteinsgebilde, ein Wunder der Natur, ist stets aufs Neue faszinierend. Wieder lasse ich meine Phantasie spielen, um mir die Gegend besser einzuprägen. Manch Gesteinsblock sieht aus, wie eine Kakaotorte, manchmal puderig, oder auch leicht klumpig bestäubt, dann passieren wir wieder Wände, die wie von Menschenhand bearbeitet aussehen, so glatt geformt ist ihre Oberfläche. Auch einzelne höhere aber oben flache Gebilde sehen wir. Es fällt schwer, sie zu beschreiben oder zu fotografieren. Man bekommt immer nur einen kleinen Ausschnitt und kann auf diese Weise die unendliche Weite und Vielfalt nicht so richtig festhalten. Es gibt kein Ende, - nach der nächsten Kurve geht es immer wieder weiter.
 

Es ist unvorstellbar schön, aber so einsam.  Ein paar Autos kommen uns ab und zu entgegen, aber ansonsten gehört die Straße uns. Der Himmel ist jetzt ganz dunkel. Vor kurzem hat es hier geregnet. Einige Tropfen bekommen wir noch ab, aber sie stören uns nicht weiter, nach ein paar Minuten ist es schon wieder vorbei.  

Zur Mittagszeit erreichen wir das Örtchen Hanksville, das mit einer Tankstelle, zwei Gaststätten und einem Krämerladen aufwartet und damit zum lebensnotwendigen Zentrum wird in einer Gegend, in der durchschnittlich 0,3 Einwohner pro Quadratkilometer zu verzeichnen sind. Wir tanken und lassen uns dabei Zeit, die blaue Gruppe fährt an uns vorbei. Nanu? - Wir sind heute den ganzen Tag wieder zusammen gefahren, was in dieser einsamen Gegend überhaupt kein Problem ist. Eigentlich fuhren unsere Gruppen nur an den ersten beiden Tagen getrennt, als wir in belebteren Gebieten unterwegs waren. Als wir wieder auf unsere Bikes steigen, fahren wir nur eine Ecke weiter und kommen in ein Restaurant, wo unsere blaue Gruppe bereits zu Mittag isst. Das ist mal wieder sehr gut organisiert, sie sind fast fertig, auf diese Weise überfordern wir die Bedienung nicht so sehr. Die blaue Gruppe macht ihre Plätze für uns frei, und fährt inzwischen ebenfalls tanken. Leider klappt es mit dem Service trotzdem nicht so recht. Roland schaut schon hungrig auf unsere Teller, seine Bestellung haben sie vergessen. Er hat sich schon innerlich damit abgefunden, heute hungrig weiter zu fahren, da kommt endlich sein Essen, als der Rest der Gruppe schon fast wieder losfahren will. Auch mein Fishburger mit Salat kommt so spät, dass ich schon gar keine Lust mehr darauf habe, weil ich mich nicht so hetzen will. Aber die anderen warten draußen geduldig auf uns, nur Elke und Peter fehlen noch. Ihnen wurde statt des Essens gleich die Rechnung serviert. Sie bekommen ihre Mahlzeit dadurch noch später als wir. Natürlich warten wir, ohne zu murren. Das ist in Amerika auch etwas gewöhnungsbedürftig, - sowie man mit dem Essen fertig ist, wird einem die Rechnung auf den Tisch gelegt, die man meistens an einer Extrakasse an der Tür bezahlt. Leider passiert es häufiger, dass die Restaurants überfordert sind, wenn eine derart große Gruppe kommt. 

Endlich können wir weiterfahren, nachdem die blaue Gruppe auch wieder zu uns gestoßen ist. Wir haben in Hanksville unseren „Wendepunkt“ erreicht. Ab hier geht es in westlicher Richtung weiter. Auf der Road 24 fahren wir am Fremont River direkt zum 1000 Quadratkilometer großen Capitol Reef National Park, der im Unterschied zum Zion- oder Bryce- Canyon eher zu den Geheimtipps unter den Nationalparks gehört. Er zieht sich in Nord Süd Richtung an der Waterpocket Fold entlang, einer Faltung von Sandsteinschichten, die bei der Anhebung des Colorado-Plateaus vor etwa 65 Millionen Jahren entstand. Die Sandsteinklippen im Wüstenhochland des Capitol Reef zählen zu den spektakulärsten und farbigsten Erdfaltungen des Colorado River Plateaus, sie sind über 160 Kilometer lang und voller Bassins und Pools, die jede Menge Regenwasser hamstern können. Bereits in der Nähe des Visitor Center ragen die über 300 Meter hohen bunten Felskamine, welche die Navajo für den „schlafenden Regenbogen“ hielten, über den Fremont River hinaus. Hier liegen von der Natur aufgeschüttete Sandberge in der Gegend, wie wir sie von unseren Baustellen kennen.  

Man muss das alles gesehen haben,  aber leben möchte ich hier wirklich nicht. Die Landschaft ist mir zu karg und trocken, es gibt zu wenig Ansiedlungen und das Essen ist mir erheblich zu fett, wenn es auf dem Tisch steht, bin ich schon satt. Dabei esse ich gerne mal einen Burger, aber nicht jeden Tag.  

Über kurvige, einsame Straßen cruisen wir durch den Capitol Reef Nationalpark, setzen die Umrundung der Henry Mountains fort, schrauben uns bis auf 2800 Meter hoch und verlassen bei Torrey die Road 24 um nach links auf den Highway 12 in südlicher Richtung, auf dem Weg nach Boulder, abzubiegen. In der Abendsonne erleben wir noch ein traumhafte Stück Highway entlang eines Bergrückens, der sich kurvig gewunden ins Tal schlängelt. Günter hatte uns eine Stelle angekündigt, wo es neben der Straße rechts und links sehr steil hinunter geht, richtige Canyons. Höhenangst sollte man zwar nicht haben, die Straße ist aber normal breit, gepflegt und trotz der vielen Serpentinen gefahrlos zu befahren, man muss nur immer die Kurve kriegen. Hier ist die Gegend wieder grüner als zuvor. Vorbei an Boulder, mit den Anasazi Ruinen längst vergangener Indianerzeiten, erreichen wir unser Tagesziel Escalante. Das ist ein Städtchen, das mir gefällt. Allerdings ist auch hier rundherum Einsamkeit und Wildnis. Bis nach Las Vegas braucht man von hier immerhin noch sechs Stunden Fahrt durch Gesteinswüste. In Escalante stehen auffällig viele Steinhäuser, ansonsten sind die Gebäude in Amerika überwiegend aus Holz gefertigt. Aber hier gab es vor vielen Jahren einmal eine Ziegelfabrik, daher lag es nahe, die Häuser aus diesen Steinen zu bauen. 

Wir werden wieder gut empfangen. Günter bekommt bei unserer Ankunft einen kleinen Eimer, in dem die Zimmerschlüsselkarten in Umschlägen, mit Namen versehen, vorbereitet sind. Unsere Gruppe wohnt diesmal in der ersten Etage. Neben uns wohnen auf der einen Seite Joel und Sophia. Es erwartet uns wieder die übliche Ausstattung, allerdings besonders geschmackvoll mit rosa Bettdecke und dazu passender Auslegeware und alles wirkt besonders sauber. 

Günter ist immer bemüht, uns auch abends noch etwas Programm zu bieten. Er hatte bei der Vorbereitung der Reise Kontakt zu einem Ranger, namens Shannon Steed, der ihm anbot, für uns eine Gartenparty auszurichten. Günter unterbreitete uns heute im Laufe des Tages diese Möglichkeit. Wir waren einstimmig dafür, und er machte von unterwegs telefonisch den Termin für uns fest. Die Frau von Shannon, Jenifer, will für uns kochen und alkoholfreie Getränke anbieten. Für den Ausschank von Bier haben sie keine Lizenz, aber wir dürfen unser eigenes Bier mitbringen, Gläser stellen sie uns zur Verfügung. Na, das ist doch ein Wort. Im Motel treffen wir auf zwei Deutsche aus dem Saarland, die sich gerne mit uns unterhalten. Als sie hören, was wir heute Abend vorhaben, fragen sie, ob sie mitkommen können. Zu zweit ist es eben doch nicht so lustig, wie in der Gruppe. Günter telefoniert noch einmal mit Shannon, sagt ihm Bescheid, dass wir eingetroffen sind und fragt, ob wir noch zwei Leute mitbringen dürfen, aber die Plätze und das Essen sind genau für unsere Personenzahl hergerichtet. So müssen die beiden Herren leider ihr eigenes Programm gestalten. Nachdem wir uns frisch gemacht haben, sind wir zur Abfahrt bereit. Unser Gastgeber holt uns mit seinem Auto ab. Ich habe das Glück, auf dem Beifahrersitz Platz nehmen zu dürfen. Insgesamt vier Frauen fahren mit ihm, der Rest der Gruppe wird von Klaus in unserem Begleitvan befördert. Viele müssen hinten auf dem Boden sitzen, denn es sind nur zwei Reihen Sitzbänke im Van vorhanden. Der Platz ist natürlich für alle recht knapp. Da steigen Joseph und Manfred hinten auf den Anhänger und setzen sich auf das dort festgezurrte Ersatzmotorrad. So fahren sie tatsächlich durch die Stadt, und als Krönung blinken sie auch noch bei jedem Abbiegen. Herrlich, es ist doch eine schön verrückte Truppe. Der Weg durch die Stadt ist nicht allzu weit, Shannon erklärt uns noch einiges zur Geschichte von Escalante. Nach kurzer Fahrt stoppt er vor seinem hübschen Haus. Rechts davon steht ein alt aussehendes Holzhaus, das er uns als seine „Scheune“ vorstellt. Im Garten stehen einladende, hübsch gedeckte Tische mit rotkarrierten Tischdecken, ein kleine Bühne ist auch vorhanden, auf der ebenfalls gedeckte Tische stehen. Der eigentlich angekündigte Musiker kommt leider nicht. So gibt es Unterhaltung aus der Stereoanlage, das reicht ja auch. Neben dem Tisch, auf dem das Essen bereitgestellt wird, brennt ein gemütliches und wärmendes Lagerfeuer, um das sich so viele Gäste drängen, wie Platz vorhanden ist. Wir finden einen Tisch dicht neben dieser Wärmequelle. Das ist wirklich gut, denn wir haben heute während der Fahrt wieder so gefroren, dass uns nicht einmal die heiße Dusche auftauen konnte. Jetzt am Abend ist es natürlich auch nicht wärmer geworden. Trotz der Kälte ist es sehr gemütlich. Shannon begrüßt uns offiziell, erzählt noch einiges zu diesem Ort und gibt einige Anekdoten zum Besten. Günter, der perfekt Englisch spricht, übersetzt alles für uns. Tagsüber arbeitet unser Gastgeber in einem Sägewerk, seine Frau Jenifer ist Kellnerin. Die Feste auf ihrer Ranch „Wildwest Retreat“ sind ein willkommener Nebenerwerb. Pro Person nimmt er 15 Dollar dafür. Wir haben jeder 20 Dollar eingezahlt und Bier dazugekauft. Dann verteilt er Kugelschreiber mit seiner Adresse an uns, aber was steht darauf? „Dieser Kugelschreiber ist gestohlen vom Wild West Retreat“. Na, das ist ja gemein!. Wie alle Amerikaner, mit denen wir bisher zu tun hatten, ist auch er sehr nett. Er setzt Remo einen Cowboyhut auf, was diesen natürlich veranlasst, Sheriff zu spielen. Einen Sheriffstern hat Remo sowieso schon an der Weste. Nun ist er in seinem Element. Er „verhaftet“ erst Ingrid und dann Günter und ist ziemlich unerbittlich, auch als diese um Gnade betteln. Schon lange wollte Remo so einen Hut haben, aber Günter erklärt ihm, dass er ihn wieder zurückgeben muss. Doch Shannon schenkt ihm den Hut, und Remo ist absolut glücklich. Das Glück wird noch größer, als Shannon ihm auch noch sein Gewehr zeigt und er es sogar in die Hand nehmen darf. Dann ist das Essen fertig. Es gibt geschmorte Rippchen mit schmackhafter Soße, Kartoffeln, die mit Gemüse und Speck in einem großen Topf angerichtet sind, lieblich abgeschmeckte rote Bohnen in Soße, dazu gemischten Salat und selbstgebackenes Brot mit Honigbutter, das aussieht wie gebratenes Kotelett. Es schmeckt alles sehr lecker, das Fleisch ist schön weich und saftig und vor allem ist das Essen nicht so fett. Zu Trinken gibt es selbst gemachte Limonade, aber die meisten bevorzugen unser mitgebrachtes Bier. Leider habe ich es versäumt, die Limonade wenigstens zu kosten. Wir loben die gute Köchin. 

Natürlich können wir die „Scheune“ besichtigen, denn dort befindet sich auch die Toilette, die wir benutzen dürfen. Vor dem Hauseingang befindet sich eine Terrasse. Kommt man ins Haus, ist man sehr überrascht. Die äußerlich so alt aussehende Scheune entpuppt sich als niedliche Ferienwohnung, welche unsere Gastgeber selbst liebevoll ausgebaut haben und für einhundert Dollar am Tag vermietet. Das ist sicher recht teuer. dafür dürfen die Gäste allerdings auch ihr Pferd auf die Weide stellen. Kommt man ins Haus, befindet sich linker Hand die Einbauküche mit einem urigen Tresen aus sehr dickem Holz mit Stühlen davor. Im Raum hinten links ist das Bad mit WC eingebaut. Daneben steht ein Sofa, davor liegt ein Teppich. In der rechten Ecke brennt ein Kaminofen und verbreitet wohlige Wärme, davor stehen ein Sessel, ein Hocker und ein Fernseher. An der Wand hängt eine Flagge von Amerika (noch mit 49 Sternen). Gleich rechts vom Eingang führt eine sehr rustikale Holztreppe nach oben, bei der jede gut lackierte Stufe aus einem halben dicken Baumstamm besteht, und die ein Eisengeländer hat. Oben befindet sich links der offene Schlafplatz mit einem recht hohen Doppelbett aus dünneren Baumstämmen und mit hübscher Bettwäsche, davor ein Kleiderschrank und eine Kommode mit einem Fernseher darauf, alles passend und urig. Nach rechts verläuft die Galerie, die zum Balkon führt, und von der man ins Wohnzimmer hinab sehen kann. Es ist ein sehr gemütliches Haus, dem man den Beruf des Besitzers anmerkt, denn er hat mit Sicherheit eine besondere Beziehung zu Holz.

Reimar ist heute nicht mehr so gut in Form, und ich bin auch ganz schön müde. Daher beenden wir diesen wunderschönen Abend leider schon sehr früh. Für uns ist das ganz ungewöhnlich, meistens sind wir überall die letzten. Aber durch die Kälte verkrampft man sich so, das macht ganz kaputt. Außerdem macht sich nun wohl doch der sehr lange Fahrtag bemerkbar. Deshalb sind wir die ersten, die mit unserem Van zurück ins Motel fahren. Unser Ersatzmotorrad ist auch wieder besetzt, diesmal mit Josef und Bernhard, Joel steht daneben. Josef hat das Licht angeschaltet, und die Blinker leuchten in der Nacht noch intensiver als auf der Herfahrt. Das ist wirklich urkomisch, in Deutschland wäre das unmöglich. Es ist erst 9.00 Uhr p.m., trotzdem fallen wir halbtot und erfroren ins Bett. 

7. Übernachtung im Prospector Inn in Escalante –     Fahrstrecke: 510 Kilometer    

 

7. Tag, Samstag, 02.10.2004, 6. Fahrtag   Zum Anfang

Wieder stehen wir um sechs Uhr auf. Erstaunlicherweise fällt uns das nicht so schwer, denn wir freuen uns jeden Tag auf das Motorradfahren. Ich muß noch alles packen und mein Tagebuch weiterführen, sonst mache ich das immer schon abends soweit es geht, aber gestern waren wir einfach zu fertig. Obwohl ich gut geschlafen habe, fühle ich mich immer noch müde. Sicher macht das auch die Erkältung, mir ist ganz schubberig, so als hätte ich Fieber.
Wir starten heute um 7.30 Uhr. Wieder ist es sehr kalt, der Fahrtwind geht durch und durch. Ich friere sehr, und allen anderen geht es genauso. Auch heute begleiten uns die verschiedensten Felsen, dann fahren wir durch rosa Steine, die wie Türme geformt sind. Sie sind heller als unser Kakaogestein von gestern und sehen auf andere Art interessant aus, wirken wie Kirchtürme.
 

Nach ca einer Stunde Fahrzeit halten wir im Bryce Canyon Inn, um endlich zu frühstücken, denn im Motel gab es wieder nur Kaffee, Tee und heiße Schokolade, aber das reicht nicht lange aus. Darum freuen wir uns, endlich einzukehren. Wir sind zwar die ersten am Tisch, werden aber nicht bedient. Das ist schon etwas nervig, dabei wollten wir doch so gerne Zeit und Ruhe zum Essen haben, deshalb haben wir uns extra so beeilt. Elke und Peter sitzen mit an unserem Tisch. Dreimal haben wir die Bedienung angemahnt, sie sagte jedes mal ganz freundlich, dass sie kommt, bedient aber zuerst, einige Amerikaner, denen wir die Tür aufgehalten hatten, dann alle anderen aus unserer Gruppe, bis wir endlich als letzte an der Reihe sind. Bis dahin konnte man sich schon Kaffee und Tee holen, aber erstens hatten wir das heute schon und zweitens steht immer eine lange Schlange vor dem Automaten. Ich esse einen Pancake, der sehr fluffig und nicht zu süß ist, auf den Sirup und den cream verzichte ich. Reimar isst ein leckeres Käsesandwich. Das Restaurant wird von Mormonen bewirtschaftet, und wir kennen es ja inzwischen, dass die Bedienungen so einen großem Andrang kaum schafft.. Nachdem alle gefrühstückt haben, fahren wir weiter. Die Landschaft wird wieder etwas flacher und auch grüner.  

Wir erreichen den „nur“ 145 Quadratkilometer großen Bryce Canyon, der nach dem Mormonenehepaar Ebenezer und Mary Brice benannt wurde. Günter legt für jedes Motorrad zehn Dollar aus (das ist wohl der Einheitspreis für die Nationalparks), und wir können den Eingang passieren. In diesem Park wachsen noch die inzwischen selten gewordenen Bristlecone Pines, eine Kiefernart, die über 4500 Jahre alt werden kann. Deshalb ist es besonders bedauerlich, dass es auch hier im vorigen Jahr gebrannt hat, rechts und links der Straße sind die Bäume teilweise ganz schwarz verkohlt. An einer Baustelle stauen sich die Fahrzeuge, und wir müssen eine ganze Weile warten, bis es weiter geht. Der Bryce Canyon mit seinen anmutigen Steinsäulen sieht in der Morgensonne besonders beeindruckend aus. Die Bezeichnung „Canyon“ stimmt für Bryce eigentlich gar nicht, im Grunde ist er eine an ihren Rändern heftig ausgefranste, hufeisenförmige Schüssel. Um die Erhabenheit der Naturwunder sprachlich in den Griff zu bekommen, hat man sich vieler Begriffe der Mythologie bedient von „Thor’s Hammer“ über den „Garten der Königin“ bis zum Tempel der Osiris“. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten konzentrieren sich im so genannten Amphitheater am nördlichen Ende des Parks. Wenn man am Rand dieses Beckens steht, fühlt man sich tatsächlich an ein gewaltiges Naturtheater erinnert. Sein zerklüftetes Inneres besteht aus skurrilen Steinfiguren, die sich wie Schauspieler zum großen Finale auf einer Bühne einfinden. Schon lange, bevor die ersten weißen Siedler in dieser Gegend auftauchten, verehrten die hier lebenden Paiute-Indianer den Canyon als einen heiligen Ort. Das ist auch für den modernen Menschen durchaus nachvollziehbar, weil man sich kaum vorstellen kann, dass durch die Kräfte der Natur, durch Regen, Eis und Wind, eine so bizarre und zugleich zerbrechlich wirkende Landschaft entstehen kann, ohne dass dabei höhere Instanzen ihre Hand im Spiel hatten. 

Wir erkunden den relativ kleinen Park mit seiner Panoramastraße auf unseren Bikes, halten am ersten Aussichtspunkt wo wir zwischen vielen roten Felsen, die wie Türme emporragen, eine „Brücke“ aus Stein mit einem großen Loch in der Mitte fotografieren können. Wir werden hier an die Felsen im Atlantik an der Algarve in Portugal erinnert, alles ist nur noch viel mächtiger. Der zweite Aussichtspunkt, den wir ansteuern, ist noch größer. Der Parkplatz ist ordentlich voll. Günter bleibt bei den Motorrädern während wir ein Stück laufen müssen, um den wunderbaren Rundumblick auf die roten Felsen mit vielen Türmchen in verschiedenen Größen zu genießen. Wir gehen den Weg etwas weiter und sehen regelrechte Höhlenlöcher in dem Gestein. Es ist ein phänomenaler, unvergesslicher Anblick. Zwanzig Minuten haben wir Zeit, alle Eindrücke aufzunehmen bis wir weiterfahren Richtung Old Bryce Town. Das ist eine alte Cowboy Stadt, in der es nur Shops und Restaurants gibt. 

Es wird endlich merklich wärmer, und der Fahrtwind wird angenehmer. Wir fahren noch an einigen Felsgebilden vorbei, biegen nach links auf den Highway 89 Richtung Süden ab. Die Tour geht weiter über verträumte Landstraßen, vorbei an einzelnen großzügigen Ranches und kleinen Dörfern. Die Häuser sind hier schon etwas hübscher als im Indianergebiet, die Gegend wird wieder etwas grüner als zuvor. Wir müssen dringend tanken, unsere Reservelampen leuchten schon. Auf der linken Straßenseite sehen wir einen interessanten Felsen, beige mit fast gleichmäßigem Muster, wie von Menschenhand bearbeitet. Es ist doch immer nur kurze Zeit etwas grüner, auch auf der rechten Seite kommen wieder vermehrt Felsen. Wir durchfahren zwei kurz hintereinander stehende gelbe Felslöcher (wie kurze Brücken), die über die Straße gehen, wahrscheinlich wurden sie in die Felsen gebohrt, damit die Straße weitergehen kann, es sieht sehr interessant aus. Die Gegend ist recht hübsch, nicht mehr ganz so hoch, rechts und links gibt es immer wieder kleinere Erhebungen, die total glatt geschliffen aussehen. Sie sind aus rotem Stein teilweise mit schönen grünen Büschen und sogar mit einigen Bäumen bewachsen. Das ergibt ein tolles, kontrastreiches Farbenspiel.  

Bei Mount Carmel Junction verlassen wir den Highway 89 wieder, um auf die Straße neun nach rechts abzubiegen und in westlicher Richtung weiterzufahren, bis wir zur Einfahrt des 600 Quadratkilometer großen Zion National Parks kommen, dessen steile, fast senkrechte Felswände und tief eingeschnittene Schluchten bis ganz dicht an die Straße reichen. Wieder ist das Gestein anders gemustert als zuvor und sehr interessant. Es ist rosafarben, teilweise ist sogar schwarz dazwischen, und es wirkt fast wie Marmor, nur nicht so blank. Die Landschaft besteht neben den Canyons aus Steilabbrüchen, Felsdomen und Zinnen. Verschieden große glatte Steinplatten haben sich vor Jahrtausenden übereinander geschoben. Wir durchfahren sogar einen kurzen und einen längeren Tunnel. Das ist ungewöhnlich, denn die Amerikaner graben kaum irgendwo Tunnel, was bei dieser versteinerten Erde nicht weiter verwunderlich ist. Endlich kommen wir zu einem großen Parkplatz, der schon recht voll ist, weil es im Zion Park kaum Möglichkeiten zum Anhalten gibt. Nach einer kurzen Besprechung geht es in vielen Windungen, auf dem Highway Nr. 9 über eine wunderbare Serpentinenstraßen weiter hinunter zum östlichen Parkausgang. Die Strecke ist wieder nach unserem Geschmack. Sie erinnert uns an die Dolomiten, die allerdings dagegen wie ein Mittelgebirge anmuten. Da wir ziemlich weit vorne fahren, sehen wir das Ende unserer Gruppe vor der letzten Kurve direkt über uns, so dicht sind die Serpentinen. Wir können uns direkt zuwinken. Unsere Truppe fährt immer noch sehr diszipliniert, jeder behält seit dem ersten Fahrtag seine Position. Das empfinde ich als sehr angenehm, es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, weil es der einzige Fixpunkt auf einer Reise ist, bei der man jeden Tag an einem anderen Ort ist, ob zum Schlafen oder zum Essen. Auch das versetzte Fahren klappt nach wie vor wunderbar, dafür hat Günter unsere Gruppe gestern sogar gelobt. Auch für ihn ist es dadurch ziemlich stressfrei, obwohl er immer zuerst an uns denkt, damit alles klappt und jeder zu seinem Recht kommt. Wir fühlen uns durch unser Team absolut gut betreut. Günter weiß immer wann und wie lange Pausen gemacht werden, wann und wo getankt werden muss, wo es etwas zu Essen gibt, ja, sogar was in den einzelnen Restaurationen angeboten wird, erfahren wir schon vorher von ihm. Unsere Guides kennen ganz genau den Weg und achten darauf, dass niemand verloren geht. Es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich sage, wir fühlen uns von ihrer Fürsorge umhüllt und rundum sicher. Joel fährt stets als erster und ist ein hervorragender Wegbereiter, hoffentlich macht Sophia schöne Videoaufnahmen. Klaus ist ein sehr ruhiger, netter Mensch, der ganz hervorragend unser Gepäck befördert, das er jeden Tag für uns ein- und wieder ausladen muss. Er sorgt auch täglich für ausreichend Getränke, die er für uns auf Eis legt. Manchmal ist es für ihn sicher schwierig, mit dem Auto samt Anhänger die engen Kurven zu fahren, die natürlich mit den Motorrädern viel leichter zu bewältigen sind.

In Rockville verlassen wir den Zionpark und die nächste Stadt, Hurricane, kündet schon mit deutlich höheren Temperaturen von der Nähe der Wüste. Langsam legen wir wieder Kleidung ab. Es ist nach den kalten Temperaturen der letzten Tage, denen wir bis heute früh ausgesetzt waren, eine Wohltat, den warmen Fahrtwind zu spüren. Die Lüftungsschlitze an unseren Jacken können wir nun wieder öffnen.

An der Kreuzung Carmel Juction machen wir unsere Mittagspause. Hier stehen schon wieder die ersten Palmen, die uns die wärmere Gegend verkünden. Ich kann Wärme viel besser aushalten als die schreckliche Kälte. An dieser Kreuzung gibt es verschieden Gaststätten, auch Fast Food kann man essen. Wir entscheiden uns für ein schönes Restaurant und haben Glück, die Bedienung hat alles gut im Griff. Diesmal sitzen wir mit Petra und Josef am Tisch. Ich esse ein Schinken-Käse-Sandwich mit Kartoffelsalat, der mit Curry abgeschmeckt ist, wie ich ihn zu Hause zubereite. Das war eine gute Wahl, Reimar entscheidet sich für Lasagne.  

Nach der Pause wird die Gegend wieder flacher, die Berge ziehen sich weiter zurück, das Land davor sieht saftiger aus. Links dicht neben der Straße schlängelt sich in vielen Kurven ein kleiner Fluss entlang, der Virgin River. Wo immer Wasser in Amerika ist, haben sich Menschen angesiedelt. Wir passieren viele Ortschaften, vereinzelte Ranches und auch etwas größere Städte. Die meisten Flüsse führen dieses Jahr kein Wasser, sie sind ausgetrocknet, oder nur noch kleine Rinnsale. Ich hätte große Angst vor Wassernot, aber die Amerikaner gehen ziemlich sorglos mit diesem kostbaren Gut um. 

Beim letzten Halt hat Elke ihre Jacke ins Seitencase gepackt und vergessen, es zu schließen. Das sieht sehr komisch aus. Wir passen auf, dass nichts herausfällt, weil wir ja direkt hinter ihnen fahren. Meine einzige Sorge ist, dass der Wind den Deckel abreißen könnte. Da wir aber bald tanken wollen, hoffe ich, dass bis dahin nichts passiert, doch dann fährt Kalle vor und sagt Bescheid, worauf Peter anhält und den Deckel schließt. Kurz danach erreichen wir die Tankstelle, bis dahin hätten sie es sicher auch noch geschafft. Unser Tagesziel ist heute Las Vegas, das Günter unbedingt erst im Dunklen erreichen will, damit wir die beeindruckenden Leuchtreklamen von Las Vegas bei unserer Ankunft erleben können. Nach dem Tanken diskutieren wir mit Günter, ob wir die Autobahn, auf der wir jetzt weiterfahren müssen, bis kurz vor unser Hotel in Las Vegas fahren oder ob wir den ganzen wunderbar erleuchteten Las Vegas Boulevard entlang donnern wollen. Joel weiß zu berichten, dass wir in diesem Fall 36 Ampeln mit unseren 22 Motorrädern und dem Van zu bewältigen hätten. Die Gruppe ist eigentlich zu groß dafür, denn heute ist Samstag, und es herrscht extrem viel Verkehr in Las Vegas, weil sehr viele Menschen am Wochenende zum Spielen dort hinfahren. Zuerst wollten wir die Gruppe teilen, Günter wollte den ganzen Boulevard mit allen fahren, die noch Lust dazu hätten, Joel würde den Rest der Gruppe direkt zum Hotel führen. Nach langer Diskussion kommen wir aber zu dem Entschluss, dass wir alle zusammen den direkten Weg nehmen werden und die Fahrt über den Strip auf Sonntagabend 19.00 Uhr verschieben. Wir sind seit fast zwölf Stunden unterwegs, da ist die Konzentration für so ein abenteuerliches Unternehmen nicht mehr groß genug. Bevor wir weiterfahren, wechselt Reimar noch die Brillen, es wird langsam dunkel, da nimmt er lieber schon jetzt die Sonnenbrille ab.  

Dann fahren wir auf die Interstate Nr. 15. Die Auffahrt hätten wir niemals alleine gefunden. In der Ferne begleiten uns noch immer die Berge bis nach Las Vegas. Nach der Einsamkeit der uns vertrauten Landstraßen ist der starke Verkehr auf der Autobahn ziemlich ungewohnt für uns, aber es fährt sich sehr gut. Unsere Gruppe bleibt dicht zusammen, und es ist selten, dass sich ein anderes Fahrzeug mal kurz zwischen uns drängt, und wenn, dann nur, um die Autobahn an der nächsten Ausfahrt zu verlassen. Wir streifen für einige Meilen den Bundesstaat New Mexico, bevor uns die „Highway Bilboards“ Nevadas, jene großflächigen Werbetafeln entlang der Straße, unübersehbar auf das nahende Las Vegas aufmerksam machen. 

Es wird sehr schnell dunkel. Plötzlich stellt Reimar fest, dass unsere versetzte Reihe nicht mehr stimmt. Rudi, der sonst immer direkt vor uns fährt ist nach vorne zu Joel gefahren, um Bescheid zu sagen, dass er mit seiner Sonnenbrille nicht mehr richtig sehen kann. Da ist er wohl nicht der einzige in der Truppe, auch Thorsten hat auch noch seine Sonnenbrille auf und ist froh, als wir die Autobahn bei der nächsten Gelegenheit verlassen. Wir fahren über eine Straße und nehmen sofort wieder die Autobahnauffahrt, halten aber direkt darauf an. Da wir da noch nicht wissen, was los ist, sagt uns Joel Bescheid, dass Rudi nur seine Brille wechseln will. Günter fährt sofort nach vorne, um fürsorglich zu sehen, ob seine Hilfe gebraucht wird. Als er erfährt, dass alles in Ordnung ist, wendet er auf der Auffahrt und fährt wieder nach hinten auf seine Position zurück. Gut, dass wir nicht erwischt werden. In Deutschland wäre diese Aktion unmöglich. Dann bewältigen wir noch den Rest der heutigen Route. Am Horizont erheben sich graue, abweisende Bergketten, die erst durch das Licht des späten Tages in satte Bernsteinfarben getaucht werden. Es dauert nicht mehr lange, da können wir die Erhebungen in der Ferne nur noch erahnen. Sie sind nicht mehr sehr hoch, davor liegen weite Wiesen und wir sehen die Lichter von vereinzelten Farmen, Orten und Städten, mal näher, mal weiter entfernt. Es wird langsam wieder kühler, daher schließe ich meine Lüftungsschlitze an der Jacke und, schaue ganz gespannt nach vorne, ob der Himmel von den vielen Lichtern in Las Vegas schon heller wird. Das ist jedoch nicht der Fall, aber plötzlich sieht man in der Ferne im Tal ein langes, sich streckendes helles Band. Nachdem wir so lange durch die atemberaubenden Jahrmillionen alten Gesteinsformationen gefahren sind, treten wir nun ein in die moderne Neonwelt der Neuzeit. Las Vegas liegt vor uns im Tal, die Stadt bei der die Nacht zum Tag wird! Das ist der Anblick, den Günter uns unbedingt zeigen wollte, wir können ihn noch eine ganze Weile genießen, er ist einmalig schön.

Wir erreichen Las Vegas von Norden her und verlassen die Autobahn an der Flamingo Road East, um bald auf den Las Vegas Boulevard abzubiegen. Jetzt wird es anstrengend! Keiner möchte den Anschluss verlieren, aber es sind bis zu unserem Hotel doch noch ein paar Ampeln zu bewältigen. Einer fährt sogar noch bei Rot über eine Kreuzung, dabei wissen wir alle, wo wir hin müssen und ganz hinten fährt noch der ortskundige Bernhard und natürlich unser Servicebus.  

In Las Vegas stehen insgesamt 13 der 15 größten Hotels der Welt. Allein rund um die Kreuzung Las Vegas Boulevard und Tropicana Avenue hat der Gast die Qual der Wahl unter 21000 Zimmern, was etwa dem halben Kontingent aller Hotels in San Francisco entspricht. Das MGM kann beispielsweise über 10000 Gäste beherbergen. Selbst verwöhnte Hotelgäste reiben sich in Las Vegas verwundert die Augen, angesichts der außergewöhnlichen Vielfalt an Übernachtungsmöglichkeiten. Wer ein oder zwei Jahre nach einem Las Vegas Besuch erneut in die Stadt kommt, wird sie, wegen ihres phänomenalen Wachstums nicht ohne weiteres wieder erkennen, Der Boom macht sich nicht nur in steigenden Einwohnerzahlen, sondern auch in einem wahren Bauwahn bemerkbar. Kein Jahr vergeht ohne neue Erweiterungspläne oder Eröffnungen größerer und luxuriöserer Hotelcasinos, die immer verrückteren Themen gewidmet sind. Das New York-New York mit einer Kopie der Freiheitsstatue, hinter der die Miniatur-Skyline von Manhattan aufragt, oder das Treasur Island, wo man sich in eine karibische Piratenbucht versetzt fühlt. Jeden Tag kann man erleben, wie hier ein Schiff versinkt. Die Gäste werden in aufwändig inszenierte Traumwelten entführt. So erleben die Besucher zum Beispiel vor dem Mirage, dem einstigen Auftrittsort der Showkönige Siegfried und Roy, einen künstlichen Feuer speienden Vulkan, außerdem wartet das Mirage mit einem echten Regenwald auf. 

Heute ist es fast unvorstellbar, dass dieses schillernde Paradies Las Vegas einst aus einer bescheidenen Mormonensiedlung entstand. Die Geschichte der Neonglänzenden Glücksspielmetropole mitten in der Wüste Nevadas begann eigentlich erst in den dreißiger Jahren, als am Colorado der riesige Hoover-Staudamm gebaut wurde. Damals lebten viele Arbeiter in Camps in Las Vegas, wo per Eisenbahn der größte Teil des Baumaterials ankam. Ohne die am Hoover-Damm produzierte elektrische Energie und ohne das aus dem Colorado „abgezweigte“ Wasser wäre die heute rund 370000 Einwohner zählende Stadt nicht lebensfähig. Autobahnbreite Boulevards und dreißigstöckige Luxushotels, Lichteralleen, welche die Nacht zum Tag machen, Casinos, so groß wie Flughäfen, und ein selbst für Amerika außergewöhnliches Aufgebot an Showprominenz, - dieses Gesicht legte sich Las Vegas erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Damals betrachteten die Könige der Unterwelt den Wüstenflecken als geeigneten Ort, um mit Casinos schnelles Geld zu machen. Am Las Vegas Boulevard, dessen südlicher Teil alle Welt „The Strip“ nennt, entstanden die ersten Glücksspielpaläste.

Die eigentliche Entwicklung setzte aber erst in den sechziger Jahren ein, als „Caesars Palace“ am südlichen Strip mit dem ersten Themencasino den Weg in die Zukunft wies. Tempelanlagen, Skulpturen aus Marmor und Bronze und Legionäre aus Pappmaché-Rüstungen schufen ein Ambiente wie im alten Rom. Im unterirdischen Forum, einer antiken Einkaufsstraße, entstand unter einem künstlichen Himmel ein Zeusbrunnen. Apollo, Pluto und Venus weisen Konsumenten, denen die Brieftasche zu locker sitzt, den Weg in die Niederlassungen von Gucci oder Louis Vuitton  

In den Neunziger Jahren explodierte die Glücksspielindustrie in Nevada förmlich. Der eigentliche Casino- Kern verlagerte sich von Downtown an den südlichen Strip, wo sich ältere Glücksspielstätten wie das „Tropicana Casino“ plötzlich einer fast übermächtigen Konkurrenz gegenübersahen. Neben dem altägyptischen „Luxor, dem mittelalterlichen „Excalibur“ und der Manhattan-Kopie „New York-New York eröffnete das riesige Hotel Casino „MGM“, von außen ein futuristisches Gebirge aus grünem Glas. Wer glaubt, dass den Planern langsam die Themen ausgehen, täuscht sich. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kamen offenbar europäische Themen in Mode, wie etwa das „San Remo“ oder die amerikanischen „Ableger“ der Städte Paris und Venedig zeigen.

Ziemlich am Ende des Boulevards haben wir unser Ziel erreicht: Das Luxor Hotel, entpuppt sich als eine, von Palmen, altägyptischen Skulpturen und einer Sphinx umgebene, 107 Meter hohe Riesenpyramide, welche die Epoche der Pharaonen lebendig werden lässt. Die Fenster der Hotelanlage sind stockdunkel, kein Licht dringt nach außen, der gesamte Komplex erscheint schwarz und wird nur von den Lichtern und Scheinwerfern in seiner Umgebung erhellt. Lediglich die Spitze der Pyramide beinhaltet einen starken Scheinwerfer, der seinen hellen Strahl zum Himmel schickt, um auf diese Weise schon von weitem auf das Hotel-Casino aufmerksam zu machen. Wir biegen rechts ein und wollen eigentlich ganz eindrucksvoll einmal am Eingang des Hotels vorbeifahren, sind dann aber froh, nach einigem Suchen, die Garage zu finden. Ein großes Lob geht an unsere Guides, die es trotz des Verkehrs geschafft haben, uns alle zusammen durch diese quirlige Stadt gebracht zu haben. Nach einem langen Fahrtag – 440 Kilometer in 12 Stunden, sind wir alle erledigt. Die Ampelphasen am Schluss machten unseren Fahrern eine Menge Arbeit mit dem Schalten und kosteten uns die letzten Nerven. Günter bekommt ein dickes Lob und ein Küsschen für diesen Tag. Unsere Motorräder haben ihr Bettchen gefunden und stehen zusammengeschlossen im Parkhaus. Nach dem obligatorischen Ankunftsbier, wird das Gepäck ausgeladen, und die endlos lange Wanderung mit unseren Koffern durch das Parkhaus und durch das Hotel, vorbei an den ganzen Spielautomaten und Spieltischen, auf der Suche nach der Rezeption, nimmt ihren Lauf. Bernhard soll zuerst einchecken und uns seine Zimmernummer geben, damit wir in dem großen Hotel wenigstens einen Ansprechpartner finden. Er bekommt sein Zimmer (Nr. 4212) im Westtower und bittet an der Rezeption, unsere Gruppe zusammen dort unterzubringen. Wir gehen extra alle zum selben Schalter, bei den meisten klappt es auch. Reimar ist der Dritte nach Bernhard und bekommt Zimmer Nr. 3324. Josef und Petra checken gleich nach ihm ein. Dann traben wir gemeinsam zum Westtower. Wir fahren mit dem Lift in die dritte Etage und finden unsere Zimmernummer dort nicht. Zum Glück kommt ein Hotelangestellter vorbei, den wir fragen können. Unser Zimmer liegt im Osttower, na, toll! Wir müssen wieder hinunterfahren, vorbei an der Rezeption und den Osttower suchen. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Hinweisschilder an der Decke geben nur spärlich Auskunft, Hauptsache, man findet die Spieltische, aber die sind ohnehin nicht zu übersehen.! Mir fallen fast die Arme ab, weil ich die Helmtasche und die Jacken trage, ich bin müde und sauer. In diesem großen Hotel habe ich Orientierungsschwierigkeiten und werde erst froh sein, wenn ich mein Bett gefunden habe. Endlich stehen wir vor dem richtigen Zimmer. Die Nebentür ist aufgebrochen, die Türumrandung fehlt. Das sieht ja sehr vertrauenswürdig aus. Wir kommen in ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, wieder mit zwei Doppelbetten, einem großen, indirekt beleuchtetem Schrank aus schönem Holz, mit drei Doppeltüren, die durch grüne Säulen voneinander getrennt sind. Hinter der linken Tür befindet sich eine Kleiderstange, in der Mitte steht der Fernseher und darunter gibt es drei Schubkästen. Hinter der dritten Doppeltür verbirgt sich ein Bügelbrett mit Bügeleisen. Vor dem Fenster stehen zwei Sessel und ein kleiner runder Tisch, die Gardinen und der Teppichboden (Auslegware mit Eingewebtem Mittelteppich) harmonieren farblich zusammen. Rechts neben dem Eingang ist das Bad. Der Waschtisch an der rechten Seite ist aus Marmor, dahinter befindet sich eine Wand, hinter der die Toilette zu finden ist. Neben der Toilette hängt ein Telefon an der Wand. So etwas kenne ich nur aus Krankenhäusern oder Kurkliniken. Hier vermute ich, dass die Snobs nach dem Toilettengang zum Telefon greifen, damit ein Angestellter kommt und ihnen den Hintern wischt. Gegenüber der Toilette befindet sich eine große Dusche mit Goldgerahmter Glastür (ca 100 cm X100 cm), gegenüber vom Waschtisch steht die Badewanne. Natürlich gibt es wunderbare Armaturen, alles in Gold. Die Wände seitlich und über dem Waschtisch sind verspiegelt, dadurch kann man sich gut von allen Seiten sehen. Einen beleuchteten Vergrößerungsspiegel und einen Fön gibt es natürlich auch. Ich bin so fertig, mir ist alles egal. Eigentlich will ich hier nicht sein. Ich will wieder in die Wüste!!! Nie im Leben würde ich freiwillig in so ein großes Hotel mit 22 Etagen in zwei Wohntürmen und 4465 Zimmern ziehen. Aber in Las Vegas geht das nicht anders. Es gehört ja zu dieser Reise auch dazu, aber es ist nicht mein Stil, ich brauche einfach keine goldenen Wasserhähne! Die Leute unten in der Spielhalle sehen auch nicht danach aus, als würden sie ein Bügelbrett brauchen. Sie laufen im Shorts und T-Shirt umher, sehen zumeist nicht gerade sehr gepflegt aus. Na, Hauptsache, sie lassen genug Geld hier. Ich falle in den Sessel, heule erst mal. und schwöre, dass ich bis zur Abreise übermorgen das Zimmer nicht verlassen werde. Ich werde auch nichts essen und schon gar nicht spielen, keinen Cent gebe ich dafür aus! Obwohl man, sowie man in einen Automaten Geld hineingesteckt hat, kostenlos etwas zu trinken bekommt. Es gibt Automaten mit verschieden hohen Einsätzen, wir sahen welche mit 25 Dollar, aber es gibt auch welche, wo man schon für 25 Cent spielen kann, da lohnt sich das  Spielen für einige Leute. Ich verzichte aber gerne drauf. Ich dusche noch mit Mühe und Not und falle um 10.00 Uhr p.m. ermattet in mein Bett, will nichts mehr hören oder sehen und schlafe sofort ein. Reimar hat Hunger und geht noch einmal aus dem Zimmer, Hauptsache, er findet nachher wieder zurück. Er kommt wohl bald wieder, macht sogar Licht an und isst sein mitgebrachtes Sandwich. Er spricht auch zu mir, aber ich antworte ihm nicht, mir ist alles egal, ich schlafe weiter. Dann kommt er auch ins Bett. Die anderen Gruppenmitglieder haben noch Kondition und ziehen zum großen Teil noch los, um das bunte Treiben zu genießen. Sie probieren den kurzen Zug aus, der auf Hochschienen vor unserem Hotel fährt und drei benachbarte Hotels miteinander verbindet  das Luxor, das Mandalay Bay, in dem Vitali Klitschko im Dezember seinen nächsten Boxkampf bestreiten wird, und das Excalibur, das mit seinen roten Türmchen wie ein Märchenschloss aus 1001 Nacht aussieht.  

8. Übernachtung im Luxor Hotel & Casino in Las Vegas   Fahrstrecke: 440 Kilometer   

 

8. Tag,  Sonntag, 03. Oktober 2004,  kein Fahrtag     Zum Anfang

Um 8.00 Uhr wache ich gut erholt auf. Meine Stimmung hat sich gebessert. Den heutigen Tag können wir ganz für unsere persönlichen Interessen nutzen. Kein Wunsch muss in Las Vegas unerfüllt bleiben. Vom Hubschrauber- Rundflug und Shopping vom Feinsten, bis zu den weltweit einzigartigen Unterhaltungsprogrammen der Casinos bietet diese Stadt wirklich alles. Es soll Leute geben, die einen ganzen Urlaub hier verbringen, und nicht wenige sollen gleich für immer hier geblieben sein. Das wäre für mich undenkbar, obwohl ich mich inzwischen etwas beruhigt habe. Wir ziehen uns „fein“ an, was man hier eigentlich wirklich nicht braucht, die Leute sehen aus, als gehen sie zum Strand, in sehr legerer Kleidung sitzen sie schon morgens unten an den Automaten. Viele fette, alte und auch behinderte Menschen sitzen dort und verspielen ihr Geld, man kommt sich fast vor, wie in einem Altenheim und ist erstaunt, dass sich so kranke und alte Menschen diesen Stress noch antun. Als wir gestern ankamen, sah ich tatsächlich einen Rollstuhlfahrer direkt vor der Autobahnauffahrt stehen, als wollte er mit seinem Rollstuhl auf die Autobahn fahren. Es ist kaum zu fassen.  

Wir frühstücken im Hotelimbiß mit Kaffee, Tee, einer Marzipantasche und einem französischen Hörnchen. Es schmeckt gut und reicht auch, denn wir haben uns schon im Zimmer ein Sandwich geteilt, das Reimar gestern für mich mitgebracht hatte. Danach sehen wir uns in dem Hotel um und fotografieren die wirklich geschmackvolle, etwas kitschige Inneneinrichtung (es gibt sogar zwei echt aussehende, sprechende Kamele), die dem Namen des Hotels gerecht wird, alles ist im ägyptischen Ambiente gehalten.  

Als Reimar mich vor einer Sphinx ablichten will, bietet uns ein älterer Herr an, uns beide zu fotografieren. Seine Frau, die an zwei Krücken läuft, sagt plötzlich in feinstem Deutsch: “Es hat gar nicht geblitzt.“ Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählen uns, dass sie seit sieben Jahren jedes Jahr für eine Woche hierher kommen. Sie sind vor 40 Jahren nach Kanada ausgewandert und genießen das bunte Treiben in Las Vegas. Die Frau hat neue Hüften, und der Mann läuft ebenfalls nach einer Knieoperation am Stock. Gestern waren sie in einer Show, die 125 Dollar gekostet hat, das war zwar teuer, aber toll. Sicher können sie sich das leisten, es ist ja auch wunderbar, dass sie noch so aktiv leben. Obwohl sie meinen, dass sich hier die Gegebenheiten mit den Jahren verschlechtert haben. Mir wäre so eine Show nicht soviel Geld wert, aber einige von uns besorgen sich für heute Abend auch Karten. Ich wäre höchstens zu Siegfried und Roy ins Mirage gegangen, aber das geht ja nun nicht mehr.  

Um 10.00 Uhr a.m. treffen wir uns mit Günter an den Motorrädern, um seine Harley zur ersten Inspektion zu bringen. Er will uns anschließend den Harley Laden und das Outlet Center zeigen. Als wir los wollen, fehlen Jürgen und Thorsten, Günter schaut natürlich sofort nach. Thorsten hat sein Schloss am Hinterrad vergessen, beim Anfahren ist gleich die Bremsscheibe entzwei gegangen. Gut, dass wir gerade zur Werkstatt fahren, wo zum Glück auch sonntags gearbeitet wird. Klaus fährt heute das Ersatzmotorrad, damit er Günter nachher mitnehmen kann, denn dessen Harley muss bis zum Nachmittag in der Werkstatt bleiben. Thorsten lässt seine Fat Boy auch dort und fährt solange bei seinem Vater auf dem Sozius mit. Die Reparatur wird leider ein teurer Spaß für ihn und ist zum Glück die einzige kleine Panne, die wir in der ganzen Zeit haben. Wir sehen uns inzwischen in dem Geschäft um. Dann geht es am Flughafen von Las Vegas vorbei, der dicht bei unserem Hotel liegt, zum Outlet Center. Die meisten gehen noch nicht in das Einkaufs Zentrum, sondern fahren gleich mit Günter weiter zum großen Harleyladen. Nur Jürgen, Thorsten und wir beide bleiben dort und schlendern durch die Geschäfte. Da wir keine Harley besitzen, benötigen wir kein spezielles Harley Zubehör, dafür sind wir daran interessiert, uns in Amerika Jeans zu kaufen, die hier nur halb so teuer sind wie bei uns und wir werden wohl kaum noch einmal Gelegenheit haben in ein Jeansgeschäft zu kommen. So nutzen wir die Zeit für uns, und finden für Reimar eine blaue Jeanshose mit ausgestelltem Bein und eine schwarze Regular von Levis. Er hat für die zwei Paar Marken Jeans 54,98 Dollar bezahlt (ca. 49,00 €), dafür bekommt man in Deutschland kaum eine gute Jeans. Für mich finden wir nichts, aber das ist auch nicht so wichtig. Danach essen wir in dem Center noch jeder ein Stück Pizza, die uns sehr gut schmeckt und trinken dazu einen leckeren Ananassaft. Gut gestärkt suchen wir nach einem Telefon und schaffen es nach vielen Fehlversuchen mit unserer Telefonkarte zu Hause anzurufen, wo man sich freut, endlich von uns ein Lebenszeichen zu bekommen. Auf dem Rückweg treffen wir Peter, Josef und Petra auf einer Bank sitzend. Sie warten auf Elke, die sich in einem Jeansladen umsieht, Peter ist schon ganz geschafft. Als wir genug vom Einkaufen haben, fahren wir zurück zum Hotel, um uns noch ein paar Stunden am Pool zu vertreiben. Gleich am Eingang liegt Manfred auf einer Liege und lässt sich bräunen, es scheint so, als wäre er eingeschlafen. Die Liegen stehen fast alle in der prallen Sonne, nach längerem Suchen finden wir aber doch ein schönes, schattiges Plätzchen in einer Ecke, direkt am Pool. Ich hole uns Handtücher für die Liegen. Der Mann an dem Verteilerkiosk legt mir einen Stapel mit acht zusammengebundenen Badetüchern hin. Als ich frage, ob ich zwei Stück haben darf, meinte er, ich könnte nehmen, soviel ich haben möchte, wenn gewünscht kann ich alle haben. Na, das ist doch die reinste Verschwendung, bei dem wenigen Wasser, das wir in den Flüssen gesehen haben und der Dürre rundherum fehlt mir dafür das Verständnis. Wenn es in Las Vegas eines Tages kein Wasser mehr gibt, können sie ihre Spielhallen und Hotels zumachen.  

Es ist schön erholsam, nach den „unruhigen Tagen“ auf dem Motorrad mit all den vielen neuen Eindrücken, ruhig auf der Liege zu relaxen. Ich vervollständige meine Tagebuchnotizen, denn es ist ganz schön schwierig, immer auf dem Laufenden zu sein. Abends bin ich oft zu müde dazu, und am nächsten Tag kommen bereits wieder so viele neue Erlebnisse, dass ich dann schon wieder die Hälfte vom Vortag vergessen habe. Wir holen uns einen gut schmeckenden Ananassaft von der Poolbar, dann geht Reimar ins Wasser, um sich zu erfrischen. Es gibt zwei miteinander verbundene große Becken, die allerdings ziemlich flach sind. Einen kleinerer Pool gibt es nebenan, der aber nicht benutzt wird. Mehrere Badeaufsichten beobachten die Schwimmer, was bei dem flachen Wasser ziemlich unnötig erscheint, aber es sollen ja schon Menschen in einer Pfütze ertrunken sein. Ich paddele anschließen noch ein wenig im Wasser herum. Man muss direkt aufpassen, dass man sich nicht die Füße stößt, denn das Wasser ist höchstens 140 cm tief und mitten im Pool steht eine quadratische Vase mit Bepflanzung, deren Sockel unter Wasser noch größer ist. Es schwimmt sich dadurch nicht so gut, aber für eine Erfrischung reicht es. Der Pool schließt um 6.00 Uhr p.m., die Liegen werden geordnet, und die Badeaufsicht verlässt ihren Posten. Auf diese Weise bleibt den Gästen noch genug Zeit für die Spielautomaten!  

Wir haben aber etwas anderes vor. Joel will heute unsere Fahrt über den Las Vegas Boulevard nachholen, Sophia sitzt wieder verkehrt herum auf seinem Sozius und filmt uns. Um 19.00 Uhr ist Treffpunkt im Parkhaus. Es sind nur neun Harleys, die diese Tour mitmachen. Einige sind bereits alleine gefahren, andere haben Showkarten, Günter, Klaus und Bernhard müssen Biernachschub für uns besorgen, denn unsere Vorräte sind schon wieder aufgebraucht. Joel führt uns über die Interstate zurück bis Downtown und von dort im Konvoi langsam über den Las Vegas Boulevard. Alles glitzert, alles flimmert, die Neonreklamen und die hohen Hotels sind wirklich beeindruckend. Ich fotografiere reichlich. Die Straße ist mehrspurig und wird durch eine Mittelinsel geteilt, die mit Palmen bewachsen ist. Reimar liebt ja Palmen und möchte am liebsten eine in unseren Garten stellen, aber wo lasse ich die im Winter? Mich beeindruckt am meisten der Eiffelturm, der fast in Originalgröße an der Straße steht und natürlich ebenfalls schön beleuchtet ist. Dann kehren wir im Harley-Café ein. Über dem Eingang ragt ein gut beleuchtetes überdimensionales Harley Vorderteil aus der Wand. Vor dem Café stehen Tische und Stühle im Freien, dazwischen in einem eingezäunten Beet, steht eine mit Buchsbaum bewachsene echte Harley. Während ich noch ein kleines Stück die mit Touristen überfüllte Straße zurücklaufe, um noch einige Fotos zu machen, gehen die anderen schon ins Café. Als ich genug Bilder gemacht habe, folge ich ihnen. Unsere Gruppe sitzt an einem langen Tisch und hat schon eine Zapfsäule aus Glas mit 2 ½ Liter Bier bestellt, mittels eines Hahnes kann man sich sein Glas selber füllen. Das ist ein interessantes Spielzeug, das sie sich mit 25 Dollar bezahlen lassen. Über unseren Köpfen werden an einem Kettenband verschiedene Harley Modelle in Originalgröße hinweg gezogen. Das Café ist recht gemütlich. Das Bier reicht natürlich nicht lange und ist schnell ausgetrunken. Wir essen dann dort auch noch gut zu Abend, Reimar entscheidet sich für scharfe Buffalo Shrimps mit rohem Gemüse, ich esse einen großen Chinesischen Salat mit Hühnerfleisch in lieblicher Sirupsoße. Dagegen sind Reimars Shrimps sehr scharf. Dazu trinken wir jeder zwei Ananassaft, die uns wie immer sehr gut schmecken. Reimar trinkt grundsätzlich keinen Alkohol, wenn er noch Motorrad fahren muss. Wir haben gleich am Anfang eine getrennte Rechnung bestellt, das muss man in Amerika, sonst kommt alles, was an dem Tisch serviert wurde, auf eine Rechnung. Das wäre nicht ganz so schlimm, man könnte sie ja hinterher auseinander puzzeln, aber so einfach ist das nicht, denn zu den Preisen kommt immer noch die Steuer und manchmal auch das Bedienungsgeld hinzu, das allerdings meistens separat auf dem Tisch gelassen wird, und 10 % bis 20 % der Verzehrsumme betragen sollte. Im heutigen Fall stehen die Getränke alle auf einer Rechnung, die über 61 Dollar ausmacht. Nun erhebt sich die Frage, wer bezahlt das? Wir haben damit zum Glück nichts zu tun, denn unsere Rechnung bekommen wir separat, und am Bier sind wir nicht beteiligt, weil wir keins getrunken haben. Es entsteht eine leichte Irritation, die Kalle dadurch beendet, dass er erst einmal den Betrag verauslagt, anschließend teilen sich alle Beteiligten die Summe. In dem Harley Café steht auch eine Replica Easy-Rider-Harley, wie sie Peter Fonda in dem gleichnamigen Film gefahren hat. Für 30 Dollar kann man sich auf dieser Maschine von einer hübschen, jungen Dame fotografieren lassen, das Foto kann man dann auf ein T-Shirt gedruckt mit nach Hause nehmen. Es werden per Computer verschiedene Aufnahmen gemacht, mit Kopftuch oder mit Sonnenbrille, mit beidem oder ohne. Das ist aber ein stolzer Preis, da fotografieren wir uns lieber auf der Harley, mit der wir 14 Tage durch Amerika gefahren sind. Damit können wir uns dann in Berlin für wesentlich weniger Geld ein T-Shirt bedrucken lassen. Urs wollte sich anfangs fotografieren lassen, Kalle versucht, noch ihn zu überreden, als Urs wankelmütig wird und von dem Vorhaben Abstand nimmt. Joel und Sophia sind schon früher gegangen, um eine Show zu besuchen, wir finden den Weg zurück ins Hotel auch alleine. Dort sehen wir uns noch ein wenig um und fotografieren noch einiges der interessanten Inneneinrichtung und natürlich die „Zocker“, denn seit 1931, als das Glücksspiel in Nevada legalisiert wurde, hat sich Las Vegas zum Traumziel der Spieler entwickelt.  

Anschließend gehen wir auf unser Zimmer, das wir inzwischen auf Anhieb finden. Der Ruhetag war wirklich fällig, unsere Nerven haben sich tatsächlich gut erholt. Doch jetzt muss noch etwas gepackt werden, denn morgen früh satteln wir wieder auf. Nach letzten Tagebuch-Ergänzungen, das ich endlich wieder auf dem Laufenden habe, gehe ich um 0.15 Uhr ins Bett. 

9. Übernachtung im Luxor Hotel & Casino in Las Vegas, Fahrstrecke: keine, die Motorräder konnten jederzeit benutzt werden

 

9. Tag, Montag, 04. Oktober 2004, 7. Fahrtag     Zum Anfang

Als wir um 7.00 Uhr aufstehen, erlöschen gerade die letzten Lichter der Stadt. Wir beschließen, einmal ordentlich zu prassen und uns in aller Ruhe das Frühstücks-Buffet im Hotel-Restaurant zu gönnen. Es kostet zwar für jeden 23,11 Dollar, aber es lohnt sich. Die Auswahl ist reichhaltig und schmackhaft, und wir entscheiden uns für Rührei mit Speck, süßen Teilchen, genießen besonders die Auswahl der Früchte, z. B. Melone und den Joghurt und trinken dazu jeweils zwei Kaffee, Tee sowie Orangensaft. Das war wohl Völlerei, denn ich bin doch sehr satt. Im Restaurant treffen wir auf Urs, Kalle, Rosemarie und Reinhard, die hier ebenfalls den neuen Tag in aller Gemütlichkeit einleiten.  

Danach holen wir unser Gepäck, checken aus und machen uns auf den langen Weg zum Parkhaus. Wie jedes Mal müssen wir wieder nach dem richtigen Weg suchen und uns durch die Spielautomaten schlängeln, an denen schon wieder (oder immer noch?) etliche Gäste ihr Geld verspielen. Mir ist das alles zuviel, ich bin schon wieder ganz fertig, nur gut, dass wir so ein schönes, ruhiges Frühstück genießen konnten. Ohne Gepäck macht die Sucherei nicht soviel aus, aber jetzt werden die Arme immer länger. Am Fahrstuhl bleibe ich stehen, und Reimar kommt zurück, um mir zu helfen.  

Um 9.00 Uhr treffen wir uns heute an den Motorrädern und verlassen pünktlich wie immer um 9.30 Uhr unsere Ägyptische Pyramide mit der Sphinx und fahren ein letztes mal auf dem Las Vegas Boulevard vorbei an den Hotelketten verschiedener Themengruppen wie New York mit Freiheitsstatue, Paris mit dem Eiffelturm, dem Mirage, am Harley Café vorbei, demgegenüber befindet sich mitten auf der Straße ein Hubschrauberlandeplatz, von dem aus für die Touristen Rundflüge über die Stadt gestartet werden. Am Tage, ohne die schrille Neonbeleuchtung, sieht natürlich alles nicht ganz so imposant aus wie nachts. Vor uns taucht ein hoher Turm auf, auf dem sich ganz oben eine Achterbahn befindet. Na, das muss ich schon zu ebener Erde nicht haben, geschweige denn in schwindelnder Höhe. Dahinter biegen wir in die Mainstreet ab und kommen auf den schnurgeraden Charleston Boulevard. Rechts und links säumen schöne Bäume und hübsche niedrige Appartement-Häuser die Straße, vor uns kündet ein langer Gebirgszug an, dass wir uns langsam von der quirligen Stadt Las Vegas verabschieden. Vorher tanken wir noch, was einige aus unserer Gruppe zu einem kurzen Frühstück im Stehen nutzen. Wie haben wir unser gemütliches Frühstück im Hotel genossen, dafür stehe ich gerne etwas früher auf.  

Als wir weiterfahren, treffen wir die ersten Radfahrer auf unserer Reise. Die Road 159 schlängelt sich aus der Stadt dem Gebirge entgegen. Die Bebauung hört langsam auf, dafür sehen wir jetzt Wiesen neben unserem Weg. Direkt vor dem Gebirge, Red Rock Canyon mit dem Madre Mountain (8154 foot = 2485 m hoch) machen wir noch eine kurze Fotopause. Es ist schon wieder sehr warm, heute steht die heißeste Tagesetappe auf dem Programm, denn wir wollen durch die Wüste zum Tal des Todes, dem berühmten Death Valley. Die Fahrt geht weiter vor dem Gebirge entlang. Es erinnert mich an unsere Alpen, Man sieht die verschiedenen Erdschichten, zum Teil sind sie rot, oder sie sehen aus wie dunkles Marmor, teilweise sind sie auch schön grün bewachsen. Hinter Blue Diamond biegen wir nach rechts auf die Road 160 ab. Es geht über die Spring Mountains Richtung Pahrump, dem Tor zum Death Valley. Die Straße ist wieder sehr gut ausgebaut. Auf der rechten Seite begleiten uns niedrige Strommasten in drei Reihen nebeneinander. Das Gelände ist fast immer eingezäunt, es scheint also jemandem zu gehören, aber was macht er damit? Außer Büscheln wächst hier nichts, alles wirkt sehr trocken. Die Berge ziehen sich wieder etwas zurück, wir fahren eine ganze Weile durch ein breites Tal und passieren doch noch einige Häuser. Die Straße wird hier zweimal zweispurig ausgebaut, wie eine Autobahn. Auf den dürren Flächen daneben sehen wir noch immer diese staubigen Büschel und dazwischen stehen, wie kleine Bäume, merkwürdige Kakteen und Agavenbüsche und ganz kleine Palmen. Es ist ziemlich windig, aber der Fahrtwind ist angenehm warm. Wir fahren wieder eine schnurgerade Straße entlang, erst ganz in der Ferne sehen wir ein Kurve, und es dauert ewig, ehe wir sie erreichen. Uns umrahmen düstere braune Berge, die mich an Zartbitter Schokolade (Borkenschokolade) erinnern. Hinter der Kurve weitet sich das Tal wieder, das Gestein wird heller und glatter und sieht eher wie Vollmilchschokolade aus. Wir kommen durch eine nicht allzu große Stadt und fahren kurz danach in Pahrump ein, wo wir auf einem großen Parkplatz halten, denn hier laden mehrere Restaurants zum Essen ein. In meinem „Spezial Restaurant“ Burger King esse ich mein geliebtes Whopper Menue mit Cola und Pommes frites. Reimar hat sich eigentlich Crisp Chicken Salad bestellt, bekommt aber Shrimps Salad, der ihm aber auch schmeckt. Schnell sind unsere 45 Minuten Pause vergangen, um 13.00 Uhr soll es weitergehen, aber es wird 15 Minuten später. Hinter Pahrump verlassen wir die Road160, fahren auf der Road 372 durch das Pahrump Valley und verlassen dahinter Nevada und sind nun wieder in Californien auf der Road 178. Weiter geht es durch die Wüste mit gerader Straße bis zum Horizont. Rundherum begleiten uns weiterhin die dunklen Berge, doch das Tal wird wieder größer. Neben der Straße führt immer noch das Stromkabel entlang bis es uns in einer Linkskurve verlässt. Für uns geht es weiter geradeaus, vor uns taucht ein ziemlich einzelner Berg auf, den wir rechts liegen lassen. Bei Shoshone, einer typischen Poststation des vergangenen Jahrhunderts, verlassen wir die Road 178, biegen nach rechts auf die Road 127 ab und gleiten immer tiefer in die immer trockener werdenden Regionen des seit 1985 zum Nationalpark erklärten Death Valley hinunter. Das ständig ansteigende Thermometer zeigt nahezu 40o C und lässt leicht erkennen, dass wir bald den tiefsten Punkt im Tal des Todes, das Bad Water erreicht haben. Dieser Salzsee, dessen Wasser man nicht trinken kann, und in dem als einzige Lebewesen nur die Salzkrebse existieren, liegt 86 Meter unter dem Meeresspiegel und ist der niedrigste und gleichzeitig der heißeste Punkt Nordamerikas. Die Shoshonen nannten das Tal deshalb „tomesha“, was brennender Boden heißt. Hier ist ein Durchkommen mit dem Motorrad von Juni bis September schier unmöglich, und nur die Nachtstunden bescheren der Natur ein wenig Abkühlung.  

Der Name „Death Valley“ ist so eindrucksvoll wie irreführend: Das Todes- Tal ist nämlich alles andere als tot. Kaliforniens Biologen entdecken hier alle paar Monate neue seltene Tier- und Pflanzenarten. Dennoch passt ein Name wie Death Valley gut in eine Welt, in der bis heute viel Wert auf die glorreiche Pionier-Vergangenheit und eine verklärte „Go West“ Mentalität gelegt wird.  

Die erste Durchquerung entwickelte sich tatsächlich zu einem mörderischen Alptraum: 1849 wollte eine Gruppe von Goldsuchern ihren Weg zum großen Reichtum durch das Wüstental abkürzen. Die vermeintliche Abkürzung wurde zur Falle: Die Pioniere scheiterten mit ihren Planwagen an den steilen Hängen der Panamint Mountains im Westen. Der Anführer der Gruppe, der eine geeignete Stelle für den Übergang in Richtung Süden suchte, kam auf dem Rückweg ums Leben, bevor er sein Camp am rettenden Wasserloch erreichte. Zwei andere Scouts kehrten nach 26 Tagen und nahezu 1000 Kilometern Erkundungsritt zurück und lotsten die Gruppe schließlich aus dem Tal. „Goodby, Death Valley!” sollen sie erleichtert ausgerufen haben, als das Tal des Todes endlich hinter ihnen lag. 

Das Death Valley hat sich seither nicht verändert, es ist eine menschenleere Wildnis geblieben. Hohe Berge und tiefe Schluchten umgeben ein schier endloses Wüstenbecken, in dem man sich auch heute noch relativ leicht verirren kann. Die Temperaturen treiben einem den Schweiß aus allen Poren, im Sommer klettert das Thermometer häufig auf über 45o C, und mit 56,7o C im (kaum vorhandenen) Schatten hält das Tal den Rekord für die höchste jemals gemessene Temperatur in Nordamerika.  

Im Frühling wandelt das Death Valley jedoch sein Gesicht.: Dann fällt in der Region ein bisschen Regen, der zusammen mit der Feuchtigkeit am Morgen das tote Tal aufblühen lässt. Wer zu dieser Jahreszeit hier unterwegs ist, erlebt, was der Satz: „Die Wüste lebt!“ bedeuten kann zartes Grün auf scheinbar knochentrockenem Grund, Blumen und blühende Kakteen, ungewohnte Farbenpracht in einer Landschaft, die den Rest des Jahres nur mit Braun- und Gelbtönen aufwartet. Selbst Tiere sind dann häufiger zu beobachten. Spätestens jetzt weiß man, dass der Name des Tals trügt auch wenn er noch so schön schaurig klingt. 

Bei Death Valley Junction sehen wir das erste Schild: „Death Valley Junction closed.“ Ein Stück weiter biegen wir nach links auf die Road 190 ab, um zum Salzsee zu kommen. Aber auch hier steht eine Absperrung. Die Strecke ist tatsächlich geschlossen. Günter fährt sofort darauf zu und befragt die dort wachenden Posten, warum es nicht weitergeht. Er erfährt, dass es vor einigen Tagen hier so ungewöhnlich stark geregnet hat, dass die Straße weggespült wurde und eigentlich nicht mehr vorhanden ist. Es wird Monate dauern, bis sie wieder passierbar ist. Das ist erstaunlich, denn in der Regel schaffen es die Amerikaner innerhalb weniger Stunden, die Straßen wieder herzurichten. Obwohl rundum alles sehr staubig und trocken aussieht, muss es sich wirklich um ein großes Unwetter gehandelt haben. Also machen wir kehrt und fahren einen Umweg, der unseren Guides keine Schwierigkeiten bereitet. Über die Road 127 fahren wir weiter geradeaus Richtung Norden und kommen wieder über die Grenze zurück nach Nevada. Wir tanken bei der nächsten Gelegenheit und treffen sogleich wieder auf Spielautomaten. Es ist so heiß, dass auch wir nun ohne Jacken mit unbedeckten Armen fahren. Natürlich haben wir uns ordentlich eingecremt. Trotzdem, es ist ungewohnt, so luftig gekleidet auf dem Motorrad zu sitzen, aber es gefällt uns. 

Die Road hat hier die Nummer 373. Bei Amargosa Valley biegen wir nach links auf die Road 95 ab und fahren praktisch parallel zur Road 190 nur nördlicher durch das Amargosa Desert Richtung Westen bis Beatty. Es herrscht mehr Verkehr als wir es gewöhnt sind, denn die Road 95 kommt direkt aus Las Vegas. In Beatty verlassen wir diese Straße nach links und fahren auf der Road 374 zum Death Valley und kommen wieder zurück nach Californien. Die Gegend hat sich nicht verändert. Noch immer begleiten uns die Borkenschokolade-Berge, während wir durch ein weites Tal auf einer so schnurgeraden Straße fahren, wie wir es noch nicht erlebt haben. Wie ein extra Schokohäufchen steht rechts ein extrem dunkelbrauner Hügel. In dem weiten Tal erkennen wir vor uns große heller Stellen, die wie Seen, Schnee oder Salzfelder aussehen. Doch dann erkennen wir, dass es sich um Sanddünen handelt. Es wird wieder einmal kurz angehalten, um Fotos zu machen, dann fahren wir noch etwa fünf Minuten und finden hier mitten in der Wüste eine Oase am Fuße von mehreren hundert Meter hohen Sanddünen. Es handelt sich um Stovepipe Wells Village, wo wir heute übernachten. 

Diese Oase gibt es seit 1926 und besteht aus nur wenigen Häusern. Auf der rechten Seite gibt es eine Tankstelle, dahinter ein Generalstore, wo man alles für den persönlichen Bedarf kaufen kann, ebenso Andenken. Gegenüber auf der anderen Seite befindet sich unser Motel mit recht vielen Zimmern, alle ebenerdig, einer Rezeption, einem Giftshop, einem Saloon und einem Restaurant. Am besten gefällt uns aber nach dem heißen Tag der große, tiefe Swimmingpool, der mit Mineralwasser gefüllt und von einem Zaun umgeben ist. Neben dem Pool gibt es Sanitärräume mit Duschen und Umkleideräumen, Liegen, Tische und Stühle sowie eine Tischtennisplatte.  

Wir bekommen das Zimmer 10, direkt zur Straße, was Reimar sogleich “bemängelt“. Günter kontert sofort, er wird sofort gehen und ein Umleitungsschild aufstellen. Das ist natürlich alles Jux, denn hier in dieser Einsamkeit kommt außer Kojoten nachts niemand vorbei. Sofort treffen sich alle im Pool, darauf haben wir den ganzen Tag gewartet. Es ist sehr lustig, Remo zieht wieder eine Show ab, macht Wetttauchen mit Kalle und eine Wasserschlacht mit Elke. Es macht allen Spaß, und als wir uns genug erfrischt haben, machen wir uns fertig, um zum Essen in den Saloon zu gehen. Reimar entscheidet sich für eine gebratene Forelle, ich esse eine Suppe und einen Salat mit einer Honig-Mostard-Soße, der mir aber zu sauer ist. Dafür schmeckt mir mein dunkles Bier sehr gut. Die anderen aus der Gruppe bestellen Budweiser Bier, aber das ist kein echtes, dafür kostet ein Glas davon fünf Dollar. Auch das Essen hier ist sehr teuer, aber das ist für diese einsame Gegend wohl normal, man kann ja froh sein, dass man überhaupt so eine Oase hier in dieser Einsamkeit findet. Wir teilen uns unseren Tisch für acht Personen mit Ingrid, Roland, Petra, Josef, Hella und Ronald. Nach dem Essen setzen wir uns fast alle an den Pool und trinken unser eigenes Bier. Um uns herum fliegen Fledermäuse. Als wir um 10.00 Uhr zu unserem Zimmer gehen, läuft ein Kojote mitten durch die Anlage.  

Ein Secret Service Man passt die ganze Nacht auf die Anlage und auf unsere Motorräder auf, und das in dieser einsamen Gegend! Hier grault sich doch jeder Räuber! 

In unserem Zimmer steht das hintere Doppelbett so dicht an der Toilettentür steht, dass wir beschließen, heute im vorderen Bett zu schlafen. Das Bad ist recht eng und nicht so toll, aber es ist ja immer nur für eine Nacht. 

10. Übernachtung im Stovepipe Wells in Stovepipe Wells Village    Fahrstrecke: 335 Kilometer   

 

10. Tag,  Dienstag, 05. Oktober 2004,   8. Fahrtag        Zum Anfang

Wir stehen um 6.30 Uhr auf und erleben einen herrlichen roten Sonnenaufgang. Als um 7.00 Uhr das Generalstore öffnet, holen wir uns dort Tee, Kaffee, ein Käse- und ein Apfelplunderstück und verspeisen es in der Sonne auf der Bank vor der Tür. Wieder läuft der Kojote über den Parkplatz. Diesmal schaffen wir es, schnell unseren Fotoapparat zu holen, um ihn im Bild festzuhalten. Dann fahren wir zeitig los, um weiter auf der Road 190 Richtung Westen auf einer vorerst schnurgeraden Straße dem Gebirge, das wie Nougat aussieht, entgegen zu fahren. Kalifornien kann sehr vielseitig sein, und zwangsläufig drängt sich bei diesen Weiten der Gedanke auf, was die Menschen damals bewegt haben mag, diese Strapazen auf sich zu nehmen, um mit Planwagen und Maultiergespannen irgendwo hinter den Bergen das gelobte Land zu finden.  

Über mehrere Höhenzüge und gewundene Passstrassen erreichen wir das westliche Ende von Death Valley. Die Straße schlängelt sich durch die Berge mit herrlichen Kurven und unglaublichen, langen Bodenwellen, über die unsere schweren Harleys mit einer Leichtigkeit dahingleiten, dass man denkt, man hebt gleich ab. Nur Fliegen ist schöner! 

Wieder haben wir nur unsere ärmellosen Hemdchen an, aber heute ist der Fahrtwind sehr kalt. Nun muss ich ca. 1 ½ Stunden bis zur nächsten Rast durchhalten. Dabei wäre es so einfach, sich immer richtig anzuziehen, denn man muss nur auf unsere Scouts achten. Sie wissen Bescheid und haben heute dicke Jacken an, das sollte man dann ebenfalls tun. Ja, wer unaufmerksam ist, muss fühlen. Die Berge sind jetzt ganz dicht neben der Straße, langsam kommen wir immer tiefer, und der Fahrtwind wird wieder etwas wärmer. Plötzlich eröffnet sich vor uns ein weites Tal mit hellen Flächen  Wüstensand rechts und links. In der Ferne sieht man schon, wie unsere Straße weiter geht. Das Gebirge vor uns ähnelt verschimmelter Schokolade. Nachdem wir das Tal durchquert haben, fahren wir über eine Passstrasse mit etlichen schönen Kurven in das Gebirge ein. Joel ist weit vor uns. Nanu, hat er eigentlich gemerkt, dass er gar keine Gruppe mehr hinter sich hat? (Hat er!  Wie sich später herausstellen wird, bekommen wir wunderbare Filmaufnahmen von dort oben. Man kann im Film sehen, wie sich die ganze Gruppe diese herrlichen Serpentinen empor schlängelt. Danke für diese wunderbaren Aufnahmen!) Die blaue Gruppe fährt etwas weiter hinter uns, ich kann sie unter uns sehen. Der Sheriff folgt uns eine Weile, und überholt uns dann. Oben auf der Höhe halten wir an, um die Aussicht zu genießen. Inzwischen hat uns Günters Gruppe auch erreicht, nur unser Van fehlt noch. Wir erleben einen herrlichen Blick auf die Berge und ins Tal. Manche Hügel sehen aus wie Kohlenhalden. Unter uns liegt eine tiefe schwarze Schlucht. Ich ärgere mich, dass ich kein Diktiergerät mitgenommen habe, dann könnte ich meine Eindrücke während der Fahrt gleich schildern und müsste mir nicht alles mühsam merken. Wir fahren auf der Höhe weiter. Rechts und links sehen wir nur Büschelwüste, allerdings zur Abwechslung mit Gelbblühenden Pflanzen dazwischen und vereinzelten kleinen merkwürdigen Bäumchen, die wie Kakteen aussehen, welche ihre grotesk wirkenden Arme in den tiefblauen Himmel strecken. Wir haben diese Gebilde bereits gestern vereinzelt gesehen, Günter erklärt uns, dass sie Joshua Trees heißen. Diese Pflanze kommt nur in Kalifornien vor. Langsam geht es immer weiter bergab. Die etwas üppiger werdende Vegetation tut unseren Augen gut. Vor uns weitet sich ein Tal, in dem ein großer ausgetrockneter See, der Owens Lake, liegt. Vor uns erhebt sich wieder ein riesiges Gebirge mit hellen Gipfeln, das uns wieder an die Alpen bzw. Dolomiten erinnert, sofern man bei diesen Dimensionen überhaupt einen Vergleich ziehen kann. Es wird wieder merklich kühler, und wir freuen uns, dass wir die Lüftungsschlitze an den Jacken zugemacht haben. Beim Wegweiser: Olancha 1190 m biegen wir nach links ab, stoppen kurz und fahren dem „Dolomitengebirge“ entgegen und kommen nach Olancha, wo wir nach rechts abbiegen. Hier gibt es nur einige Farmhäuser und einen Wegweiser: nach Bishop 80 Meilen. Sogleich erreichen wir eine Texaco-Tankstelle, wo wir unsere Motorräder wieder voll tanken. Es ist inzwischen 10.30 Uhr. Elke hat eine ziemlich schlimme Verbrennung am rechten Unterschenkel. Sie hatte sich, nur mit dreiviertel langen Jeans bekleidet, beim Absteigen am heißen Auspuff eines unverkleideten Motorrades, das dicht neben ihnen hielt, verbrannt. Nun ist diese Stelle sehr entzündet und Wundsekret tritt hervor. Zum Glück haben wir Thorsten, einen Kinderarzt aus Berlin, dabei, der natürlich das nötige Verbandszeug mitführt, und Elke nun fachmännisch verarztet. In ihrem Alter von einem Kinderarzt behandelt zu werden, passiert ja auch nicht allzu oft.

Wir wenden und halten uns nun doch Richtung Los Angeles (187 Meilen). Die Wüste lassen wir jetzt hinter uns. Auf dem Highway 395 am Fuße der schneebedeckten Viertausender der Sierra Nevada. biken wir südwärts, vorbei an einem Flugplatz bis nach Freeman Junction. Der Highway ist wie eine Autobahn ausgebaut, sie ist aber keine, denn uns kreuzt ein Lastwagen. Die Fahrbahnen liegen soweit auseinander, dass man den Gegenverkehr lange Zeit nicht sieht. Auf der linken Seite begleiten uns etwas weiter weg noch immer die Nougatberge, davor liegen mehrere Stauseen, die sogar voll Wasser sind, welches in der Sonne blinkt.

Die Amerikaner reisen wirklich mit allem, was wie besitzen. Wir überholen einen abenteuerlichen Pikup. Er hat einen Wohnwagen aufgeladen, an dem hinten ein Motorroller verpackt befestigt ist. Auf dem Dach des Autos wird ein riesiges Boot auf einem Trailer transportiert, dessen Deichsel vorne weit über das Fahrerhaus hinweg ragt. Zwei Fahrräder dürfen natürlich auch nicht fehlen, die sind vorne am Pikup befestigt. Bei uns sieht man ja auch schon manch merkwürdig beladenes Gefährt, aber das wäre in Deutschland wohl doch nicht möglich. Die LKWs in Amerika gefallen mir besonders gut. Sie sehen fast nostalgisch aus mit ihrer schönen Lackierung, den langen Schnauzen und den Blankgeputzten Auspuffrohren, die vorne neben der Fahrerkabine rechts und links nach oben ragen.  

Joel führt uns nach links, Richtung San Bernardino, aber Günter fängt uns sofort ein, sperrt die Straße, damit wir wenden können, denn wir müssen uns doch weiter in Richtung Los Angeles halten. Nach ein paar Meilen wird unsere Straße wieder einspurig  und wir haben wieder Gegenverkehr. Bei Freeman Junction müssen wir nun tatsächlich nach rechts abbiegen. Bis Bakersfield, unserem heutigen Ziel sind noch 80 Meilen auf der Road 178 zu bewältigen. Auf der Weiterfahrt kommen wir an mehreren Ansiedlungen vorbei, aber die Häuser sehen wieder wie Lauben aus und laden nicht gerade zum Verweilen ein. Nur ganz selten steht mal ein hübsches Haus am Wege. 

Auf einer Anhöhe, inmitten von Joshua Trees, die inzwischen wieder vermehrt unseren Weg säumen, halten wir auf einem staubigen Parkplatz an, damit wir die Möglichkeit zum Fotografieren haben. Die Motorräder werden besonders ordentlich aufgestellt, damit Günter ein Gruppenfoto von uns machen kann, danach filmt er uns vom Dach des Servicebusses aus. 

Durch die Ausläufer der Sierra Nevada bewältigen wir den Walker Pass (1600m), der uns mit schönen Kurven auf der Anhöhe an einem ausnahmsweise hübschen Haus vorbeiführt, bis wir wieder abwärts kurven und dabei an vielen einzelnen Häusern vorbeikommen, die alle recht einfach aussehen, eigentlich handelt es sich um bessere Mobilheime und Ranches. Das Land ist inzwischen grüner und saftiger. Es grasen sogar Kühe auf der Weide, und ein Bauer pflügt sein Feld. Vor einem Haus ist ein Gemüsebeet angelegt, das haben wir in Amerika überhaupt noch nicht gesehen. Dennoch sind noch immer Berge um uns herum. Als wir anhalten, hoffen wir schon auf eine Mittagspause, aber es geht noch 12 Meilen weiter, bis wir in Monte Mesa zum Essen einkehren. Das Wetter ist so schön, dass wir im Monte Mesa Café draußen sitzen, Coca Cola trinken und Toast mit Ham and Cheese und Kartoffelsalat essen. Coca Cola wird sogar nachgeschenkt, was auch wirklich angebracht ist, denn wenn man in Amerika ein kaltes Getränk kauft, ist immer das Glas bis zum Rand voll Eis, es passt kaum noch das Getränk hinein. Da sparen die Restaurants ganz schön. Die Hälfte von unserem Toast packen wir ein, denn ich habe vorher bereits ein Sandwich gegessen. Dafür genehmigen wir uns noch eine Banane. Wir sitzen gegenüber von einem See, dem Lake Isabella, der im Mai noch voll gewesen sein soll, momentan aber nicht viel Wasser hat, mit Ingrid und Roland und Elke und Peter zusammen. Elke berichtet, dass sie seit heute ihren Koffer nicht mehr auspacken muss, sie hat endlich das richtige System gefunden, ich wusste es doch! Dann politisieren wir noch ein wenig, Die Berge in der Nähe sind etwas sandiger als zuvor. Ingrid zeigt uns besorgt Stiche (Flohstiche?) und Rötungen in der Armbeuge, die wie Nesselfieber aussehen. Ich soll schreiben, dass sie ein nettes Mädchen ist, das stimmt wirklich, und für die „Flöhe“ kann sie ja nichts.
(Später befragt sie Monika, welche Krankenschwester ist und ihr empfiehlt, Kalzium zu nehmen, was auch wirklich hilft es waren keine Flohstiche!)

Wir haben heute nicht so eine lange Fahrstrecke und dadurch viel Zeit. Um 2.15 Uhr starten wir wieder. Bis zu unserem Quartier in Bakersfield sind es auf direktem Weg nur noch 50 Meilen. Da wir bis ca. 5.00 Uhr p.m. fahren wollen, machen wir noch einen „kleinen Umweg“ durch die Umgebung. Wir fahren am Lake Isabella links vorbei, und obwohl nicht viel Wasser darin ist, streckt er sich ganz schön lang. Vor uns auf einem Hügel steht, etwas hinter Bäumen versteckt, wieder ein wunderschönes Haus mit Blick auf den See. Das ist ja ein Traumgrundstück! Um den See herum gibt es mehrere Campingplätze. Autos fahren bis an den See heran, um ihre Boote ins Wasser zu lassen. Die Gegend erinnert mich sehr an den Edersee in Hessen, wenn er schon wenig Wasser hat. Allerdings gibt es dort noch mehr Wald. Wir passieren etliche Farmen, sehen zumeist nur die Zufahrten oder auch mal viele Briefkästen an der Straße, die verraten, dass im Hinterland noch weitere Farmen stehen. Sogar Mülltonnen entdecken wir, es gibt hier also ein Müllabfuhr. Um den See herum erheben sich immer noch Berge. Wir fahren höher und können daher die Gegend besser sehen und erkennen, wie viele Ansiedlungen es rundherum gibt.  

Die Umgebung verändert sich jetzt merklich, die schroffen Felsen verschwinden langsam. Dafür sieht alles, wegen des verbrannten Grases sehr gelb aus. Dazwischen wachsen grüne Bäume und Büsche. Hella findet es sieht aus wie gelber Samt mit grünen Punkten. Die Flächen erinnern mich an unsere gelben Kornfelder im August, allerdings nur von weitem. Wir überqueren einen Bahnübergang und sehen eine Bahn stehen. Nach einem kurzen Stück führt die Straße erneut über die Bahnstrecke, aber der Übergang ist geschlossen, und wir müssen den ziemlich langen Zug passieren lassen. Noch immer sehen wir neben unserer Straße die gelben Buckel mit den grünen Pflanzen. Als wir weiter fahren können, geht es in herrlichen Serpentinen wie in den Dolomiten bergauf und bergab. Ich schätze es sind 1000 S-Kurven, es nimmt kein Ende. Schon dreimal denke ich, jetzt ist Schluss aber wieder geht es bergauf. Es ist ein Höllengaudi und könnte für mich kein Ende nehmen. An manchen Stellen liegen Sand oder Steinchen auf der Straße, da muss man etwas vorsichtiger fahren, aber die Kurven sind wieder so optimal ausgearbeitet, dass man das Motorrad direkt hineinfallen lassen kann. Manfred erzählt uns später, dass sein Motorrad auf dem Sand hinten einmal weggerutscht ist. In einer Linkskurve ist Reimar wohl etwas übermütig, unser Trittbrett setzt ein wenig auf. Mit unserer BMW kann er sich doch mehr in die Kurve legen. Wir kommen jetzt durch sehr bewaldete Gebiete, die Luft ist wesentlich angenehmer und sauerstoffreicher als in der Wüste und in den Bergen zuvor. 

Dieser „Umweg“ hat sich wirklich gelohnt. Ich fühle mich richtig high von der Kurverei. Dann haben wir aber doch das Tal erreicht und fahren auf einer ausgebauten zweispurigen Bundesstraße weiter durch recht besiedeltes Gebiet. Die Berge haben uns nun endgültig verlassen. Schwarze Kühe, Pferde und Ziegen weiden auf den verbrannten Agrarflächen. Es ist traurig, dass sie schon im Sommer Heu fressen müssen. Rund um Bakersfield befindet sich viel Industrie und vor allem Nuss und Fruchtplantagen zu beiden Seiten der Straße. Hier kommen die Kalifornischen Trockenfrüchte her, die wir bei uns im Supermarkt kaufen können. Das ist schon interessant, zu sehen. Die Obstbäume sind so niedrig, da benötigt man kaum eine Leiter zum Pflücken. 

Von Süden her kommen wir auf der Road 184 nach Bakersfield und tanken unsere Motorräder wieder voll, damit wir morgen früh gleich starten können. Nach ein paar Minuten erreichen wir das Best Western Crystal Palace Inn. 

Unser Zimmer liegt im parterre mit einer Schiebetür zur Terrasse und dem Innenhof. Auf der Terrasse steht ein Tisch mit zwei Stühlen. Die Anlage ist sehr schön gestaltet, mit vielen Pflanzen und Palmen dicht bewachsen. In der Mitte befindet sich der Pool. Das ist die schönste Anlage auf unserer Reise, und so ganz nach meinem Geschmack. Hier könnte ich ein paar Wochen bleiben.  

Kaum sind wir im Zimmer, läutet das Telefon. Dirk hat uns wieder ein Fax geschickt. Vater ist natürlich überglücklich und antwortet sofort, ebenfalls per Fax, das die Rezeption sofort abschickt. 

Dann wollen wir schnell baden gehen. Der Swimmingpool liegt in der Mitte des schönen Innenhofes und ist eingezäunt. Das Wasser ist sehr kalt, außerdem haben wir nicht viel Zeit, denn es ist schon 5.15 Uhr p.m. Günter ist immer bemüht, uns ein Abendprogramm zu organisieren. Heute gehen wir zu 7.00 Uhr p.m. gleich nebenan in ein Westernlokal zu Abend essen. Es gehört dem bekannten Country-Sänger Buck Owens. Tagsüber ist diese Stätte ein Museum, in dem seine Schallplatten (seit 1961), seine Bühnenoutfits, seine Fotos, Urkunden und Auszeichnungen, Briefe von anderen berühmten Künstlern an ihn usw. in Vitrinen ausgestellt sind. Abends finden hier wechselnde Veranstaltungen statt. Wir haben zwar noch nie von diesem Sänger gehört, aber er muss in Amerika ziemlich populär sein. Sogar ein Brief von Georg W. Bush hängt in einer Vitrine und gemeinsame Fotos von ihm mit Ringo Starr von den Beatles und mit Dean Martin. Ein ausgestelltes Bühnenkostüm ist mit so vielen Pailletten bestickt, dass er es nur einmal getragen hat. Es ist einfach zu schwer. Ein anderes Kostüm, welches mir ganz gut gefiel, hatte schon 10000 Pailletten, unglaublich. – Wir sitzen alle auf der hinteren Galerie und bestellen unser Essen bei Lindsay, einer netten Bedienung, wobei uns Günter wieder dolmetschend unterstützt. Sie bemüht sich zwar redlich, aber sie wirkt doch etwas überfordert. Trotzdem haben wir viel gelacht. An unserem langen Tisch sitzen wir zusammen mit Ingrid, Roland, Elke, Peter, Hella, Ronald, Manfred und Rudi aus Essen. Sogar unsere speziellen Biker Monika, sie ist die einzige Frau, die auch selbst Motorrad fährt, und ihr Mann Klaus sind mitgekommen. Sie sind schon sehr Amerikaerfahren und die einzigen, die sich immer etwas separat halten, aber damit muss eine Gruppe auch klar kommen. Allerdings finde ich es nicht gut, wenn man sich in einer Gruppe so abgrenzt. Sie sitzen alleine und wollen auch niemanden an ihren Tisch haben. Das sagt alles und bedarf keines weiteren Kommentars. 

Endlich kommt unser Essen. Ich habe mir nur eine größere Schüssel Nudelsuppe mit Huhn bestellt, ich bin noch satt, weil ich kurz zuvor meinen Toast von heute Mittag gegessen habe. Dazu trinke ich zwei kleine Gläser dunkles Bier, Reimar bekommt ein Filetsteak mit Gemüse und Bratkartoffeln für stolze 18,90 Dollar und trinkt auch zwei dunkle Bier dazu. Über Ronald müssen wir lachen, er isst so gerne viel Fleisch und bestellt sich ein großes, großes Steak für 29,90 Dollar und betont und zeigt auch - extra groß!! Als Lindsay ihm sein Essen hinstellt, nimmt er demonstrativ eine Pommes frites hoch (Backkartoffeln waren leider alle), findet darunter ein sehr kleines Steak und fragt:“ Was ist das??? Rudi kommentiert trocken: „Für dieses Steak bekommst Du Finderlohn!“ Auch Hella bekommt nicht das, was sie bestellt hat. Sie wollte Cool Slaw Salat, auf ihrem Teller ist dann aber Gemüse. Ingrid hat sich Fisch bestellt, aber ihr Essen hat Lindsay ganz vergessen. Ronald gibt Hellas falsch geliefertes Essen zurück, sie isst dafür sein zu kleines Steak, er muss noch auf sein großes Steak warten. Als es endlich kommt, nimmt es wirklich den ganzen Teller ein, allerdings gibt es keine Kartoffeln und kein Gemüse dazu, nur das Fleisch mit Rippe. Doch das ist ganz nach seinem Geschmack, und er ist zufrieden. Die Rechnung dafür ist später wieder eine Überraschung! Das Steak kostet statt 29,90 Dollar stolze 39,90 Dollar. Außerdem steht ein Bier zuviel darauf. Ehe er wieder reklamieren muss, übernehme ich dieses Bier, denn bei uns ist ein Bier zuwenig berechnet worden. So bringen wir die arme Lindsay nicht noch mehr durcheinander. Diese Lokalität ist wirklich ganz schön teuer, Elke und Peter müssen 98,00 Dollar bezahlen, wir „nur“ 48,00 Dollar, aber ich habe ja auch kaum etwas gegessen. Wir müssen wohl die Live-Show mitbezahlen und sind schon recht gespannt, was uns erwartet.
 

Heute steht Karaoke-Singen auf dem Programm, etliche Kandidaten stehen schon bereit. Die meisten singen so schlimm daneben, soviel Humor kann man gar nicht aufbringen, um dem Gesang etwas abzugewinnen. Es ist nur schade um die wirklich schönen Lieder, die hier so verhunzt werden. Wir sind immer froh, wenn einer abtritt, aber der nächste ist auch nicht besser. Dann treten die Kandidaten auch noch mehrfach auf. uns bleibt nichts erspart! Die ganze „Show“ erscheint uns „getürkt“. Ich glaube, diese Kandidaten „singen“ immer hier, das fällt nicht weiter auf, denn es sind ja jedes Mal neue Gäste da. Ein Mann imitiert Elvis Presley, der wird in seinem Grab rotiert haben. Die Frauen, zwei sind Bedienungen aus dem Restaurant, sind zum Teil sehr dick, niemand von den Interpreten ist eine Augenweide. Nach einer Stunde, geht uns dieser „Gesang“ regelrecht auf die Nerven. Wir können die Akteure auf einer Leinwand in Großformat sehen und die Texte mitlesen. In der Pause darf das Publikum sogar tanzen, was einige auch tun. Auf richtige Tanzmusik warten wir aber vergebens. Elke möchte so gerne tanzen und fordert Reimar auf. Ich finde es gut, dass er ihr keinen Korb gibt, die beiden machen ihre Sache sehr gut. Dann führen einige Leute noch zweimal Linedance vor, leider auch sehr stümperhaft. Wir warten immer noch auf den großen Knüller, vielleicht kommt der Buck Owens noch, so als Sahnetüpfelchen? (Ich weiß gar nicht, ob der überhaupt noch lebt?). Aber das passiert nicht, um 10.00 Uhr ist plötzlich Schluss, es wird kassiert, und wir müssen gehen, weil das Restaurant geschlossen wird. Das Geschäft ist ja auch gelaufen, später wird ohnehin nicht mehr soviel Umsatz gemacht. Unseres Erachtens nach ist das reines Abkassieren  ein billiges Programm ohne richtige Künstler und überteuertes Essen. Das war’s! Die wissen hier, wie man den Touristen das Geld aus der Tasche zieht.  Es war von Günter ein guter Gedanke, hierher zu gehen, er konnte ja nicht ahnen, dass das alles nur Nepp ist. Für die Zukunft weiß man Bescheid! Wir haben trotzdem unseren Spaß gehabt und viel gelacht. Wir lassen uns doch unsere gute Laune nicht verderben. 

So gehen wir notgedrungen ziemlich zeitig in unser Hotel zurück. Wir sind abends in der Regel auch immer recht müde von den vielen Eindrücken, die tagsüber auf uns einstürmen. 

Auch in dieser Anlage werden unsere Motorräder wieder die ganze Nacht bewacht, aber hier ist ja auch mehr los als in der Wüste.

11. Übernachtung im Best Western Crystal Palace Inn – Bakersfield         Fahrstrecke:  300 Kilometer 

 

11. Tag,  Mittwoch, 06. Oktober 2004, 9. Fahrtag     Zum Anfang

Der Wecker klingelt wie üblich um 6.30 Uhr. Heute haben wir das Frühstück ausnahmsweise inklusive. Wir laufen durch die schöne Hotelanlage vorbei an hübschen, mit fleißigen Lieschen und Studentenblumen bepflanzten Beeten zum Restaurant und genießen um 7.30 Uhr das Frühstücksbuffet, das uns sogar mit Bouletten beglückt. Na, das ist doch einmal eine Abwechslung!  

Um 8.30 Uhr „satteln“ wir auf und fahren auf der Road 58 durch Bakersfield hindurch Richtung Westen. Zuerst passieren wir schöne Villen abwechselnd mit Industriegebiet. Hinter Bakersfield sehen wir rechts und links der Straße Agrarfelder, oben werden Früchte und Baumwolle angebaut, und darunter befinden sich Ölfelder. Zwischen den Pflanzen sehen wir immer wieder die kleinen Pumpen, mit denen das Öl gefördert wird. Ich habe noch nie Baumwollfelder gesehen, sie sehen zwar nicht besonders hübsch, aber interessant aus. Teilweise sind sie auch schon abgeerntet. Die Dimension dieser „Kornkammer“, in der 12 Monate im Jahr der Anbau von Zitrusfrüchten. Gemüse und vor allem Nüssen möglich ist, können wir heute nur erahnen, obwohl wir das San Joaquin Valley nur an seiner schmalsten Stelle durchqueren.  

Wir verlassen die Stadt auf einer schnurgeraden Straße. Die Gegend rund um Bakersfield ist sehr flach, und obwohl die Sonne lacht, ist es ziemlich diesig, bis es wieder mehr Berge gibt, wo die Luft klarer wird. Unsere Harleys winden sich über unendlich viele Serpentinen bergauf. Im Walzertakt legen sie sich in die gut angelegten Kurven, es ist die reinste Freude. Nach vielen „Walzerrunden“ wird die Strecke schnurgerade, allerdings fliegen jetzt unsere Motorräder über lange Bodenwellen nur so durch die Landschaft. So schöne Straßen muss man bei uns suchen, es gibt sie kaum. Nur die hässlichen Stromleitungen neben unserem Weg sehen störend aus. Die Hügel um uns herum sind nicht sehr hoch, denn wir befinden uns ganz oben in dem Gebirgszug. Ein Erdhörnchen kreuzt unseren Weg. Um 10.30 Uhr steigen wir für eine kurze Pause ab. Überall sind Zäune, die uns behindern, aber Günter springt darüber hinweg. Dann geht es wieder hinunter, über Serpentinen durch Baumbestandene Hügel, vorbei an vielen Farmeinfahrten, die man in erster Linie an den Postkästen und den Mülltonnen an der Straße erkennt. Wir bleiben in dem Gebiet, das den Deutschen Mittelgebirgen ähnlich erscheint, bis wir zum Highway 101 kommen, der wieder zweispurig ist. Bei San Luis Obispo erreichen wir die Pazifikküste und freuen uns auf ein weiteres Highlight unserer Reise, die Traumstraße Nummer eins, den Highway 1, von dem uns unser Sohn Dirk schon vor Jahren soviel vorgeschwärmt hat. Der Highway 1 gilt als eine der atemberaubendsten Strecken der USA und ist genau wie die Route 66 zu einem Mythos geworden, zum Inbegriff des amerikanischen Traums. Wenn es eine Route gibt, die für Cabrios und Motorräder erfunden sein könnte, dann diese wunderbare Küstenstraße durch kalifornische Traumkulissen. Herrliche, breite Sandstrände, schroffe Klippen, windschiefe Zypressen und heitere Küstenstädtchen wechseln sich ab und erwarten unseren Besuch. 

Wir kurven durch San Luis Obispo, vorbei an netten Häusern, und als wir auf den Highway 1 abbiegen, steuern Elke und Peter die nächste Tankstelle an, weil ihr Tank angeblich leer ist, dabei ist so etwas noch nie vorgekommen, und unsere Tanks sind noch halbvoll. Da Günter noch hinter uns ist, fahren wir erst einmal weiter. Sie werden uns schon nicht verloren gehen. 

Kurz vor Morro Bay sehen wir den Pazifik, die Wellen schlagen ans Ufer, und der Fahrtwind wird merklich kälter. Wir halten an und sagen Joel Bescheid, dass Peter zum Tanken gefahren ist. Zwei lustige Einradfahrer kommen vorbei, sie müssen ständig treten. Joel führt uns weiter an einem Steinberg, dem Morro Rock vorbei in die Stadt Morro Bay. Dort stellt er uns ab und fährt zurück, um nach den anderen zu sehen. Wir wollen inzwischen in ein Café gehen, aber es ist geschlossen. Zum Glück gibt es gegenüber einen Market, dort gehen wir einkaufen, setzen uns anschließen davor in die Sonne, essen Erdnüsse und trinken Kaffee. Joel kommt erfolglos zurück,  wir müssen unsere andere Gruppe finden. Wir fahren erst einmal tanken, dann telefoniert Joel mit Günter und vereinbart, dass wir uns kurz vor dem Hearst Castle treffen. Nur wenige Minuten, nachdem wir vor einer Pizzeria halten, donnert die andere Gruppe an uns vorbei. Joel nimmt sofort die Verfolgung auf, wir folgen ihm und treffen endlich wieder mit den anderen zusammen. Na, das war ja was!  

Seit San Luis Obispo halten uns nur noch nordwärts und fahren die nächsten 180 Kilometer entlang der traumhaften Steilküste dieser wohl schönsten Küstenstraße der Welt, wobei der aufregendste Abschnitt mit zerklüfteten Buchten und steilen Klippen zwischen Morro Bay und Big Sur liegt. Wir fahren an einem Landvorsprung vorbei, passieren mehrere Hügel und kommen durch einen dichten Wald, der uns die Sicht auf das Meer versperrt. Nur der kühle Fahrtwind lässt uns den nahen Pazifik ahnen. Es geht vorbei an einigen Häusern, Mobilheimen, Ferienappartements und Farmen bis wir wieder das Wasser sehen können. Auf einer hellen Wiese weiden schwarze Kühe, was wieder wie gelber Stoff mit schwarzen Punkten aussieht. 

Nördlich von Morro Bay, in der Höhe von San Simeon thront auf den Bergen zur Rechten Hearst Castle wie ein ferner Märchenpalast, ein pompöses Unikum, das Touristen aus aller Welt geradezu magisch anzieht. Mit diesem monumentalen Schloss hat sich der einstige Pressezar William R Hearst hier ein Denkmal gesetzt. 

Beim Hearst Visitor Center legen wir eine 45 minütige Mittagspause ein, wir essen aber nichts, sondern sehen uns nur um. Günter ist bei den Motorrädern geblieben, und Reimar mosert , weil ich meinen Helm und die Jacke nicht da gelassen habe, sondern sie mit mir herumtrage. Das war wirklich ein Fehler, ich habe es zu spät gemerkt, deshalb muss er doch nicht meckern, schließlich trage ich meinen Krempel doch alleine. Manchmal sind Männer schon komisch. Der Park rund um das Visitor Center ist sehr schön angelegt. Mir jucken,  brennen und tränen heute meine Augen wieder. Vom Aussichtspunkt schaue ich über den Atlantik und genieße den wunderbaren Ausblick.  

Um 1.15 Uhr p.m. soll es weiter gehen, doch zuvor verarztet Thorsten noch einmal Elkes Wunde am Bein und legt ihr einen neuen Verband an. Dann fahren wir diese wunderbare Straße ein paar Meilen weiter bis zum Point Piedras Blancas, wo See Elefanten in freier Natur am Strand liegen und sich mit Sand zudecken. Sie kommen nur zur Paarung hierher, sonst schwimmen sie alleine weit hinaus, auf der Suche nach Nahrung. Sie waren schon fast ausgerottet und stehen jetzt unter Naturschutz. Am Strand steht ein buntes Kitschauto, ein VW Bus, mit seinem genauso abenteuerlich aussehenden Besitzer, der darauf wartet dass ihn die Touristen für ein paar Dollar fotografieren. Er hat das ganze Auto mit kleinen, bunten Figuren und Muscheln beklebt, keine Stelle vom Lack ist mehr zu sehen. Innen ist auch nur ein buntes Sammelsorium zu erkennen. Natürlich möchte er einen Obolus dafür haben, dass man sein Auto fotografiert. Ich bin da nicht scharf drauf, aber Reimar hat dann doch eine Aufnahme von dem Gefährt gemacht.  

Als wir den Parkplatz verlassen, fällt dem Roland seine Harley um, aber Ingrid springt sofort ab und schafft es mit ihm gemeinsam ganz schnell, die Maschine wieder aufzurichten. Da kann man mal sehen, was eine starke Frau ist, sie hat das wohl schon öfter gemacht, denn zu Hause fahren sie das gleiche Modell, nur noch schwerer, weil viel mehr Chrom daran ist. Von der rechten Seite unserer Straße schiebt sich ein Steingebirge bis ins Wasser hinein, das wir überwinden müssen, was bedeutet, dass wieder viele Serpentinen zu fahren sind. Scheinbar ohne jegliches zutun legen sich unsere gutmütigen Harleys bereitwillig von einer Kurve in die andere. Die feuchte, salzige Meeresluft tut gut nach den Wüstenetappen der letzten Tage, und hinter jeder Biegung eröffnen sich spektakuläre Ausblicke auf diese einzigartige Steilküste. Bei Big Sur verlassen wir die Panoramastraße vor der riesigen Brücke, die eine Schlucht überwindet, und fahren hinunter ans Meer. Günter bringt Klaus und Remo auf seinem Motorrad mit, weil der Van nicht bis hierher kommt, das ist schon ein verrücktes Volk! Am Strand liegen lange schlangenförmige Gewächse, die oben wie Luftballons mit Fransen darauf aussehen. Günter erklärt uns, dass sie Kelp heißen, bis zu zwölf Meter lang werden, und der Ballon oben füllt sich mit Luft, so schwimmen sie im Wasser. Man sieht sie wie Punkte auf dem Meer. Die „Schlangen“ sind innen hohl, viele Fische und anderes Getier leben darinnen. Diese Gewächse sind also sehr wertvoll für die Natur. Kalle schneidet einem Kelp den Ballon ab und hält sich das Teil wie ein Büstenhalter vor die Brust und wedelt mit den Fransen, was lustig aussieht. Ein Pelikan fliegt an uns vorbei,  das sehen wir zu Hause auch nur im Zoo. Hoch über uns überspannt die große Brücke die Schlucht, die wir gleich auf unserem Weg über den schönsten Küstenabschnitt Kaliforniens überqueren werden. Die ganze Zeit können wir den herrlichen Blick auf den Pazifik genießen, aber man sieht keine Schiffe. Der Wind ist recht kalt, und einen Moment lang wird es etwas dunstig, weil die Wolken so tief hängen. Die unterschiedliche Vegetation ist so interessant, mal grüne Bäume, dann wieder schroffe Felsen und bewachsene Berge. Über das steinige Gebirge geht unser Weg mal hinauf, mal hinunter über die schönsten Serpentinen und über mehrere Brücken, die kleinere und größere Schluchten Überwinden helfen. Auf dem Meer spiegelt sich die Sonne im Wasser, dann kommen wir wieder durch Waldstücke, die recht schattig sind.  

Die hübschesten Pflanzen auf unserem Weg sind schilfähnliche Gewächse, die oben wie Staubwedel aussehen, außen hell, und in der Mitte sehen sie fast rosarot aus. Sie stehen in Büschen zusammen und wachsen sogar auf den Steinen am Berg. Man kann sich vorstellen, dass sie in einer Bodenvase auch sehr gut aussehen würden. Aber wahrscheinlich ist es verboten, sie zu pflücken.  

Noch immer fahren wir durch das Gebirge, das anfangs gar nicht so gewaltig ausgesehen hat. Es nimmt gar keine Ende. Unsere Harleys blubbern, müssen ständig geschaltet werden. Ich werde regelrecht müde von den gleichmäßigen Geräuschen, die das Gasgeben und Abbremsen verursachen und schlafe fast ein. Offensichtlich geht es allen anderen genauso, denn Günter biegt nach links ab (wo es absolut verboten ist). Man kann ja argumentieren, dass es sich hier um einen „Notfall“ handelt, wir müssen wieder wach werden. Wir steuern ein Café an, das oben auf einem Hügel liegt. Von hier aus haben wir wieder eine atemberaubende Aussicht auf das Meer und den davor liegenden grünen Wald. Die Bergkuppen wirken oben wieder wie mit gelbem Samt bezogen, und dazwischen einige grüne Büsche als schöner Kontrast. Wir trinken Cappuccino für 5.50 Dollar!! Da tröstet es, dass wir hier in Amerika schon soviel Kaffee nachgeschenkt bekommen haben. Sicher muss man hier die schöne Aussicht mitbezahlen. Wir sitzen an einer langen urigen Holzbar, vor uns das herrliche Panorama und hoffen, der Kaffee macht uns wieder munterer. Um 5.30 Uhr p.m. machen wir uns wieder auf den Weg, vorbei an einigen Restaurants und Motels, aber keines hat so eine tolle Aussicht, wie das Restaurant, in das uns Günter geführt hat. Er kennt sich hier wirklich bestens aus, wovon wir immer wieder profitieren. 

Wieder kommen wir durch ein Waldgebiet, und dahinter sind Hügel, die uns den Blick zum Meer versperren. Im Wald riecht es wunderbar nach Nadelholz, es erinnert mich an Weihnachten. Es soll sich um Eukalyptus handeln, den ich vorher auch noch nicht erlebt habe. Als sich der Wald lichtet, fahren wir wieder an Felsen vorbei, auf denen rote Bodendecker leuchten. Zusammen mit den anderen grünen Pflanzen ergibt sich ein schönes Farbenspiel. Wir kommen der Küste wieder näher und fahren über zwei Brücken, die zwei tiefe Schluchten überspannen und an denen steht, dass sie 1932 gebaut wurden. Immer wieder ragen Landzungen ins Meer, die Sonne bescheint eine scheinbar ruhige See, das Wasser sieht im Sonnenlicht richtig blank aus. Aber das täuscht, die Wellen brechen sich mit Wucht an den ins Wasser und über das Wasser ragenden Felsen. Der Himmel über uns ist blau, aber direkt über dem Meer ist ein breiter dunkler Wolkenstreifen, der das Wasser düster und unheimlich erscheinen lässt. Langsam verschwindet die Sonne hinter diesem Wolkenband, um immer wieder etwas hervorzubrechen und noch einige letzte Strahlen auf das Wasser zu werfen.  

Vor uns öffnet sich ein Tal, und die Sonne bescheint den hellen Sandberg vor uns. Wir kommen an einer großen Badebucht vorbei nach Carmel. Dirk hat uns soviel davon vorgeschwärmt, denn hier wohnt sein großer Schwarm Doris Day. Er verehrt diese Schauspielerin und Sängerin seit seinem zehnten Lebensjahr mit einer unwahrscheinlichen Treue und hat sämtliche CDs, Filme und Biografien von ihr. Hier fühlt man sich dieser großartigen Künstlerin, die sich seit Jahren mit ihren Tieren in Carmel zur Ruhe gesetzt hat, sehr nahe, ich kann seine Gefühle nachvollziehen und halte eine innerliche Gedenkminute ab. Das 5000 Einwohner zählende Städtchen Carmel geriet vor einigen Jahren in die Schlagzeilen, weil die Bürger den Westernstar Clint Eastwood zum Bürgermeister gewählt hatten. Der Ort wirkt sehr gepflegt, und hinter Kiefern und Zypressen verstecken sich die schönsten Villen. Dann kommen wir nach Carmel Village, das erheblich größer ist als Carmel. Nach langer Zeit treffen wir wieder auf Ampeln, was inzwischen für uns völlig ungewohnt ist. Auf einer zweispurigen Straße cruisen wir in Viererreihen versetzt durch die Stadt, da kommt kein Auto durch, und wir kommen ungestört vorwärts, es ist einfach irre! Alsbald erreichen wir Monterey, jenen noblen Urlaubsort, der neben Pebble Beach, einem der schönsten Golfplätze dieser Welt, auch die berühmte Cannery Row aufzuweisen hat. 1945 setzte John Steinbeck dieser Stadt mit den ehemaligen Fischverarbeitungsanlagen durch seinen Roman „Die Straße der Ölsardinen“ ein literarisches Denkmal. Dieser Roman wurde mit Nick Nolte in der Hauptrolle verfilmt, und in Monterey gedreht. Er wurde vor vielen Jahren im Fernsehen gezeigt, und ich werde ihn mir bei Gelegenheit noch einmal mit ganz anderen Augen ansehen. Reimar wünscht sich jetzt das Buch zu Weihnachten. Die alten Fischkonservenfabriken, die früher ekelhaft stanken, gibt es inzwischen nicht mehr. Auf einem ehemaligen Fabrikgelände entstand mit dem Monterey Bay Aquarium einer der besten Meereszoos der USA. Heute finden sich in der Cannery Row hervorragende Fischlokale, Kneipen sowie zahllose Antiquitätenläden und andere Geschäfte. Statt Sardinen fangen sie Touristen ein, und diese Gattung ist nicht so leicht auszurotten. 

Wir halten uns Richtung North Fremont und wenden nach einem kurzen Stück, weil wir auf der gegenüberliegenden Seite unser Tagesziel, das Best Western De Anza Inn erreicht haben. Der Platz vor dem Hotel ist nicht allzu groß. Wir parken vor dem Zaun des Swimmingpools, der zwar gut geheizt ist, - wir aber nicht!  Ich bin durchgefroren und verspüre nicht das Bedürfnis in den Pool zu gehen, aber Reimar will sich ein Bad nicht entgehen lassen. 

Günter verteilt unsere Zimmerschlüssel. Das Zimmer ist riesig groß, geht zur Straße hinaus und hat das Fenster mit einem kleinen Erkerchen, in dem ein quadratischer Tisch und zwei Sesselstühle stehen. Das wirkt sehr gemütlich. Die Best Western Hotels sind in der Ausstattung immer einen Kick besser und geschmackvoller eingerichtet als die anderen. Unterkünfte. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich unsere „Mopeds“ und den Pool, dahinter liegt dann gleich die Straße. Die Bettdecke ist beige/rot/petrol gemustert, dazu die passenden Gardinen und eine petrolfarbene Auslegeware. Die Zimmerausstattung ist genauso geschmackvoll wie gestern in Bakersfield, nur der Standort und die Außenanlagen sind nicht so schön. Man hört denn Lärm der Straße ziemlich laut, und eben startete ein Flugzeug von dem nahen Flugplatz, wir können uns also wie zu Hause fühlen. Uns wird der Krach aber kaum stören, denn wir sind abends immer so kaputt, dass wir stets sehr gut schlafen.  

Als wir im Hotel eintreffen, ist es 6.30 Uhr p.m. Wir vermissen noch unser Serviceauto mit dem Gepäck, welches aber nach kurzer Zeit um die Ecke biegt. Aber wo sind Reinhard und Rosemarie?  Wir machen uns schon Sorgen, dann treffen sie mit 45 Minuten Verspätung doch noch ein. Sie sind an einer roten Ampel stehen geblieben, als sie bemerkten, dass noch der Servicebus und zwei Motorräder aus unserer Gruppe neben ihnen sind. Doch die gaben plötzlich Gas und fuhren noch bei spätgrün über die Kreuzung. So standen die beiden plötzlich ganz alleine da und hatten zu tun, uns zu finden. Sie haben sich daraufhin geschworen, nie mehr auf andere zu warten. Nun sind wir froh, alle wieder vereint zu sein. In einer Stadt mit vielen Ampeln ist es immer schwierig, die Gruppe zusammen zu halten, und ich bin erstaunt, wie gut das bisher immer geklappt hat. Zum Glück haben wir die Übernachtungsadressen immer auf den Tagestourkarten zu stehen, da kann man in Städten jederzeit ein Taxi anhalten, die Fahrer kennen sicher den richtigen Weg. In der Wüste verliert man sich nicht, da passt Günter schon auf. In der Regel funktioniert die Organisation hervorragend. Bernhard hat uns heute wieder ein Kompliment gemacht, weil er nicht gedacht hätte, dass wir so eine tolle Truppe sind. Auch die Einzelreisenden, die sich ja ihr Zimmer mit einer ihnen bis dahin fremden Person teilen müssen, verstehen sich, soweit ich das mitbekommen habe, sehr gut und sind zum Teil schon Freunde geworden. Man hat sowieso das Gefühl, als würden wir uns schon alle ewig kennen, so gut ist die Gruppe zusammengewachsen.

Günter hat sich wieder bemüht, uns ein Abendprogramm zu bieten. Wir treffen uns um 8.00 Uhr p.m. und wollen mit Taxis in die Innenstadt fahren, Günter hat sie schon für uns bestellt. Wir wollen in einem der vielen Restaurants Fisch essen und anschließend in einem Jazzlokal Live Musik von verschiedenen Livebands hören. Nach unserer gestrigen Erfahrung bin ich ziemlich skeptisch, aber wir sind ja für alles offen. Doch vorher springe ich noch unter die Dusche, während Reimar in den beheizten Pool geht. Auch ihm ist das Wasser zu kalt, darum benutzt er noch das warme Sprudelbad. Wir müssen uns ganz schön beeilen. Als wir endlich fertig sind und nach unten kommen, sind die ersten Taxen schon weg. wir müssen ganz schön lange auf ihre Rückkehr warten. Reimar holt mir noch eine wärmere Jacke, denn es ist ziemlich kühl. Wir werden direkt vor dem Jazzlokal Sly mc. Fly’s abgesetzt. Die Taxifahrt war nicht sehr weit und recht preiswert, pro Person mussten wir 2,50 Dollar bezahlen. Unsere Truppe sitzt schon an einem langen Tisch, für uns haben sie zwei Plätze freigehalten, war ich ganz lieb finde. Damit ist auch entschieden, wo wir heute etwas essen. Es stand noch ein anderes, wesentlich teureres Fischrestaurant, allerdings ohne Live Musik, zur Auswahl, das muss ja nicht sein.  Wir entscheiden uns für einen gemixten Fischteller mit Cole Slaw und Pommes frites für 12.45 Dollar, es schmeckt uns ausgezeichnet, der Preis ist angemessen. Reimar trinkt dazu drei Guinnes Bier, ich lasse mit drei Glas kalifornischen Cabernet munden, und schon sind wir um 71,00 Dollar ärmer. Das Geld hat hier in Amerika Beine. Im Gegensatz zu gestern hat sich dieser Einsatz aber gelohnt, das Essen ist sehr gut, die Getränke  einwandfrei und die Musik ist auch ganz nach unserem Geschmack. Es wird sogar danach getanzt, wir wollten einen Jive tanzen, aber meine Turnschuhe sind auf dem Linoleumboden zu stumpf und drehen nicht richtig, so geben wir schnell auf. Am Nebentisch sitzen einige Amerikanerinnen mit ihren Begleitern. Remo fordert sich eine Dame auf und tanzt sehr schön mit ihr. Er ist etwas kleiner als sie und legt seinen Kopf an ihrem Busen ab. Sie macht das auch gut mit, dann fordert er eine Kellnerin auf, die ihm andeutet, dass sie arbeiten muss, da nimmt er ihr einfach das Tablett aus der Hand und tanzt ein paar Runden mit ihr. Es ist eine nette Stimmung in dem Lokal, aber wir sind ziemlich müde und als sich Rosemarie und Klaus um 11.30 Uhr p.m. ein Taxi nehmen, steigen wir gleich dazu, fahren zum Hotel und fallen in unser Bett.

12. Übernachtung im Best Western De Anza Inn in Monterey   Fahrstrecke:  415 Kilometer       

 

12. Tag,  Donnerstag, 07. Oktober 2004, 10. Fahrtag      Zum Anfang

Der Wecker klingelt heute erst um 7.00 Uhr, alles läuft etwas ruhiger ab. Inder Hotelhalle sitzen schon Ronald, Hella, Reinhard und Rosemarie auf dem Sofa, essen süße Teilchen, trinken Kaffee, Tee und Saft dazu. Dieses Frühstück gehört zum Übernachtungspreis dazu, das ist zwar nicht umwerfend, aber immerhin etwas. Das Essen ist in Amerika sowieso etwas merkwürdig und gewöhnungsbedürftig. Da wir heute nur 240 Kilometer vor uns haben, starten wir erst um 9.00 Uhr. Das Wetter ist diesig, aber die Sonne wird sich hoffentlich durchsetzen. Wir fahren nach Monterey hinein, die Cannery Road hindurch, kommen an unserem gestrigen Jazzlokal Sly mc Fly’s vorbei, weiter geht es hinunter Richtung Aquarium und direkt am Meer den Oceans View Boulevard entlang. Schöne kleine Häuschen säumen die Straße und Restaurants, immer mit Blick auf den Ozean. In einem Haus mit vorgebautem Erker fällt mir hinter einer großen Fensterscheibe ein tolles Fernglas, ganz aus Messing, auf, das auf einem Edelholzgestell befestigt ist und dem Besitzer den Blick über das Meer erleichtert. Der Rasen vor den Häusern ist schön grün. Nur die hässlichen Stromleitungen, die hier die Straße überspannen, stören das schöne Bild. Es sieht aus, wie bei uns die Straßenbahnoberleitungen.  

Nachdem wir getankt haben, fahren wir durch eine bewaldete Straße, die ebenfalls Ocean View heißt und direkt nach Carmel hinunter zum Strand führt. Das Wasser ist türkisfarben und fällt in gemäßigte Wellen gegen das Ufer. Der Carmel Bay liegt zwischenzwei Landzungen, im Norden der Pebble Beach und im Süden der Point Lobos, die weit ins Meer ragen. Hier soll es Seeottern, Seelöwen und Seehunde geben, vielleicht sehen wir welche! Wir sind um 10.00 Uhr in Carmel bei inzwischen schönstem Sonnenschein angekommen und haben bis 12.00 Uhr Zeit, diese Idylle zu genießen.  Ach, Dirk, wir wandeln jetzt auf Deinen Spuren, Du hast uns so viel davon erzählt, und jetzt bin ich selber hier und kann Deine Gefühle sehr gut verstehen. Ich setze mich auf einen großen Stein und schaue über das Meer. Richtung Point Lobos ist das Wasser heller, es sieht wie eine große Sandbank aus, die sich für die Seelöwen nahezu anbietet. In diesem Naturschutzgebiet leben außer Seelöwen auch Seeotter, Pelikane und Kormorane. Ich bin gespannt, ob wir einige von diesen Tieren zu sehen bekommen. Dann laufe ich ein Stück die Ocean View hinauf, um mir die hübschen Häuser anzusehen, dabei komme ich an einem freien Platz vorbei, auf dem ein Künstler sitzt und ein Bild malt. Ich würde gerne näher zu ihm gehen, um zu sehen, was er da im Blick hat, möchte aber nicht stören. Als wir pünktlich zu unseren Maschinen kommen, ist die blaue Gruppe schon abgefahren. Wir fahren schnell hinterher und schaffen es zum Glück, sie einzuholen. Wir cruisen über den Motorway 218 nach Norden, mit herrlichen Ausblicken über die Monterey Bay, der „blauen Schüssel“, wie John Steinbeck sie einmal nannte. Über Marina kommen wir zu unserem nächsten Ziel, dem traditionsreichen Ausflugsort Santa Cruz, wobei wir die größten Artischocken- und Fenchelfelder Kaliforniens zu sehen bekommen. Die Artischocken, ursprünglich aus Italien eingeführt, machten in Kalifornien Furore der Westküstenstaat wurde zum Hauptlieferanten für die USA. Wir erblicken Landwirtschaft, soweit das Auge reicht. Andere Agrarflächen sehen wie unsere Spargelfelder aus, und auf einem Feld sind eifrige Feldarbeiter tätig, sie pflücken Erdbeeren. Bei den Feldern ist es wieder recht neblig, und der Fahrtwind ist eiskalt. Es scheint unser erster Tag mit etwas schlechterem Wetter zu werden. Wir biegen auf den Highway Nr. 187 ab, der uns zum Highway Nr. 1 zurückführt. Die Straße zieht sich jetzt etwas vom Wasser zurück. Als wir in Santa Cruz eintreffen, scheint zum Glück wieder die Sonne. Die rote Gruppe fährt auf eine Seebrücke, wo wir einen Parkschein lösen müssen, während die blaue Gruppe vorher nach links abbiegt. Es dauert aber nicht lange, da stoßen sie zu uns. Hier machen wir bis 2.00 Uhr p.m. Mittagspause.

Santa Cruz wurde schon im vorletzten Jahrhundert von den reichen Bürgern San Francisco’s zur Sommerfrische genutzt. Ein ständiger Vergnügungspark direkt am idyllischen Strand gelegen, lädt Touristen und Besucher zum Verweilen und zum kleinen Spaziergang im Sand ein. Wir schauen von der Seebrücke zum Strand hinüber, nur wenige Leute sind dort, einige baden. Im Wasser sehen wir eine Schwimmerin mit Flossen und dicht neben ihr schwimmt ein Seelöwe, den sie offensichtlich noch gar nicht bemerkt hat. Ab und zu kommt seine Rückenflosse aus dem Wasser und sein Kopf taucht auf. Hübsche Häuser und Palmen säumen den Strand. Ein großes, gelbes Haus mit zwei Etagen hat in der Mitte auf dem Dach eine Kuppel, auf der eine Fahne weht, die Häuserfront wird von vielen Arkadenbögen geschmückt. Hinter dem Haus fängt ein großer Rummel an, mit einer Achterbahn und einem kleinen Riesenrad, der sich bis zur nächsten Landzunge hinzieht. Auf einem Ponton neben der Seebrücke liegt eine Seelöwenmutter mit ihrem Jungen. Weiter vorne hören wir das laute Ök, Ök, Ök der Seelöwen. Die Brücke hat abgezäunte Aussperrungen, wenn man da hineinschaut, sieht man ihre massigen Körper in großer Zahl auf den Eisenträgern liegen. Ich finde es ja interessant diese Tiere in freier Natur zu erleben. Aber ein Freund von uns, der in Louisiana lebt, empfindet diese Tiere als Plage, weil sie sich auch auf die im Hafen liegenden Segel- und Motorboote legen und diese dann mit ihrem schweren Gewicht zum kentern oder sogar zum sinken bringen. Das kann natürlich für die Eigner böse Überraschungen geben.  

Auf der Seebrücke gibt es diverse Restaurants und Imbissläden. Beim vordersten Imbiss wollen wir uns etwas zu essen bestellen, aber der Verkäufer versteht kein Wort von unserem lupenreinen Englisch. Wir haben nicht mehr allzu viel Bargeld und sind auch nicht besonders hungrig, deshalb wird uns ein kleiner Snack reichen. Mit viel Mühe bekommen wir für mich einen Mikro Shrimps Cocktail aus rohen Shrimps in einer kleinen Hütchentüte mit etwas Ketchupsoße, die sehr scharf ist. Diese tolle Mahlzeit kostet 3,25 Dollar. Reimar isst einen zermatschten Krabbencocktail mit der gleichen Soße für 2.50 Dollar mit einem kleinen Kräckerli. Mir fehlt etwas Brot dazu, aber das bekommen wir nicht, weil der Verkäufer uns nicht verstanden hat. Als Krönung unserer Mahlzeit gieße ich mir noch meine Coca Cola über Jacke, Pulli und Hose, weil der Becher nicht ordentlich verschlossen und viel zu voll ist. Wir sitzen zusammen mit Ronald und Hella in der Sonne, hören das ständige Ök, Ök, Ök der Seelöwen und müssen sehr aufpassen, dass uns die frechen Möwen nicht unser bisschen Essen klauen, denn sie kommen bis auf unseren Tisch. Als wir zurück zu unseren Motorrädern laufen, können wir noch einen Pelikan ganz nah fotografieren, der hier zwischen all den Touristen auf der Brücke sitzt und sich von den vielen Menschen überhaupt nicht stören lässt. Vor uns hat Klaus ihn gefilmt, da stand er noch, doch dann plumpste er hin und ist nicht mehr zu bewegen, für unser Foto aufzustehen. Vor uns im Wasser toben einige Seelöwen. Es ist für uns ein Erlebnis, sie in freier Natur und in so großer Menge zu beobachten. Hier sehen wir auch die ersten Segler auf dem Meer.

Pünktlich sind wieder alle bei ihren Motorrädern, und wir durchqueren an hübschen Häusern vorbei die Stadt. In Santa Cruz verlassen wir die Küste und den herrlichen Highway Nr. 1 und setzen unseren Weg auf der Straße Nr. 9 in Richtung San Francisco, unserer Endstation, fort. Im weiteren Verlauf unserer Tagesetappe ändert sich die Vegetation grundlegend. Bedingt durch die ganzjährig feuchte, kühle Luft, die hier vom Meer über die Küstengebirge streift, weist die ganze Region dichte, urwaldähnliche Wälder auf. Die Fahrt durch die Santa Cruz Mountains, weit oben auf einer Anhöhe entlang, führt uns traumhaft durch einen kühlen Wald mit hohen Bäumen, die einen guten Geruch ausströmen und für ein gutes Klima sorgen. Reimar kommt wieder voll auf seine Kosten, denn Serpentinen auf Serpentinen bringen uns den absoluten Fahrkick. Einmal macht unsere Harley einen solchen Satz, dass ich fast oben über Reimar hinweg hopse. Da kann er nichts dafür, sagt er, als ich mich beschwere!  Einige kleine Städtchen liegen an unserem Weg. Wir biegen nach links auf die Road 35 ab. Ich werde schon wieder schrecklich müde von diesen abwechselnden, jedoch monotonen Geräuschen zwischen Abbremsen und Gas geben.





 
                                  

Wir fahren noch ungefähr zehn Minuten weiter und kehren dann mitten im Wald in Alice’s Restaurant zum Kaffeetrinken ein. Es ist ein ganz bekannter Biker Treffpunkt, der sogar in einem Lied besungen wurde. Uns wird die Möhrentorte sehr empfohlen, die auch wirklich lecker zu unserem Kaffee schmeckt. Wir sitzen gemütlich auf der großen Holzterrasse, wo natürlich wieder viele Fotos gemacht werden.
 

Günter tauscht uns netter Weise 50 Euro in Dollar um, damit wir in den letzten beiden Tagen noch über genug Bargeld verfügen können. Wir haben heute auch beschlossen, für unsere guten Guides zu sammeln, da reichen unsere letzten Eindollarnoten nicht mehr. Ich habe eigentlich gedacht, dass wir noch viel öfter mit Kreditkarte bezahlen, aber offensichtlich kehren die Amerikaner wieder mehr zum Bargeld zurück, was mir auch viel besser gefällt. Ab jetzt führt Günter unsere beiden Gruppen an, weil Sophia bei Joel wieder verkehrt herum auf dem Sozius sitzt, um uns zu filmen. Immer noch geht es durch den hohen Wald, es ist richtig dunkel, die Bäume umschließen uns wie ein Tunnel. Rechts und links unseres Weges gehen kleinere Straßen ab, die zu Ranches und Häusern führen, diese Gegend scheint gut bewohnt zu sein, das erkennt man an den vielen Briefkästen. Dieses Land Amerika ist so weit und groß, aber viele Gegenden, die wir auf unserer Tour gesehen haben, sind für Menschen nicht bewohnbar, weil sie absolut unzugänglich oder einfach zu trocken sind. Dort müssen es nur die armen Indianer aushalten. Überall, wo es Wasser gibt, häufen sich die Ansiedlungen. Nur ab und zu geben uns die Bäume zwischendurch einen kurzen Blick ins Tal frei. Dann öffnet sich auf der linken Seite für kurze Zeit unvermutet ein weites, hügeliges Tal. Auf einer Anhöhe halten wir an einem interessanten Aussichtspunkt an und schauen auf der rechten Seite hinunter auf die San Francisco Bay. Wir sehen die Bucht und können in der prallen Sonne die Brücke, die dort hinüberführt nur erahnen. Zu unserer linken Seite soll San Francisco liegen, aber wie wohl meistens, liegt die Stadt im Nebel. Von hier aus sieht es aus, als hätte jemand Watte darüber gelegt. Inzwischen habe ich gelernt, dass San Francisco fast immer im Nebel liegt. Das habe ich bisher nicht gewusst, denn in Filmen habe ich die Golden Gate Bridge immer ganz klar in der Sonne liegen sehen. Inzwischen weiß ich, dass diese berühmte Brücke nur an 40 Tagen im Jahr klar zu sehen ist, das ist ein Phänomen. Die San Francisco Bay liegt etwas im Landesinneren und wird durch San Francisco vom Pazifik getrennt. Die Golden Gate Bridge verbindet San Francisco mit Sausalito und trennt die San Francisco Bay vom Pazifik. Die Bucht wird von mehreren Brücken überspannt.  

Wir steigen wieder auf unsere Motorräder und fahren bergab, immer mit Blick auf diese schöne Bucht. Auf der gegenüberliegenden Seite sehen wir eine Straße mit regem Autoverkehr. Die Fahrzeuge blinken in der Sonne und wirken als würde man Perlen auf eine Schnur ziehen. Auch auf unserer Seite wird der Verkehr merklich dichter. Wir überqueren die Bucht auf einer Brücke, biegen nach rechts ab und reihen uns in den fließenden Verkehr ein. Dazu müssen wir dicht zusammen bleiben, damit man uns als Gruppe erkennt, das wird in Amerika wirklich toleriert. Meistens macht man uns Platz, oder fährt nur kurz zum Abbiegen in unsere Reihe, um unsere Spur schnellstens wieder zu verlassen. Oft winkt man uns freundlich zu, und bei jeder Gelegenheit werden wir gefragt, wo wir herkommen. Die Amerikaner sind sehr interessiert und unheimlich nett. 

Wir bewundern Günter, wie souverän er uns führt. Wir wechseln von der Road auf den Motorway 101- Hier herrscht soviel Verkehr, dass wir sogar ab und zu zum Stehen kommen. Dennoch schaffen wir es, unser Motel Best Western El Rancho Inn in Milbrae zu erreichen und sind glücklich, dass wir niemanden verloren haben. Das war wieder ein harter Tag für unsere Guides. Die letzte Schwierigkeit für sie war, am Hotel einen Parkplatz zu finden. Die sind zwar reichlich vorhanden, aber alle besetzt, weil der Flugplatz so nahe ist und viele Parkplätze an Leute vermietet werden, die wegfliegen. Wir umkreisen die verwinkelten Gebäude und finden zu guter letzt noch einen passenden Platz für uns alle und zwar so günstig genau vor dem Trakt, in dem unsere Zimmer liegen. Günter versorgt uns wieder ganz schnell mit unseren Zimmerschlüsselkarten. Ich schaue nach, wir haben Zimmer 707, Reimar schließt aber Zimmer 705 auf und behauptet, ich könne nicht richtig lesen. Dafür stehen Blunschis noch ohne Zimmerschlüssel da, denn wir haben aus Versehen zwei Karten bekommen, sie klebten aneinander. Günter war natürlich schon unterwegs, um für sie den fehlenden Schlüssel zu holen, als wir den Fehler bemerken. Aber wie immer klärt sich alles auf. Das Design der Möbel wirkt etwas rustikal antik. Der Waschtisch befindet sich vor dem Bad, links davon führt eine Tür zur recht engen Toilette und der Badewanne mit Duschvorhang.  

Wer gehen in das Restaurant der Anlage zum Essen. Reimar wählt ein Schweinesteak mit Möhren, Brokkoli und Stampfkartoffeln, ich lasse mir wieder einen Shrimpssalat munden, der wirklich lecker schmeckt. Leider kommen mir die Frühlingszwiebeln („Bollenpiepen“) immer wieder in Erinnerung. 

Um 9.00 Uhr p.m. wollen wir uns in Günters Suite treffen, der sich ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und eine Küche mit Klaus teilt. Er ist selbst erstaunt, dass sie ein richtiges Appartement bekommen haben und lädt uns alle zu einem Abschiedsabend zu sich ein, weil er der Meinung ist, da sind wir viel ungestörter als morgen in irgendeinem Restaurant. Da hat er sicherlich Recht.

Leider bekommt er sein Essen zu spät, und wir warten alle pünktlich vor seiner Tür. Bis auf Rosemarie, die sich erkältet fühlt und gar keine Stimme mehr hat, und ihr Mann Klaus sind alle da. Als Günter endlich kommt, bringt er sich sein Essen in einer „Doggibox“ mit und verspeist es schnell in der Küche. Sicher hätte er sein Mahl gerne mit mehr Ruhe und Appetit gegessen. Das große Wohnzimmer reicht gerade für uns aus, Stühle haben wir uns mitgebracht, denn unsere Zimmer liegen alle nebeneinander. Nur Thorsten und sein Vater Jürgen sind sehr müde und verabschieden sich nach kurzer Zeit. Günter spendiert uns allen Freibier und hält eine sehr wohlwollende Rede, worin er unsere Gruppe als sehr nett und diszipliniert lobt. Er schätzt sich glücklich, dass unsere Reise bisher ohne größeren Zwischenfall verlaufen ist. Er bittet uns, ihn und das Reisestudio Nürnberg weiter zu empfehlen, wenn wir zufrieden mit dem Reiseverlauf sind, weil das immer reeller ist, als wenn sie sich selbst loben würden. Das werden wir mit gutem Gewissen gerne tun. Diese Tour war sehr schnell ausgebucht, und zum Glück gab es einen sehr frühen Meldeschluss, sonst hätte man noch viel mehr Interessenten absagen müssen. Aus diesem Grund wird genau unsere Fahrstrecke im Jahr 2005 vom 25. September bis zum 09. Oktober, also zur gleichen Jahreszeit wiederholt, obwohl vom 16. Juni bis zum 01. Juli 2005 bereits eine von der ADAC Motorradwelt empfohlene Leserreise in Zusammenarbeit mit dem Reisestudio Nürnberg und Eaglerider Motorcycle Tours USA ebenfalls unter Günters Reiseleitung durch die Rocky Mountains stattfinden wird, die von Salt Lake City über Escalante bis nach Las Vegas führen wird. Zum Schluss verteilt Günter noch Pins von den Eagleridern als besondere Auszeichnung und findet dabei für jeden einzelnen Teilnehmer ein paar nette, persönliche Worte. Reimar und ich werden gebeten, für die ADAC Motorradwelt, die als nächstes wieder im April 2005 erscheinen wird, einen Artikel zu schreiben, weil ich so eifrig Tagebuch geführt habe und sie mich für kompetent erachten. Reimar sagt sofort zu, weil wir voll dahinter stehen und uns dieser Artikel auch ein Bedürfnis ist. Wir sind überzeugt, wer je die Absicht hat, mit einer Harley durch Amerika zu fahren, sollte es mit dieser Organisationseinheit tun, man wird wirklich bestens betreut. Bernhard hat gute Verbindungen zum ADAC und will sich für den Abdruck einsetzten. Wir füllen alle noch eine Adressenliste aus, die jedem Teilnehmer als Vervielfältigung zugeschickt werden soll, damit wir zwecks Austausch von Fotos untereinander Kontakt aufnehmen können. Es geht wieder sehr lustig zu, Als Günter seine Ansprache beendet hat, steht Remo auf und hält eine zu Herzen gehende Dankesrede, weil er sich bei uns so wohl gefühlt hat. Danach ergreift Jörg das Wort und spricht in unserem Auftrag den Dank der Gruppe an unsere Reiseleitung aus. Auch er findet für jeden Teilnehmer ein paar launige Worte und gibt einige Anekdoten zum Besten. Er macht das wirklich sehr gut. Elke bekommt unter anderem ihr Fett weg, weil sie keinen Widerspruch duldet Auch sein Zimmernachbar, den er von zu Hause kennt, weil sie zusammen arbeiten, bekommt auf nette Art ein paar Seitenhiebe. Am Schluss seiner Ansprache überreicht er unserer Reisleitung unser Überraschungsgeschenk. Der Jörg war die ganze Zeit über immer sehr ruhig, eigentlich hätten wir ihm so eine lustige Rede gar nicht zugetraut. Es wird wieder viel gelacht und natürlich auch getrunken, im nu ist das Bier alle und Klaus und Joel müssen für Nachschub sorgen. Das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass das Bier so knapp war, nein, - wo unsere Gruppe hinkommt, ist immer schnell das Bier alle. Das haben wir ja unterwegs in mehreren Restaurants erlebt. Um 12.00 Uhr p.m. löst sich die fröhliche Runde auf, und wir gehen zu Bett. Wir schlafen schnell ein, die Nacht ist erstaunlich ruhig, obwohl dicht an unserem Motel der Flugplatz von San Francisco liegt und direkt neben der Anlage eine Eisenbahn vorbei fährt, die meistens auch noch hupt. 

13. Übernachtung im Best Western El Rancho Inn in Milbrae         Fahrstrecke:  240 Kilometer  

 

13. Tag, Freitag, 08.Oktober 2004,  11. Fahrtag       Zum Anfang

An unserem letzten Fahrtag klingelt um sieben Uhr der Wecker. Links neben uns wohnen unsere Schweizer, die drei Blunschis, auf der rechten Seite sind Elke und Peter unsere Nachbarn. Ich bekomme von Remo meinen obligatorischen Morgenkuss, den er stets großzügig unter uns Frauen verteilt. Das Frühstück  ist wieder im Preis inbegriffen, das heißt continental. (Kaffee, Tee, Orangensaft und eklig süßen Kuchen beziehungsweise Schnecken. Ich kann so süßes Zeug nicht zum Frühstück essen, ich brauche immer etwas herzhaftes..  

Dann laden wir zum letzten mal unser Gepäck in den Van. Wir geben auch unsere Schlafsachen und Reimars Rucksack mit auf, weil wir heute schon um etwa 3.00 Uhr p.m. die Motorräder abgeben müssen. 

Um 9.00 Uhr wollen wir unseren letzten Fahrtag starten, doch zuvor wird unser Ersatzmotorrad, eine knatternde Fat Boy, abgeladen, denn wir lassen das Serviceauto am Hotel stehen. Es ist nicht mehr weit bis San Francisco und einfacher, ohne den Van durch die große Stadt zu fahren. Außerdem hat Klaus dadurch auch einmal die Chance, Motorrad zu fahren, was ihm sicher mehr Spaß macht als mit Bus und Anhänger durch die Gegend zu kurven. Wir nähern uns der Metropole San Francisco von Süden her auf dem Highway Nr. 1 und lenken unsere Bikes direkt zur Golden Gate Bridge. Die Fahrt ist recht stressig, aber wir bleiben dicht zusammen. Günter führt uns sicher durch das Verkehrsgetümmel. Bernhard fährt in der Mitte der Gruppe und der ortskundige Joel macht heute das Schlusslicht. Vor der Brücke halten wir an, und Joel fährt nach vorne, damit Sophia uns bei der Fahrt über die Golden Gate Bridge, dem „Goldenen Tor“ filmen kann, die natürlich wieder vom Nebel eingehüllt vor uns liegt. Nur ab und zu kommen die Halteseile durch die Nebelschwaden. 

Dieses wahrhaft gigantische Bauwerk wurde 1937 fertig gestellt und bildet den Eingang zur San Francisco Bay. Zwischen den beiden 227 Meter hohen Pfeilern hängt die Fahrbahn auf 1280 Meter Länge nur an den fast einen Meter dicken Stahltrossen in 67 Meter Höhe über dem Wasser. 

Ich habe extra meinen Fotoapparat über Nacht geladen und einen neuen Chip eingelegt, damit ich keinen guten Schnappschuss versäume und mache ein Foto nach dem anderen, aber irgendetwas blinkt und scheint nicht in Ordnung zu sein. Auf der Brücke sieht man in dem Dunst nicht viel, ab und zu kommen die Landzungen, die rundherum liegen, etwas vor, um gleich wieder zu verschwinden. Wir sind ganz schön enttäuscht.– Nach der Überquerung dieses einzigartigen Bauwerks führt uns eine kleine Nebenstraße über vielen Serpentinen hoch in die Berge jenseits der Stadt, von wo wir einen grandiosen Überblick auf die Brücke und die Skyline San Francisco’s genießen. Keine andere Stadt auf amerikanischem Boden besitzt eine ähnliche phantastische Lage und einen vergleichbaren Charme wie San Francisco. Ab und zu erkennen wir auch Teile der Gefängnisinsel Alcatraz, die aber nicht zu fotografieren ist, so schnell verschwindet sie wieder. Von hier oben erkennt man ganz deutlich, dass nur die Brücke in Watte verpackt ist, rundherum herrscht der schönste Sonnenschein mit blauem Himmel. Der Dunst kommt vom nahen Pazifik herüber. Thorsten fotografiert uns zusammen auf unserem Motorrad, das haben wir in den zwei Wochen noch nicht geschafft. Wir fahren zum letzten Tanken die Berge hinab und reihen uns in den lebhaften Verkehr ein. Danach geht es wieder geht es in schönen Kurven einen Berg hinauf. Von hier aus ist es nicht mehr weit zum Muir Woods Park, einem der letzten Refugien, in dem man zwischen den bis zu zweitausend Jahren alten Mammutbäumen spazieren gehen kann. Zum Teil sind die Red Wood Bäume auseinandergebrochen, oder haben im Stamm mannshohe Löcher, in denen sich die Touristen fotografieren lassen. Die Stämme sind riesig hoch, viele sind ganz gerade gewachsen, ohne Äste im unteren Teil, andere sehen merkwürdig verdreht aus. Uns erschließt sich ein interessantes Bild von diesen ältesten Lebewesen Amerikas. Die Luft ist sehr angenehm, und wir genießen diese Stunden der Besinnung, bevor wir zum letzten mal die herrlichen Serpentinen wieder hinunter fahren. Rechts neben der Straße geht es ziemlich steil abwärts in einen Wald hinein, Höhenangst darf man hier nicht haben. Es riecht wieder sehr angenehm nach Eukalyptusbäumen, aber Koalas gibt es hier wohl nicht. In der nahen Umgebung sehen wir ausschließlich kleinere Häuser, nur in der Ferne erhebt sich eine Skyline aus Hochhäusern.  

Nahe dem Ausgang vom Muir Wood finden wir eine Telefonzelle. Wir haben uns ja am dritten Tag für fünf Dollar eine Telefonkarte geleistet, die wir schon oft benutzt haben, trotzdem haben wir noch für dreißig Minuten Einheiten darauf, darum wollen wir uns noch einmal bei den Kindern melden.  

Als wir über die Golden Gate Bridge zurückfahren, müssen wir für jedes Motorrad fünf Dollar bezahlen, dafür, dass wir vor Nebel nichts gesehen haben, ein stolzer Preis! Ich wollte schon fragen, was die Überfahrt bei Sonne kostet. Dafür verabschiedet uns der Kassierer sehr nett. Unterwegs werden wir oft fotografiert, am Straßenrand und aus den Autos winken uns die Menschen zu, es ist eine angenehme Atmosphäre. Allerdings geht uns der starke Verkehr ganz schön auf die Nerven, jede Ampel ist rot. Der Blick auf die San Francisco Bay ist einmalig schön. Eine Fähre und etliche Segelboote gleiten auf dem Wasser dahin und sogar ein alter Dreimaster segelt mit achterlichem Wind durch die Bucht.  

Nördlich der Golden Gate Bridge beginnt der hügelige Landkreis Marin County mit dem Städtchen Sausalito, dem eine große Hausbootsiedlung das Flair einer Künstlersiedlung verleiht. Auf dem Highway 1 fahren wir zu dieser kleinen Stadt und machen dort eine Mittagspause von 45 Minuten. Es ist sehr schwer, in dieser Gegend für eine so große Gruppe einen Parkplatz zu finden. Günter schafft es, dass wir unsere Motorräder auf dem Parkplatz eines teuren Hotels kostenlos abstellen dürfen. Dabei kehren wir nicht mal dort ein, sondern wir folgen unserer Reiseleitung, die sich immer so gut auskennt und gehen in einen Imbiß, um preiswert zu essen. Wir nehmen einen Cheesburger mit Pommes und einer Coca Cola. Alles wird ganz frisch zubereitet, auch der Koch ist wohl ganz frisch, nur wir nicht. Ehe unsere Burger fertig sind, haben wir kaum noch Zeit, sie zu genießen. Reinhard und Rosemarie stehen noch um 2.15 Uhr p.m. an und müssen dann aus Zeitgründen auf ihr Mittag verzichten, denn um diese Zeit müssen wir schon wieder an den Motorrädern sein. Daher bestellt Reinhard das Essen wieder ab und lässt sich sein Geld zurück geben. Wir holen schnell noch einmal 60 Dollar aus einem Automaten. Günter macht auf dem Parkplatz noch von jedem Motorrad samt Besatzung ein Foto zur Erinnerung. Ich wollte uns mit meinem Fotoapparat auch noch ablichten lassen, aber mein letzter Speicher hat nur 32 MB und ist leider auch schon voll. Schade! 

Nun ist wirklich die Stunde des Abschieds unwiderruflich gekommen. Wir durchqueren, wieder in zwei Gruppen getrennt, die gesamte City, um an der Eaglerider Verleihstation unsere treuen und so zuverlässigen Weggefährten schweren Herzens wieder abzugeben. Wir verfahren uns zum ersten mal und stellen fest, dass wir uns wohl im Kreis bewegen, denn wir erkennen die Gegend wieder. Jede Ampel ist rot, aber das stört uns nicht, so gewinnen wir noch etwas mehr Zeit, ehe wir uns von unseren schönen Harleys trennen müssen. Endlich finden wir um 3.30 Uhr p.m. die Verleihstation und geben unsere Schmuckstücke mit Wehmut zurück. Wir waren nun fast zwei Wochen mit einem Wert von ½ Million Dollar auf den Straßen Amerikas unterwegs, und alles ist gut gegangen, keine Panne oder gar Unfall trübten unsere Urlaubsfreude. Alle Motorräder wurden ohne Beanstandung zurückgenommen, wir haben sie aber auch liebevoll und pfleglich behandelt. Daher sind wir trotz unseres Abschiedsschmerzes alle glücklich. Solange die Maschinen inspiziert werden, dürfen wir in den Aufenthaltsraum in der ersten Etage des Ladens gehen und bekommen jeder ein Bier spendiert und erwarten dort die Stretchlimousinen, die uns zu unserem Holiday Inn Express Hotel auf der anderen Seite der Hügel von San Francisco bringt. Es liegt mitten im Zentrum von Fisherman’s Wharf, dem Vergnügungs- und Hafenviertel, wo die Schiffe nach Alcatraz auslaufen und die besten Fischlokale der Stadt zu finden sind.
Es kommen zwei schwarze und zwei weiße Limousinen, in denen wir es uns bequem machen. Doch es dauert noch eine ganze Weile bis wir endlich losfahren, und es ist ganz schön heiß in dem Auto. So fahren wir nobel durch San Francisco zum Holiday Inn Express Hotel, wo wir unsere letzte Nacht in Amerika verbringen werden. Die Autos werden aus der Reisekasse bezahlt, wir geben nur das obligatorische Trinkgeld. Das Hotel ist ein riesiger, moderner, von außen nicht besonders hübscher Bau. Vor dem Hotel wird heftig demonstriert. Viele junge Leute halten sich davor auf und schlagen ständig auf eine Trommel. Ein Schreihals ruft immer wieder: Logout, logout, shame you! Das andere verstehen wir nicht, aber es soll wohl um die Arbeitsbedingungen in diesem Hotel gehen. Ich finde, dafür können wir nichts, und sie wählen nicht den richtigen Weg für ihre Problemlösung. Bernhard hat uns schon eingecheckt, so bekommen wir gleich unseren Zimmerschlüssel. Unser Zimmer befindet sich in der zweiten Etage, und das Fenster geht nur zu einem Lichtschacht hinaus. Hier hören wir wenigstens nichts von der Demonstration. Auf der linken Seite steht für Amerika ganz ungewöhnlich nur ein großes Doppelbett und daneben auf jeder Seite ein Nachtisch. Auf unsere Koffer müssen wir noch etwas warten, denn Klaus muss den Van erst noch aus Milbrae abholen. Reimar legt sich inzwischen hin und döst ein wenig, während ich mein Tagebuch vervollständige. Danach gehe ich hinunter, unser Gepäck ist gerade angekommen. Reimar wird erst wach, nachdem ich alles hoch getragen habe. Nach einem ausgiebigen Duschbad und wieder „Mensch“ werden, gehen wir alle gemeinsam zum letzten Abendessen. Die Eltern von Joel sind gekommen und haben für unsere Gruppe Plätze in einem Jazzlokal bestellt. Na, ein Glück, denn das Restaurant ist ziemlich voll. Joels Eltern wurden uns von Günter als ebenfalls gut Scouts vorgestellt, von denen er sehr viel gelernt hat. Sie wirken sehr jung und aufgeschlossen und waren mit Sicherheit gute Lehrer für Günter und für ihren Sohn, davon konnten wir uns ja überzeugen. Vor unserem Hotel wird noch immer demonstriert. Es ist lästig an den schreienden Leuten vorbei zu gehen. Ich bestelle mir wieder einen Krabbencocktail, der 8,50 Dollar kostet und aus fünf großen Shrimps auf einem Cocktailglas hängend mit einer scharfen Ketchup Dipsoße. besteht. Reimar isst Salmon mit Gemüse und Pürree für 17,50 Dollar. Das ist ja nicht der Endpreis, denn es kommt noch die Steuer von 8.5 % sowie das Trinkgeld in Höhe von 10 – 20 % dazu. Dazu trinken wir Lagerbier. Das Abschiedsessen wird aus der Reisekasse bezuschusst, dafür zahlt Günter einfachheitshalber jedem Teilnehmer 15 Dollar aus, so wird der letzte Abend nicht so teuer für uns. Außerdem haben unsere Reiseleiter das Tankgeld abgerechnet, da bekommt jedes Motorrad noch 18 Dollar zurück, das war wirklich gut kalkuliert! .An unserem Tisch sitzen wir mit Rudi aus Köln, der die ganze Tour über vor uns gefahren ist, zusammen.
 

Nach einem kurzen Bummel durch die Straßen, finden wir mit Mühe unser Quartier, denn in der Gegend gibt es drei Holiday Hotels. Aber die Schreihälse bringen uns auf den richtigen Weg. Um 10.00 Uhr p.m. sind wir wieder auf unserem Zimmer, packen unsere Koffer und fallen total müde ins Bett.  

14. Übernachtung im Holiday Inn Express Hotel in San Francisco    Fahrstrecke:  160 Kilometer    

 

14. Tag, Samstag, 09. Oktober 2004,  Abreisetag    Zum Anfang

Nachdem wir sehr gut geschlafen haben, stehen wir erst um 8.00 Uhr a.m. auf, und Reimar holt unser continentales Frühstück mit Kaffee, Croissons und sogar Toast zu uns aufs Zimmer, dann packen wir unseren Rest, die Schuhtasche und die Helmtaschen und geben das Gepäck in dem Aufbewahrungsraum des Hotels ab, denn das Zimmer muss bis 12.00 Uhr geräumt sein. Vor diesem Raum stehen drei Computer, die man kostenlos benutzen kann. Da sehen wir gleich noch nach, ob uns jemand geschrieben hat. Um 10.00 Uhr machen wir uns auf den Weg zur Stadtbesichtigung. 

Aufgrund des späten Rückfluges um 21.25 Uhr haben wir noch den ganzen Tag zur Verfügung, um San Francisco näher kennen zu lernen. Bis wir um 18.15 Uhr zum Flughafen gebracht werden, haben wir noch viel Zeit. In der Halle treffen wir zufällig auf Petra, Josef und Urs, mit denen wir den ganzen Tag zusammen bleiben. Zuerst laufen wir zum berühmte Pier 39, um uns die Seelöwen anzusehen, die dort auf Pontons faul in der Sonne liegen. Wir treffen so viele an, wie ich sie noch nie gesehen habe, schon gar nicht in freier Natur. Danach schlendern wir am Wasser entlang zur berühmten Cable Car, um damit nach Chinatown zu fahren. An der Haltestelle stehen viele Touristen in einer langen Schlange an. Wir müssen immerhin 45 Minuten warten, bis wir einsteigen können. Die Wartezeit wird uns durch einen etwas verwegen aussehenden Mann verkürzt, der zur Gitarre wunderbar singt, unter anderem etliche Songs von den Beatles. Er nimmt auch Wünsche entgegen und erwartet natürlich einen kleinen Obolus, ich hätte ihm noch eine Weile zuhören können. Außerdem können wir von hier aus über die ganze San Francisco Bay schauen und die Schiffe beobachten. Heute liegt die Golden Gate Bridge zu unserem Glück wunderbar klar in der Sonne. Auf diese Weise haben wir beides kennen gelernt und können noch einmal ganz andere Fotos von der Brücke machen. Es kommt ein Flugzeugträger herein, der von einem Feuerboot eskortiert wird, das riesige Wasserfontänen versprüht. Heute soll es in der Bucht noch eine Flugzeugshow geben. Weil viele Menschen diese Veranstaltung von der Insel aus beobachten wollen, sind die Karten für den Besuch der Gefängnis-Insel Alkatraz schon seit 14 Tagen ausverkauft. Das war für Remo eine große Enttäuschung, denn auf der ganzen Tour hat er nur davon gesprochen, diese Insel zu besuchen. Doch unser hervorragender Reiseleiter Günter setzte sich für die Familie Blunschi ein und schaffte es tatsächlich, für sie noch drei Karten für Alkatraz zu bekommen. Remo war selig, es war der Höhepunkt seiner Reise. - Es war auf der ganzen Fahrt so, dass Günter sich immer für uns eingesetzt hat und alles Machbare für uns erreicht hat. Wir wollten ursprünglich auch hinüber fahren, aber unser Sohn schrieb uns, dass es so viele schöne interessante Plätze in San Francisco gibt, die wir uns unbedingt anschauen sollen.  

An der Cable Car Endstation können wir beobachten, wie diese alten Bahnen noch per Hand auf einer Drehplatte gewendet werden. Wir lösen für 9,00 Dollar eine Tageskarte, mit der wir den ganzen Tag sämtliche Verkehrsmittel der Stadt benutzen können. Kaum ein Besucher wird San Francisco verlassen, ohne einmal mit der Cable Car über die steilen Straßen gerattert zu sein. Die einzeln fahrenden Waggons sind immer derart überfüllt, dass einige Fahrgäste fast außen an den Waggons hängen. Ich bekommen zum Glück einen Sitzplatz, aber da so viele Leute vor mir stehen, sehe ich nicht so gut. Die Strecke der Bahn geht schnurgerade aus und steigt steil bergan. Wir sehen zur Linken die berühmte Lombardstreet, die sich sehr kurvenreich in schmalen Serpentinen durch Beete mit blühenden Hortensienbüschen bergauf windet. Für viele motorisierte Touristen ist es eine Attraktion, die Straße mit einem Gefälle von 40 Prozent mit ihrem Fahrzeug zu befahren. Wir steigen in Chinatown aus und durchstreifen dieses lebhafte Viertel. Es gibt viele Geschäfte, die ihre Waren zum großen Teil billiger anbieten als weiter unten in der Stadt. Langsam bekommen wir Hunger, und ich habe Appetit auf chinesischen gebratenen Reis mit Hühnerfleisch und Ei, schön trocken, hoffentlich bekommen wir das Gewünschte. Wir finden ein Restaurant, wo wir fünf einen runden Tisch mit Drehplatte bekommen. Uns wird Jasmintee gereicht, und ich trinke zwei Coca Cola. Ständig laufen Bedienungen herum und bieten verschiedene frittierte Leckereien an. Wir essen drei Bälle, innen mit Shrimps, sehr lecker, aber ich möchte lieber meinen gebratenen Reis. Den bekomme ich auch, genau, wie ich ihn mir vorgestellt habe mit Ei, Schoten, und statt Hühnchen wähle ich Shrimps. Reimar nimmt auch gebratenen Reis, aber mit weniger Zutaten. Das mundet uns nach all dem Gegrillten wunderbar. Anschließend beschließen wir, uns nach einer Bushaltestelle umzuschauen, können sie aber nicht finden. Josef meint, wir müssen mal jemanden fragen, dreht sich um und – steht direkt vor Günter, der uns natürlich Auskunft geben kann. Wir finden es schon ulkig, es ist das zweite mal, dass wir uns in einer Stadt nicht alleine zurecht finden und beim Suchen auf Günter treffen. Er sagt ganz verschmitzt: „Ein Reiseleiter muss eben immer zur Stelle sein, wenn seine Mannschaft ihn braucht!“ Wir treffen ihn hier zusammen mit Klaus und Bernhard. Jetzt wollen sie gerade zum Hotel, die Blunschis verabschieden, denn die fahren schon um 2.30 Uhr p.m. zum Flugplatz. Währenddessen laufen wir noch etwas bergauf durch die Stadt, wir wollen uns die Lombardstreet etwas näher ansehen. Wir fühlen uns heute, ohne unsere Motorräder, ganz komisch, sie fehlen uns, und wenn wir in der Stadt mal nur drei Harleys zusammen sehen, möchten wir am liebsten auch winken, wie wir es in der letzten Zeit immer erlebt haben, und uns wird ganz wehmütig ums Herz. Erst jetzt können wir richtig nachfühlen, wie beeindruckend es gewesen sein muss, wenn so eine große Gruppe durch die Stadt donnert.  

Dann nehmen wir noch für ein Stück den Bus und landen wieder an der Cable Car Endstation, wo Reimar noch ein Foto von mir auf der Bahn macht. Ich habe extra einige zu dunkle Fotos aus Las Vegas gelöscht, damit wir noch einige Aufnahmen in San Francisco machen können. Jetzt ist wirklich Schluss. Leider kann ich die Flugshow nun nicht mehr fotografieren. Die ersten Flugzeuge sehen wir schon, sie malen mit Kondensstreifen Figuren an den Himmel unter anderem ein Herz, sogar mit Pfeil. Wir laufen noch ein kleines Stück, bis zu einem Rasenplatz am Wasser, auf dem schon viele Menschen auf Decken und Stühlen auf die Vorführung warten. Wir haben natürlich keine Decke dabei, und der Rasen ist leider sehr nass, darum bleiben wir stehen, obwohl das ganz schön ins Kreuz geht. Petra setzt sich trotzdem ins Gras und bekommt prompt nasse Hose, darum steht sie nach kurzer Zeit wieder auf. Dann beginnt die Flugshow. Die Flugzeuge kommen aus der Richtung von Chinatown und fliegen immer wieder in neuen Formationen Normalerweise würde ich, nach den Vorkommnissen in Ramstein, nicht zu so einem Spektakel gehen, aber hier bin ich nun mal, da schaue ich auch zu. Es ist sehr beeindruckend, wie neun Flugzeuge hoch oben über der San Francisco Bay ihre Kunststücke vorführen. Gestern sahen wir bereits vier Flugzeuge für diese Show proben. Das hat uns schon neugierig gemacht. Die Maschinen sind auf der Oberseite rot, das sieht besonders gut aus, wenn sie ihre Loopings vorführen und auf dem Kopf fliegen. Sie sausen so eng aneinander vorbei oder aufeinander zu, dass man Angst haben kann, ihre Flügel würden sich jeden Moment berühren, sie steigen senkrecht in die Höhe und lassen sich dann wieder herunterfallen. Es ist schon sehr interessant, das zu sehen, allerdings muss sich meinetwegen niemand in Lebensgefahr begeben. Manche Menschen brauchen ja diesen Kick, - ich nicht! –Ich mag es auch nicht, wenn im Zirkus Menschen ohne Netzt am Trapez arbeiten. Die Leistung wird doch nicht geschmälert, wenn die Akteure Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Trotzdem muss ich sage, die Show beeindruckt mich sehr. Die Kondensstreifen sehen manchmal wie Figuren, Herzen, Blumen oder wie Feuerwerk aus. Die Anzahl der vorführenden Flugzeugen ändert sich häufig, mal 2, mal 6, oder alle neun Maschinen, das bringt Abwechslung in die Szenerie. Sie verschwinden ab und zu hinter den Bergen, um von der Stadtseite her wieder aufzutauchen, oder auch umgekehrt und sausen ganz dicht über die Golden Gate Bridge, die so wunderbar in der Sonne liegt Ich habe scherzhaft gesagt: „Diese Show hat Günter extra für uns organisiert!“ Zuzutrauen wäre es ihm, bei seinem Organisationstalent. Aber das ginge nun wohl doch zu weit. Jedenfalls war das noch das I-Tüpfelchen des heutigen Tages und dann noch bei diesem herrlichen, klaren Wetter! Nach einer halben Stunde Luftanhalten, ist diese beeindruckende Show zu Ende, und wir können aufatmen.  

Wir schlendern noch etwas über die Uferpromenade, wo es an vielen Ständen Getränke, Grillgerichte, Andenken jeder Art und Informationen über die Flugshow gibt. An einem Stand der Verkehrswacht können wir an einem Quiz teilnehmen. Es sind auf kleinen Karten Fragen zu beantworten, dafür gibt es immer drei Lösungsvorschläge. Wir bekommen zuerst nicht richtig mit, worum es da geht. Als die Leute am Stand merken, dass wir Ausländer sind, dürfen wir noch einmal einen Lösungsversuch starten, sie sind großzügig und schenken jedem von uns einen schönen Kugelschreiber, bei dem man am oberen Ende blaues Licht einschalten kann. Darüber freuen wir uns sehr. Es sitzen häufig junge Graffiti Künstler auf der Erde und sprühen sehr schöne Bilder, natürlich ist häufig die berühmte Brücke ihr Motiv. Die Touristen kaufen diese Bilder gerne als Andenken. Wir gehen in einige Geschäfte und erstehen Andenken. Gleich um die Ecke, in der Nähe unseres Hotels, treffen wir auf einen Route 66 Laden, wo wir für unsere letzten Dollar Pins von den Staaten kaufen, durch die wir auf unserer Tour gefahren sind: Kalifornien, Nevada, Arizona und Utah, und für jeden ein Pin: Route 66. Dafür hätte unser Bargeld gerade so gereicht, aber Reimar möchte noch einmal Kaffe trinken gehen, also zahlen wir ein letztes mal mit unserer Kreditkarte. Nachdem wir eine Weile vor einem kleinen Café gesessen haben, gehen zu unserem Hotel und holen unser Gepäck. Die anderen Gruppenmitglieder sitzen schon in der Lobby- Günter erzählt uns, dass Remo beim Abschied sehr unglücklich und fassungslos war, es tat ihm sehr weh, unsere Gruppe nun verlassen zu müssen. Er hat sich mit uns sehr wohl gefühlt und war sehr gut integriert. Wir können das sehr gut verstehen, denn wir sind alle traurig, dass diese schöne Reise nun zu Ende geht. Ich bin noch zusätzlich ganz unglücklich, denn ich bemerke, dass ich meine goldene Halskette mit dem Notenschlüsselanhänger verloren habe, die ich vor vielen Jahren von meinen Eltern bekommen habe. Es macht mich ganz verrückt, wenn ich etwas verliere, und ich melde den Verlust an der Rezeption. Dann gehe ich zum Restroom und finde meine zerrissene Kette samt Anhänger in der Gürtelschlaufe meiner Jeans hängen. War ich froh!  

Vor dem Hotel krakeelen noch immer die Demonstranten, die haben vielleicht eine Ausdauer! Das geht nun schon seit gestern so und auch die ganze Nacht lang. Unser Zimmer lag ja sehr günstig und ruhig nach hinten zu dem Lichtschacht, aber Petra erzählt, ein Gast fühlte sich derart gestört, dass er nachts das Fenster geöffnet hat und dem größten Schreihals einen Topf voll Wasser über den Kopf gegossen haben soll, worauf der die Polizei gerufen hat, die dann auch kam.

Wir warten sehnlichst auf die Taxen, die uns zum Flughafen bringen sollen, aber sie kommen nicht. Günter telefoniert und erfährt, dass sie vor dem falschen Holiday Inn Hotel stehen und dort vergeblich auf ihre Fahrgäste warten. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis drei Kleinbusse kommen, die uns alle samt Gepäck aufnehmen. Günter und Klaus werden mit einem letzten Knuddeln und herzlichem Dank verabschiedet, denn sie bleiben im Hotel. Joel ist bereits mit seinen Eltern mitgefahren, wir haben ihn seit gestern Abend nicht mehr gesehen und konnten uns leider nicht gebührend von ihm verabschieden. Nur Bernhard bleibt bei uns und fliegt mit uns zusammen nach Deutschland. Unsere Fahrt zum Flughafen dauert mehr als vierzig Minuten, denn wir müssen nach Milbrae zurück, wo wir gestern in dem Motel neben dem Airport übernachtet haben.  

Obwohl unser Taxi als zweites am Hotel losgefahren ist, kommen wir als letzte am Flughafen an, wo die anderen schon auf uns warten. Unser Flugzeug hat drei Stunden Verspätung, Startzeit ist voraussichtlich erst um 0.30 Uhr, weil unsere Maschine kaputt war und ausgetauscht werden muss. Mich stört das gar nicht so sehr, auf dem Herweg hätte mich das viel mehr betroffen. Aber wir haben auch einige dabei, die gleich wieder zur Arbeit müssen, für die ist das natürlich ärgerlich, denn die meisten schaffen nun ihre Anschlussflüge nicht mehr und müssen in München auf Kosten der Fluggesellschaft noch einmal übernachten. Bisher kann uns keiner sagen, wie es weiter geht. Wir bekommen von einem netten jungen Mann die Auskunft, dass wir, wenn das Ersatzflugzeug wie geplant kommt, um 20.40 Uhr in München landen und dort eine Stunde Zeit zum Umsteigen auf die letzte Maschine nach Berlin haben würden. Der letzte Flug nach Berlin startet um 21.40 Uhr und kommt dort um 22.45 Uhr an, Plätze wären genug vorhanden, wenn das Einchecken noch rechtzeitig klappt.  

Wir borgen Hella unsere Telefonkarte, damit sie ihrer Tochter Bescheid geben kann. Wir warten noch damit, Dirk anzurufen, denn in Berlin ist es gerade erst 5.00 Uhr früh am Sonntag, das können wir unseren Kindern nicht antun.  

Wir werden vom Bodenpersonal am Schalter sehr freundlich behandelt und bekommen soweit das geht, geduldig Auskunft auf alle unsere Fragen. Wir befestigen vorsorglich unsere Heimatadresse an unserem Gepäck, denn falls wir in München übernachten müssen, werden die Koffer nach Hause geliefert. Bernhard ist bei uns, das gibt uns etwas mehr Sicherheit. Er weiß allerdings schon, dass er in München übernachten muss, denn er bekommt seinen Anschlussflug nach Nürnberg mit Sicherheit nicht mehr, das ist fast unvorstellbar. Wir haben die Hoffnung, heute noch nach Hause zu kommen, bisher nicht aufgegeben, obwohl eine zusätzliche Übernachtung in netter Runde in einem sicherlich teuren Hotel auch nicht zu verachten ist. Wir sitzen mit Hella und Ronald in der Wartezone zusammen, nachdem wir den Sicherheitscheck schon hinter uns gebracht haben. Ich schreibe in meinem Tagebuch und will noch etwas lesen, dazu bin ich die letzten 14 Tage nicht gekommen. Um 10.00 Uhr p.m. bekommen wir den angekündigten Imbiss: Puten- und Schinkensandwiches, Coca Cola und Wasser. Danach ruft Reimar bei Dirk an uns holt ihn natürlich aus dem Bett. In Berlin ist es inzwischen schon Sonntag, aber erst 7.00 Uhr morgens, da kann ein junger Mann, der die ganze Woche früh aufstehen muss, auch noch schlafen. Aber nun weiß er wenigstens Bescheid.  

Unser Ersatzflugzeug landet endlich um 23.00 Uhr, sie brauchen eine Stunde, bis alles saubergemacht, getankt und beladen ist. Bernhard ist immer wieder erstaunt, wie es die Lufthansa in solchen Fällen schafft, ein gleichwertiges Ersatzflugzeug in so kurzer Zeit bereitzustellen. Es handelt sich um eine A 340 – 600, sie fasst 345 Passagiere, hat ein Startgewicht von 368000 kg. und fliegt 12527 m hoch bei einer Fluggeschwindigkeit von 890 km/h. Das Flugzeug ist 75,27 m lang, 17,29 m hoch und hat eine Spannweite von 63,45 m. Wir sitzen am Fenster, was aber nichts nützt, denn draußen ist es dunkel, und ich bin schon in der Wartezone eingeschlafen und möchte nur noch weiterschlafen, was mir auch sofort gelingt. Die Stewardess zieht die Jalousien zu, denn in drei Stunden wird es schon so hell, dass niemand mehr schlafen könnte. Die Sitze sind für einen so langen Flug wieder viel zu eng. Es dauert nicht lange, da wird uns ein Abendbrot serviert: Hühnchen mit Schoten und Reis, 1 Brötchen, Butter, Cheddar Käse und ein Stück Rhabarber Kuchen. Ich habe gar keinen Hunger, gebe Reimar die Hälfte ab und schlafe sofort wieder ein und bis 7.00 Uhr (amerikanische Zeit = 14.00 MEZ) durch. Mein Husten quält mich mächtig. Ich versuche, noch weiter zu schlafen, was mir auch noch drei Stunden lang gelingt. Danach lese und rate ich Kreuzworträtsel bis es Frühstück gibt: Rührei mit Speck, Grünkohl und Bratkartoffeln, 1 Brötchen, 1 Croisson, Marmelade, Butter, dazu Obstsalat aus Melone, Weintrauben und Ananas sowie Wassermelone. Um 19.45 Uhr beginnen wir den Landeanflug auf München. Inzwischen haben wir erfahren, dass die Passagiere, die nach Frankfurt und Hannover müssen, auf alle Fälle weiter kommen. Ihr Anschlussflug geht um 21.10 Uhr, der nach Berlin erst um 21.40 Uhr, aber ob wir auch weiter kommen, konnte uns bis zur Landung noch nicht gesagt werden. Da wir noch eine ganze Stunde Zeit haben, rennen wir zusammen mit Thorsten, dem einzigen Berliner außer uns, vom Ankunftsflugsteig H 32 einen endlos langen Weg bis zum Flugsteig G 44. Dort werden wir erst in zehn Minuten abgefertigt, dabei ist die Zeit doch schon so knapp, wir haben uns also umsonst beeilt. Immer noch haben wir die Ungewissheit, - über dem Abfertigungsschalter läuft ein Schriftband, dass die Maschine ausgebucht ist und nur ein Handgepäckstück mitgenommen werden darf. Wir haben nun wirklich nicht die Absicht, unsere Helmtaschen auch noch aufzugeben. –Zum Glück bekommen wir doch noch Plätze, Sitz 22 B Mitte und 22 C am Gang. Uns ist das egal, Hauptsache wir kommen heute noch mit. Wir sitzen wenigstens zusammen, damit haben wir schon gar nicht mehr gerechnet. Es zieht uns jetzt doch nach Hause. Bevor wir ins Flugzeug gehen, rufe ich noch schnell Dirk an, er hat sich schon gedacht, dass wir noch mitkommen, denn er hat natürlich im Computer - -an seinem Arbeitsplatz am Flughafen Tegel nachgesehen, - auf dieser Maschine waren überhaupt erst 35 von 123 vorhandenen Plätzen besetzt. Nun trennen uns nur noch 50 Flugminuten von zu Hause. Dadurch, dass ich solange geschlafen habe, ist mir die Flugzeit sehr schnell vergangen. Wir fliegen mit einer Boing 737 – 300, die den Namen Sachsen-Anhalt hat. Der Gang ist in der Mitte, rechts und links sind je drei Sitzplätze. Die Boing 737 ist 33,4 m lang, hat eine Spannweite von 22.88 m und eine Höhe von 11.13 m. Sie fliegt in einer Höhe von11300 m mit einer Geschwindigkeit von795 km/h, hat eine Reichweite von 2500 km und ein Startgewicht von 57600 kg.

Pünktlich um 22.50 Uhr landet unser Flugzeug in Berlin Tegel. Wir verabschieden uns von Thorsten, der uns noch kurz seine Frau vorstellt. Dirk erwartet uns und bringt uns in unsere Wohnung. 

Ein unvergesslicher Urlaub geht damit zu Ende, ein Traum hat sich erfüllt.


Resümee                                        
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Wir haben einen hervorragend vorbereiteten und organisierten Traumurlaub mit bester Betreuung erlebt. Amerika ist ein unvorstellbar vielseitiges und wirklich weites Land mit seinen riesigen Canyons und Nationalparks. Die Gegensätzlichkeit zwischen der grenzenlosen Einsamkeit der Wüstenregionen und dem quirligen Glitzertreiben in den Spielermetropolen, der Armut in den Indianerreservaten und dem unvergleichlichen Luxus der Orte, in denen sich die reichen Amerikaner ihr Domizil geschaffen haben, ist beeindruckend.

Lange haben wir gezögert, uns unseren Traum von einer Motorradreise durch Amerika zu erfüllen. Amerika ist ein ziemlich teures Land, und wenn man so eine kostbare Reise bucht, hat man bestimmte Erwartungen, obwohl man sich innerlich auch darauf einstellt, dass vielleicht nicht alles so verläuft, wie man es sich vorstellt.  

Auf unserer Tour wurden alle unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Darin waren sich alle Tourteilnehmer, die wir gesprochen haben, einig. Das fängt mit der Reisebuchung an, die einwandfrei klappte. In Bernhard Fischer vom Reisestudio Nürnberg hatten wir jederzeit einen kompetenten Ansprechpartner und geht weiter über die hervorragende Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Tour durch Günter Kykillus vom Eagleriderr Support Office Germany und seinen Mitarbeitern Klaus, Joel und Sophia. Die Betreuung war einzigartig und die gute Laune der Reiseleitung wirkte ansteckend und übertrug sich auf die Gruppe, so dass immer eine gute Stimmung herrschte. Einhellig waren die Gruppenmitglieder der Meinung, dass wir so einen optimalen Reiseablauf alleine nicht hätten organisieren können.

Auch die Nachbereitung der Reise durch die Organisatoren und die Kontaktpflege mit Fotoaustausch können meinerseits nur lobend erwähnt werden. 

Ihnen allen gilt unser Dank und unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit. Nicht zuletzt danken wir auch dem ADAC, dass er diese Tour in seiner ADAC Motorradwelt als Leserreise empfohlen hat.  

Wir sind seit 1959, solange Reimar den Führerschein hat, im ADAC Mitglied und haben bisher nur positive Erfahrungen mit diesem Club gemacht.  

Als kleine Anekdote möchte ich erwähnen, dass Reimar am 27.11.1960 durch den ADAC in Zusammenarbeit mit dem Telegraf zum 51. Kavalier der Straße ernannt wurde. Der damalige Vorsitzende, Dr. Friedrich Karl Wegener überreichte ihm die Urkunde und eine Plakette. Reimar hatte als 19jähriger auf der Autobahn mit seiner BMW 250 einen anderen Motorradfahrer auf der Transitstrecke bis zur nächsten Tankstelle im Westteil geschleppt und dem Mann auch noch Geld für Benzin gegeben, das der Mann ihm am nächsten Tag zurückgegeben hat. Als Dank meldete er diese Hilfsbereitschaft dem ADAC, der Reimar dann für diese Auszeichnung auswählte. Eigentlich ist es schade, dass es das heute nicht mehr gibt, denn wir könnten viel mehr Kavaliere der Straße gebrauchen. Damals gab es auch den freiwilligen Kameradschaftsdienst, dem Reimar lange angehörte. 

Nicht zuletzt die Zusammensetzung der Gruppe, die wirklich einmalig gut harmonierte und sich in jeder Hinsicht diszipliniert verhalten hat, das schöne Wetter und die Tatsache, diese Tour, bei der wir in 11 Fahrtagen 3748 km zurückgelegt haben, ohne Unfall oder Panne erlebt zu haben, lässt uns nur positiv an diese Reise denken, und wir sind anschließen im Traum noch wochenlang Motorrad gefahren und dachten an unsere unvergessliche Reiseroute. Die Ausarbeitung dieses Berichtes hat mir geholfen, die vielfältigen Eindrücke zu verarbeiten. Wenn wir den Bericht lesen oder uns die vielen Fotos und den Videofilm ansehen, stellen wir einmütig fest:

 

“Wir könnten sofort wieder losfahren!“      Zum Anfang